Sieben Farben. Anna J. Heeb. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anna J. Heeb
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844262735
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keine Anstalten machte, das Ganze für einen Kinderscherz zu halten, und zum anderen, weil der Knonk eben noch im Auto neben ihnen gesessen hatte, jetzt aber verschwunden war. Dann klopfte es. Der Großvater stand auf und ging in den Flur. Er öffnete die Tür und sah niemanden.

      „Hallo!“

      Er schaute nach unten. Und da stand er, der Knonk. Als dieser den Großvater erkannte, wechselten Freude und Ehrfurcht kontinuierlich auf seinem Gesicht ab. Die Königin hatte also mal wieder Recht gehabt. „Folge denen, die dich erkennen und Du wirst jemanden finden, der Dir helfen kann“, hatte sie gesagt. Und da stand dieser jemand schon vor ihm.

      „Äh“, stieß der Großvater ziemlich verdutzt hervor. Dann fing er sich wieder und fügte hinzu: „Komm doch herein. Lange nicht mehr gesehen, was?“

      Der Knonk schlüpfte ins Haus und schüttelte sich die Kälte aus den Gliedern. Schnell fand er seine Fassung wieder.

      „Kalt ist es hier“, sagte er mit einem vorwurfsvollen Gesichtsaudruck.

      „Komm, hier herein bitte, ins Wohnzimmer. Da ist es warm. Möchtest Du einen Kaffee?“

      Der Knonk strahlte. Er liebte Kaffee. Leider gab es den in Coloranien nicht. Das letzte Mal, dass er einen Kaffee getrunken hatte… Ja, wann war das denn? Es musste eine Ewigkeit her sein. Der Großvater verschwand wieder in der Küche und der Knonk setzte sich neben Lara auf das helle Sofa.

      „Wo warst Du denn?“ flüsterte sie vorwurfsvoll.

      „Man wird ja wohl mal müssen dürfen. Das ganze Geschaukel in dieser Blechkiste, die ihr Auto nennt… Das geht ganz schön auf die Blase.“

      „Ja, aber Du kannst doch auch im Bad auf die Toilette gehen“, erwiderte Peter mit gedämpfter Stimme.

      Der Knonk schaute entnervt.

      „So“, sagte der Großvater, als er zurück war, „jetzt erzählt mal alle der Reihe nach.“

      Die Kinder schauten den Großvater ungläubig an. „Du kannst ihn sehen?“ fragte Lara.

      „Ja, klar.“

      „Aha.“ Peter staunte.

      „Also, ich muss schon sagen, Du hast Dich ganz schön verändert, Raffael.“ Der Knonk schaute den Großvater prüfend an. „Alt bist Du geworden.“ Knonks waren in Coloranien für ihre Ehrlichkeit bekannt.

      „Ja“, erwiderte dieser lachend, „jünger werd ich nicht mehr. Du siehst aus wie immer. Aber jetzt sag mal, warum bist Du in unsere Welt gekommen?“

      Die Kinder schauten immer verwirrter zwischen den beiden hin und her. Es wirkte irgendwie grotesk, dass sich ein Erwachsener mit so etwas wie einem Knonk unterhielt.

      Jetzt schaute der Knonk sehr ernst. „Die Weiße Königin schickt mich. Unsere Welt ist in Gefahr. Wir brauchen Deine Hilfe.“

      Der Großvater strich sich nachdenklich über den weißen Bart. Er hatte nicht gedacht, dass er noch einmal jemanden aus Coloranien treffen würde, nach all dem, was damals passiert war.

      „Äh, hallo“, unterbrach Lara die beiden, „könntet Ihr uns bitte mal einweihen?“ Die Kinder schauten die beiden fragend an.

      „Ach so, ja natürlich“, hob der Großvater an, „also, vor langer Zeit, als ich ungefähr in Eurem Alter war, habe ich festgestellt, dass ich über eine bestimmte Gabe verfüge, die nur sehr Wenigen gegeben ist. Ich bin ein so genannter Sehender. Das sind Menschen, die zwischen Palidonien – das ist unsere Welt – und Coloranien – das ist die Welt, aus der der Knonk kommt – hin und her wechseln können.“

      „Wie jetzt?“ warf Peter irritiert ein.

      „Ja, äh… wie soll ich das jetzt erklären?“ Der Großvater schaute sich fragend um. „Was hat der Knonk Euch denn schon alles erzählt?“

      „Fast nichts“, erwiderte Lara mit vorwurfsvollem Blick in Richtung Knonk. Peter nickte zustimmend.

      Der Knonk wollte gerade schon wieder anfangen zu schimpfen, da hob der Großvater beschwichtigend seine Hand. „Mhm, also es ist so. Die Welt ist ein bisschen komplizierter, als man das in der Schule so lernt. Genau genommen gibt es nicht nur eine Welt, sondern viele. Und manche dieser Welten sind eng miteinander verbunden, während andere rein gar nichts miteinander zu tun haben. Es hat sich nun so ergeben, dass gerade unsere Welt und Coloranien besonders eng zusammenhängen, und zwar über die Farben. Die allermeisten Lebewesen in unserer Welt ahnen nichts von dieser Verbindung. Sie hat für ihr Leben keine Bedeutung. Es gibt aber Lebewesen, die zwischen beiden Welten hin- und herwechseln können. Diese Wesen werden Sehende genannt. Sehende stammen entweder von Sehenden ab – wie du Lara – und haben die Fähigkeiten geerbt oder es müssen einige Faktoren zusammenkommen – wie es bei Dir, Peter, offenbar der Fall ist. Man muss im Frühling oder Sommer geboren sein, idealer Weise im Mai oder August, und zwar auf einen Sonntag nach 18:00 Uhr…“

      „Das ist wissenschaftlich widerlegt worden – das mit dem 18:00 Uhr“, warf der Knonk mit ernster Miene ein.

      „Ja, gut“, fuhr der Großvater fort, „aber zumindest stimmen die anderen Punkte.“ Er schaute den Knonk fragend an. Der nickte bedeutungsschwer. Dann fuhr der Großvater fort. „Daneben gibt es wohl noch eine Reihe weiterer Aspekte, die aber jetzt zu weit führen würden. Auf alle Fälle sind solche Lebewesen – übrigens nicht nur Menschen, das können alle möglichen Geschöpfe sein – in der Lage, zwischen den Welten zu wechseln.“

      „Einfach so?“ fragte Peter.

      „Nein“, erwiderte der Großvater. „Nicht einfach so. Man muss schon ein Tor haben. Aber Sehende erkennen eben als einzige diese Tore und können sie aktivieren.“

      „Und was sind das für Tore?“, Lara war ganz elektrisiert.

      „Gemälde, meine Kleine, Gemälde.“

      „Jedes Gemälde ist also ein Tor?“ Peter war verwirrt. Er atmete wieder schwer. Das Ganze war doch etwas zu aufregend für ihn. Verstohlen nahm er sein Asthmaspray aus der Hosentasche und setzte es sich an den Mund. Zwei Pumpstöße später war es wieder in der Hosentasche verschwunden.

      „Nein, nicht jedes Gemälde. Nur ganz bestimmte, nämlich solche, die mit besonderen Pigmenten gemalt worden sind“, erklärte der Großvater.

      „Was sind Pigmente?“ fragte Peter, nachdem er wieder zu Luft gekommen war.

      „Farbpulver. Nur solche Bilder, die mit aktorisierter Farbe gemalt worden sind, können als Tore dienen…“

      „Aktorisiert?“ Lara schwirrte langsam der Kopf.

      „Das Aktorisieren ist eine bestimmte Zauberform“, warf der Knonk ein.

      „Aha.“ Peter schüttelte ungläubig den Kopf.

      Sonst waren es doch immer die Kinder, die den Erwachsenen wilde, erfundene Geschichten erzählten. Im Moment kam es ihm vor, als wäre es andersherum.

      Der Großvater räusperte sich. „Vor vielen tausend Jahren hat Helis diese Form der Magie erfunden. Helis hat die sieben Farben des Regenbogens eingefangen und in Farbpulver gebannt. Ein Gemälde muss alle sieben Farben enthalten, damit es ein Tor wird. Außerdem heißt es, dass eine der sieben Farben viel stärker ist als die anderen und eine besondere Wirkung hat, weil Helis bei seiner Verzauberung den Zauberstab ein wenig zu heftig geschwungen hat. Aber das ist wohl eher eine Legende. Naja, Helis blieb das einzige Wesen in ganz Coloranien, das diese Zauberkunst beherrschte. Deshalb ist aktorisiertes Farbpulver so selten. Es stammt alles aus den sieben Farbpulverfässchen, die Helis damals verzaubert hat. Da Helis vor langer Zeit verschwunden und diese Art von Zauber somit verloren ist, wird das von Helis verzauberte Farbpulver das einzige bleiben, mit dem man Tore malen kann. Es wurde im Kristallpalast unter größten Sicherheitsmaßnahmen aufbewahrt.“

      „Es wurde?“, warf Peter ein.

      „Äh, ja, also… “, druckste der Großvater plötzlich herum.

      „Du