Ackerblut. Andre Rober. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andre Rober
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748594956
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Berner rümpfte unverhohlen die Nase. Möglicher­wei­se rechnete er damit, dass sie bei den Uniformierten aus­hel­fen sollten und die ziemlich despektierliche Art, in der er die nächste Frage stellte, bestätigte den Anschein.

      »Und was hat das mit uns zu tun?«

      Gröber blieb sachlich.

      »Bei der Bergung eines der zerstörten Fahrzeuge sind ne­ben den beiden toten Insassen auch Waffen gefunden wor­den. Wegen Personalmangels helfen wir an dieser Stelle aus.«

      Thomas Biermans Gesichtsausdruck verfinsterte sich.

      »Als ob wir nicht auch zu kämpfen hätten«, erboste er sich.

      »Wir haben eine komplett unterbesetzte SOKO im Fall Mi­chelle Schneider, und für mich hat er Priorität. Wir spre­chen von Schwarz` Kollegin!«

      Gröbers Gesicht wechselte innerhalb weniger Sekunden die Farbe. Doch der von allen erwartete Ausbruch blieb aus. Der Chef atmete dreimal tief durch und griff mit der Rech­ten in die Hosentasche.

      »Bierman, Sie, Frau Hansen und Herr Pfefferle werden weiterhin an diesem Fall arbeiten. Frau Polocek und Herr Berner, Sie beide kümmern sich um den Waffenfund.«

      Der sonst so ruhige Pfefferle stöhnte.

      »Zwei Leute? Weil man eine Waffe gefunden hat?«

      Auch wenn Sarah ihren Vorgesetzten noch nicht so gut kann­­te wie die anderen, vermutete sie richtig, dass Gröber mit dieser Maßnahme den anderen Dezernaten demons­trie­ren wollte, wie gut sein „Laden“ organisiert war.

      »Ja, zwei Leute. Polocek, Berner, machen Sie sich auf den Weg. Die Aufräumarbeiten gehen nicht weiter, bis Sie und die Spurensicherung den Unfallort wieder freigeben.«

      »Sofort?«, fragte Polocek etwas zögerlich.

      »Haben Sie nicht zugehört? Ja, sofort! Ich erörtere das wei­tere Vorgehen im Fall Schneider mit Ihren Kollegen.«

      Polocek und Berner erhoben sich und verließen wortlos den Raum. Gröber wandte sich an die verbleibenden drei Ermittler.

      »Ich habe dafür gesorgt, dass Sie weitere acht Kollegen für die Sonderkommission zur Seite gestellt bekommen. Dann sind das insgesamt zwölf Beamte. Die Mel­dungen aus den Dezernaten liegen schon bei Frau Dörr. Pfefferle, Sie stellen das Team zusammen. Die Tech­niker bauen gerade alles Nö­tige im großen Besprech­ungs­raum auf. Und Sie, Frau Han­sen und Herr Bierman, be­richten mir jetzt mal von Ihren ersten gemeinsamen Tagen!«

      Der Mann wusste nicht, zum wievielten Mal er am heuti­gen Tag die Wahlwiederholungstaste gedrückt hatte. In der Hoff­nung, dass diesmal das Gespräch entgegengenom­men würde, lauschte er auf das Piepen, das ihm sig­nal­isierte, dass die Nummer übertragen wurde. Doch er­neut ver­kün­dete die sanfte Frauenstimme: The number you have dialed is temporarily not available, please try again later.

      Er runzelte die Stirn. Die zwei Stunden, innerhalb derer das Team gemäß Vorschrift zu erreichen sein musste, war mittlerweile um das Vierfache überschritten. Trotzdem zö­gerte er noch. Ein Blick auf den kleinen, nahezu unzer­stör­baren B&W Outdoorkoffer, der mit zwei Abus Vor­hänge­schlössern gesichert neben ihm auf dem Beifahrersitz stand, beruhigte ihn wieder. Wäre es zu dem Kommu­ni­ka­tions­ausfall gekommen, bevor er dessen Inhalt in der Rechts­medizin hatte sicherstellen können, hätte er sich die Pas­sivität nicht erlauben können. Jetzt aber, da er beide Phasen der Operation erfolgreich abgeschlossen hatte, konnte er seine Wartezeit rechtfertigen. Trotzdem war es jetzt an der Zeit, Lodz zu informieren. Er öffnete die Folie eines ori­ginal­verpackten Prepaidhandys und setzte den Akku ein. Dann griff er in die Innenseite seines Jacketts und holte einen un­scheinbaren Kugelschreiber hervor. Er betrachtete ihn kurz und brach dann das hintere Ende entzwei. Aus einem Bruch­stück lu­gte eine fabrik­neue SIM Card hervor, die er entnahm und in das Mobiltelefon einsetzte. Im darauf ge­speicherten Telefonbuch befanden sich nur zwei Num­mern, von denen er die untere auswählte. Diesmal dauer­te es nur wenige Sekunden, bis am anderen Ende jemand abhob.

      »Adamcyk, wie kann ich helfen?«

      »Der Einkauf war erfolgreich, aber der Vater hat seine bei­den Kinder verloren.«

      »In Ordnung. Wir werden sie suchen.«

      Ein Klicken im Lautsprecher und die Leitung war tot.

      Der Mann lehnte sich in seinem Fahrersitz zurück.

       Wir werden sie suchen.

      Das bedeutete für ihn: jegliche Verbindung zu seinen bei­den Kollegen abbrechen und die Spuren vernichten. Er star­te­te den Motor und fuhr auf die Straße. Einen geeig­neten Platz fand er wenig später. Von der spärlich befahr­enen Stra­ße führte ein schmaler Feldweg zu einem kleinen Wäld­chen. Dort angekommen entnahm er dem eben be­nutzen Han­dy die SIM Card, ebenso dem Telefon, mit dem er Verbindung zu seinem Team gehalten hatte. Er packte die beiden Apparate und die Karten und begab sich hinter den mächtigen Stamm einer Eiche. Dort legte er die SIM Karten auf den Boden, die beiden Handys daneben. Dann griff er zu einem Taschenfeuerzeug. Dass sich im Inneren des Edel­stahlkorpus gegenüber herkömmlichen Feuerzeugen die fünf­zigfache Menge hochkomprimierten Gases befand, war dem Gerät nicht anzusehen. Er drehte die Flammengröße auf Maximum, betätigte den Zündknopf und richtete den 1000°C heißen Flammenwerfer zuerst auf die SIM Karten, dann auf die beiden Handys. Es dauerte nur wenige Sekun­den, bis von den Elektronikteilen nur noch ein schwarzer, übelriechender Klumpen aus verbranntem Plastik und Me­tall übrigblieb. Danach ließ er das Feuerzeug einige Minu­ten auskühlen, steckte es wieder ein und fuhr zurück Rich­tung Straße.

      Als Karen Polocek und Nico Berner am Höllental eintra­fen, war die Straße ab der Ausfahrt Burg-Birkenhof immer noch gesperrt. Lediglich Anwohner der dahinterliegenden Häuser durften an dieser Stelle weiter auf der B31 fahren. Glücklicherweise funktionierte die Umleitung über Sankt Märgen und den Thurner so gut, dass sie nur unwesentlich mehr Zeit bis zu der Ausleitung gebraucht hatten. Da jen­seits der Absperrung bereits alle Fahrer ihr Fahrzeug ge­wendet und das Höllental verlassen haben mussten, tra­fen die beiden Ermittler eine vollkommen leere Straße an, auf der Nico Berner mit unverhohlener Freude dem Merce­des Kombi die Chance gab, zu zeigen, was er konnte. Karen Po­locek, die sich in der ein oder anderen Kurve krampfhaft an dem Griff über der Beifahrertür festhielt, nahm die Situa­tion trotzdem gelassen.

      »Kann es sein, dass dein Date gestern Abend geplatzt ist, oder hat man dir im Fitnessstudio wieder Testosteron un­ter­gejubelt?«, fragte sie spöttisch. »Wenn du so weiter­ fährst, endet unsere Fahrt noch im Acker!«

      Berner ließ sich jedoch nicht abhalten, alle drei Spuren der B31 auszunutzen und alles aus dem Auto herauszuholen. Un­ter dem Ruckeln des einsetzenden Antiblockiersystems brachte er das Fahrzeug schließlich wenige Meter vor den Einsatzkräften zum Stehen – nicht ohne das ein oder andere Stirnrunzeln oder Kopfschütteln der Kollegen und Feuer­wehrleute zu provozieren. Hätten sie nicht schon bei Ab­fahrt das Blaulicht auf den zivilen Mercedes gesetzt, wä­ren sie sicher mit einer Hasstirade empfangen worden. Ber­ner und Polocek stiegen aus und bahnten sich den Weg zu dem schwarzen Autowrack, das von Technikern der Spu­ren­si­cherung in ihren weißen Overalls umgeben war. Gera­de als sie ankamen, reichte einer der KTUler eine Tüte an einen weiteren Beamten, in der sich ganz offensichtlich eine Pis­tole befand.

      »Hallo Kollegen«, begrüßte Berner alle Anwesenden. »Kön­nen Sie mir gleich mal geben.«

      Mit einem Nicken gab der Mann die Pistole an Berner wei­ter. Unter der Sicherheitsbrille und dem Mundschutz des Tech­nikers konnten er und Polocek ein blasses Ge­sicht er­ken­nen. Erst jetzt sahen die beiden Ermittler die ent­setzlich zugerichteten Körper zweier Menschen auf ausge­breiteten Planen liegen. Hier konnte man mit schon­ungs­loser Klar­heit erkennen, was die kinetischen Kräfte des au­ßer Kon­trol­le geratenen LKW mit den beiden Insassen an­gerichtet hatten. Die Bestatter waren mit ihrer Arbeit immer noch nicht fertig. Eben reichte einer der Männer seinen Kollegen ein nicht zu identifizierendes