Sieben Farben. Anna J. Heeb. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anna J. Heeb
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844262735
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Kleidung des Knonk ein Grinsen nicht verkneifen.

      „Du Dummkopf“, schimpfte der Knonk da. „Was lernt Ihr denn in Eurer komischen Schule? Viele unserer Wiesen und Wälder sind schon ganz fahl. Was meinst Du denn, was passiert, wenn sie alle verschwinden? Hast Du Dir mal überlegt, wo alles Leben herkommt? Von der Farbe! Wenn die Pflanzen ihre Farbe verlieren, sterben sie und mit ihnen alles andere gleich mit!“ Der Knonk schaute ganz aufgeregt drein.

      „Könnte uns das auch bald treffen?“ frage Lara sichtlich erschrocken.

      „Bald? … Das Ganze betrifft Euch doch schon. Denk doch mal an die Bilder im Großen Museum. Und das ist erst der Anfang, denn einige Bilder in Euren Museen sind die Verbindung zwischen unseren Welten. Die Lila Bleiche wird sich weiter verbreiten. Schon sehr bald werden andere Teile Eurer Welt betroffen sein.“

      Lara erinnerte sich jetzt an die seltsam grauen Blätter, die sie an einem der Bäumchen, die neben dem Museumseingang standen, gesehen hatte. Sie war sprachlos. Peter konnte auch nichts mehr sagen. Er atmete schwer.

      Da ging die Kinderzimmertür auf. Sie hatten Laras Mutter gar nicht nach Hause kommen gehört. „Hallo, Ihr zwei. Schon zurück?“ fragte sie sichtlich aufgeregt. Der Knonk, der immer noch auf Laras Bett gemütlich ausgebreitet lag, schien sie nicht weiter zu stören.

      „Ja, im Großen Museum waren einige Räume gesperrt. Deshalb konnten wir früher wieder nach Hause“, erwiderte Lara.

      „Geht es Euch gut?“ fragte die Mutter mit besorgter Stimme. Lara und Peter schauten sich fragend an.

      „Äh, ja. Wieso?“ entgegnete Lara.

      „Na, wegen dem Raub heute Vormittag im Großen Museum“, fuhr die Mutter fort.

      Die Kinder zogen die Augenbraun hoch.

      „Was denn für ein Raub?“ fragte Lara.

      Die Mutter machte einen Schritt ins Zimmer. „Ich habe auf dem Nachhauseweg im Radio gehört, dass aus dem Großen Museum mehrere Bilder aus einem Abstellraum entwendet worden sind. Da ist offensichtlich eine Bande unterwegs. Letzte Woche ist etwas Ähnliches im Louvre und im Prado passiert. Dort wurde jeweils ein einziges Bild auch aus einem Abstellraum entwendet.“

      Peter und Lara schüttelten den Kopf. „Davon haben wir nichts mitbekommen“, entgegnete Peter. Lara nickte heftig. Der Knonk schaute derweil sehr ernst drein. Die Mutter seufzte erleichtert.

      „Schau mal, Mama, wir haben einen Knonk mitgebracht“, sagte Lara schließlich und zeigte dabei auf das für die Mutter vollkommen leere Bett.

      „Ja, klar“, antwortete diese lächelnd. „Ich mach uns jetzt erstmal was zu essen. Peter, bleibst Du auch zum Essen?“

      „Das wäre super. Meine Mutter kommt erst um drei und ich habe einen Riesenhunger.“

      „Alles klar. Ich mach Nudeln mit Soße. In einer halben Stunde könnt Ihr runterkommen.“ Und schon war die Mutter nach unten verschwunden.

      Der Knonk schaute entrüstet. „Sie hat mich einfach ignoriert, wie diese unverschämten Leute im Großen Museum!“

      „Vielleicht können Dich ja gar nicht alle Menschen sehen“, erwiderte Peter.

      Da hellte sich das Gesicht des Knonk auf. Ja, stimmt. Das hatte die Weiße Königin ihm doch auch angedeutet. Wie konnte er das nur vergessen! Nur Sehende konnten ihn erkennen. Da fiel ihm jetzt aber ein großer Stein vom Herzen. Für Knonks war es nämlich sehr wichtig, nicht übersehen zu werden.

      „Und was machen wir jetzt mit Dir?“ fragte Lara.

      Der Knonk schaute sie nachdenklich an. „Die Weiße Königin hat gesagt, dass ich dem folgen soll, der mich erkennt. Nun, da Ihr mich erkannt habt, werde ich Euch mal folgen.“

      Beim Großvater

      Lara genoss die Ausflüge zu ihrem Großvater. Er wohnte weit außerhalb der kleinen Stadt in einem hübschen Fachwerkhäuschen mit schwarz lackierten Balken. Entlang der Balken umrahmten gelbe Streifen die weiß verputzten Mauerstücke. An den Ecken waren bunte Schnitzereien an den Balken angebracht. Über der Haustür stand in ungelenken Lettern etwas, das Lara nicht entziffern konnte. Das Haus war aus dem 17. Jahrhundert oder so. Also schon ziemlich alt. Peter und sie hatten deshalb schon öfter vermutet, dass es darin spuken müsste. Bis jetzt hatten sie aber keinen Geist entdecken können.

      Peter saß neben ihr im Auto. Die Weihnachtsferien hatten angefangen und er durfte heute mal wieder mit ihr mitfahren. Der Wagen bog in eine verwunschene kleine Straße ein, die von der breiten Landstraße rechtwinklig abzweigte. Laras Mutter drosselte die Geschwindigkeit. Über den holprigen und dazu auch noch verschneiten Weg konnte man nur im Schritttempo fahren. Sie fluchte leise vor sich hin, weil ihr Vater immer noch so weit draußen und dazu auch noch ohne richtige Straße wohnte.

      Sie war in diesem Haus aufgewachsen, mochte es aber nicht besonders. Im Winter war es darin früher immer bitter kalt gewesen, da ihr Vater ständig vergaß, Holz zu machen. Eine Zentralheizung gab es damals noch nicht. Sie wurde erst später installiert. Ein Glück, ansonsten hätte sie ihre Tochter hier keine Stunde gelassen. Zumindest nicht im Winter.

      Vorne sah man endlich das kleine Häuschen. Tannen standen ringsherum und trugen schwer an ihren Schneekappen. Manche Äste sahen bedrohlich überladen aus. Lara schaute aus dem Autofenster. Zwischen dem Geäst sah sie plötzlich zwei Gestalten. Ganz in schwarz gekleidet mit großen Kapuzen. Irgendwie kamen sie ihr bekannt vor. Die hatte sie doch schon mal gesehen! Lara zuckte zusammen. Sie erkannte sie wieder. Für einen kurzen Moment blickte sie zu Peter. Als sie den Kopf wieder drehte und nach draußen schaute, waren die Gestalten verschwunden. Ein Schauder lief ihr über den Rücken.

      Das Auto kam vor dem Haus zum Stehen. Der Großvater öffnete die Haustür. Man sah ihm die Freude über die Ankunft seiner Besucher an. Für seine 75 Jahre hatte er sich gut gehalten. Er war immer noch ziemlich drahtig, ging aber schon etwas gebückt.

      „Hallo!“ rief er den Ankommenden zu, noch ehe sie richtig ausgestiegen waren. Die Mutter begrüßte ihren Vater mit einer kurzen Umarmung, musste aber gleich weiter und übergab die beiden Kinder für den Rest des Tages ihrem Vater. „Ich bin um 18.00 Uhr wieder da. Benehmt Euch! Und viel Spaß!“

      Schon saß sie wieder in ihrem Auto, das hier ziemlich deplatziert aussah. Langsam ruckelte sie leise fluchend wieder der Landstraße entgegen und verschwand hinter einer Biegung.

      Lara strahlte. Sie war gern bei ihrem Großvater. Die beiden Gestalten hatte sie da schon wieder vergessen. Auch Peter freute sich. Er liebte es, durch den Wald zu streunen und allerlei Abenteuer zu erleben. Hier draußen merkte er von seinem Asthma nicht viel. Die Luft war rein und klar.

      „Na, dann kommt mal herein, Ihr zwei beide. Ich hab schon mal eine heiße Schokolade fertig gemacht.“

      Die beiden folgten dem alten Mann ins Wohnzimmer. Das war ziemlich klein, wie alles in diesem Haus. Die Decken waren ungewöhnlich niedrig. Der Großvater hatte erzählt, das sei so, weil die Leute früher kleiner waren und man kleine Räume außerdem besser heizen konnte. Er ging in die Küche und holte die dampfende Schokolade. Lara schaute sich um. Es sah alles noch aus wie immer. Darüber war sie sehr froh. Zu Hause räumte ihre Mutter ständig alles um. Sie liebte es, die Wände neu zu streichen, neue Gardinen aufzuhängen und die Möbel zu verstellen, wenn sie nicht gerade neue kaufen wollte, was zum Glück aus Geldmangel nur selten ging. Hier dagegen stand alles an seinem Platz, dort, wo es schon immer gestanden hatte.

      „Na, erzählt mal, was habt Ihr denn in der letzten Zeit so erlebt?“ fragte der Großvater, während er die dampfende Schokolade vor den Kindern auf einen kleinen Holztisch stellte.

      „Oh, wir waren im Museum“, erzählte Lara.

      „Ja, und da haben wir einen Knonk getroffen“, legte Peter nach in Erwartung einer typischen Erwachsenenreaktion ob einer solchen Aussage.

      Der Großvater zuckte zusammen. Er räusperte sich. „Einen Knonk“, wiederholte er ungläubig.