Sieben Farben. Anna J. Heeb. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anna J. Heeb
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844262735
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er schließlich mit einem leichten Grinsen auf dem Gesicht.

      Lara schüttelte den Kopf. „Nichts. Weiß auch nicht. Muss nachdenken…“

      Peter schaute irritiert und dacht: ‚Hoffentlich heckt sie nicht schon wieder irgendwas aus…’

      Nun kamen sie in einen weiteren sehr großen Ausstellungssaal. Hier hingen Bilder aus der Renaissance. Wunderschön waren sie. Peter atmete auf. Das gefiel ihm. Die Farben sprangen ihn förmlich an. Er spürte, wie er wieder besser Luft bekam. Auch das Gähnen der restlichen Kinderschar ließ merklich nach.

      „So“, hob Herr Krenzler wieder an. „Hier haben wir ein Bild von Botticelli. Schaut mal, er hat den Frühling gemalt.“

      „Was sind das denn für Frauen, die da so komisch im Kreis tanzen?“ fragte Christian mal wieder etwas vorlaut.

      Herr Krenzler lächelte. „Das sind… äh… die Göttinnen der Schönheit und der Anmut… Und seht mal hier. Das ist ein Bild von Leonardo da Vinci. Die Madonna in der Felsengrotte. Schaut Euch mal an, wie meisterhaft… äh… der alte Leo mit den Farben umgehen konnte…“

      Nach ein paar weiteren Ausführungen des Referendars zog die Gruppe weiter.

      Im nächsten Raum hingen barocke Gemälde. Auf den Bildern waren auffällig viele wenig bekleidete, füllige Frauen zu sehen.

      „Kinder, bleibt mal bitte hier… äh… an der Bank stehen. Genau… Sehr schön… Also, das hier sind Gemälde von Rubens. Äh… Wie Ihr seht, hatte er eine Vorliebe für…“

      Lara stand ziemlich weit hinten. Wie immer. Sie war im Drängeln nicht gerade gut. Naja, egal. Sie schaute sich im Raum um und träumte vor sich hin. ‚Der hat ja ziemlich große Bilder gemalt, dieser Rubens’, dachte sie.

      Der Referendar führte die Gruppe weiter in den nächsten Raum. Hier hingen ebenfalls Barockbilder, allerdings zeigten sie Gegenstände und Obst und so. „Na, weiß einer, wie man diese Art von Bildern nennt?“ Tobias meldete sich eifrig.

      „Ja, bitte.“ Herr Krenzler schaute den Jungen an.

      „Ich weiß es. Das sind Obststückchen.“

      Die Gruppe lachte. Tobias schaute etwas betreten und grummelte in sich hinein: „Weiß gar nicht, was daran so lustig ist. Man nennt Bilder, auf denen das Meer zu sehen ist, ja auch Seestücke. Dann sollten Bilder, auf denen Obst ist, auch Obststücke heißen. Und wenn sie so klein sind, nennt man sie wohl eher Stückchen…“

      Herr Krenzler lachte nicht, er schaute Tobias nur aufmunternd an und sagte. „Nicht ganz, es ist aber trotzdem gut, dass Du Dich getraut hast.“ Dann hob er wieder den Blick über die Gruppe und rief: „Noch jemand?“ Er blickte in zehn erwartungsfrohe Kindergesichter, die alle keine Lust hatten, sich zu melden…

      „Na gut, also, das sind so genannte Stillleben.“

      „Ihh!“ Marina zuckte zurück.

      „Was ist denn passiert?“ fragte Herr Krenzler erschrocken.

      „Da ist ein Käfer auf dem Bild!“ Marina konnte vor Ekel kaum an sich halten. Herr Krenzler ging auf das Bild zu und fing an zu lachen.

      „Mensch, Marina, da bist Du aber auf das Bild richtig hereingefallen. Äh… Das ist doch kein echter Käfer. Der ist nur gemalt.“

      Marina schaute ihn ungläubig an. Widerwillig näherte sie sich dem Bild und erkannte ihren Irrtum. Sie verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. „Warum malen die denn so was auf ansonsten so schöne Bilder?“ fragte sie ungläubig.

      „Insekten sind ein Zeichen von Vergänglichkeit“, entgegnete Herr Krenzler. „Die Bilder sollen den Menschen an die Vergänglichkeit allen Seins erinnern.“ Die Kinder schauten ihn irritiert an.

      Herr Krenzler dirigierte seine Schützlinge in den nächsten Raum. Hier hingen sehr elegant aussehende Gemälde von Damen und Herren in pastellfarbenen Kleidern. Den Mädchen gefiel das gut. Die Jungen fanden es ziemlich öde. Lara stand mal wieder ganz hinten. Sie wurde fast an die Wand gedrückt. Tobias schaukelte vor ihr unruhig hin und her. Sie machte einen weiteren Schritt nach hinten und merkte, wie sie mit ihren Schultern die Wand berührte. Es knarrte leise. Da war gar keine Wand, sondern eine Tür, die sich unter ihrem Gewicht langsam öffnete. ‚Oh je’, dachte Lara. Aber da war die Tür schon auf. Sie konnte durch einen Spalt in den dahinter liegenden Raum schauen. Nun wurde ihre Neugier geweckt. Sie zwängte sich durch den entstandenen Spalt hindurch. Peter schaute ihr ängstlich hinterher. Er verdrehte die Augen. „Was stellt sie denn jetzt schon wieder an?“ flüsterte er mit besorgter Miene.

      Lara stand in einem hellen Raum mit fliederfarbenen Wänden, an denen Werke aus allen Epochen hingen. Ein eigenartiger Glanz ging von manchen dieser Gemälde aus. Ihre Farben schienen förmlich aus ihnen herauszuspringen. Lara schaute sich um. Ihr Blick fiel auf ein kleinformatiges Bild. Es zeigte eine hügelige Landschaft, durch die sich ein Fluss schlängelte. Das Gemälde gefiel ihr sehr. Auf einem kleinen Zettel, der etwas lose am unteren Teil des Rahmens hing, stand ein Name: PHILIPP KONSTANTIN. „Philipp Konstantin“, flüsterte Lara. „So heißt ja mein Vater!“ rief sie etwas lauter aus. Das musste es sein! Sie hatte das Bild ihres Vaters gefunden. Wieso hing es denn hier?

      Plötzlich hörte Lara aus der hinteren, ziemlich dunklen Ecke ein leises Flüstern, das immer lauter wurde. Lara blickte angestrengt in seine Richtung. Sie konnte aber niemanden erkennen.

      „Hat die feine Dame mich immer noch nicht bemerkt, was?“

      Lara schaute nach unten. Da stand ein kleines, ziemlich seltsames Männlein vor ihr. Es trug eine rote, samt schimmernde Mütze, einen grünen Umhang, unter dem ein gelbes Seidenhemd hervor schien. Seine Beine wurden von einer blauen Samthose mit orangefarbenen Knöpfen bekleidet. Darunter trug es schwarze Stiefel mit weißen Schnürsenkeln. Alles in allem war es eine sehr bunte Erscheinung. Zu allem Überfluss leuchteten seine Augen violett. Seine Wangen glühten vor Aufregung und unter seiner Mütze lugten braune Haare hervor. Es hatte seine kleinen Hände in die Seiten gestemmt, klopfte unruhig mit einem Fuß auf den Boden und schaute sehr vorwurfsvoll drein.

      „Bist du ein Kobold?“ fragte Lara das Wesen erstaunt.

      „Ein Kobold, ha, dass ich nicht lache! Wie kommt nur immer alle Welt darauf, dass ich ein Kobold sei? Häh??? Kobolde sind kleine, zu bunt gewandete, ziemlich seltsame Wesen. Ich bin doch kein Kobold, ich bin ein Knonk!“

      Lara schaute verdutzt. „Ein Knonk?“ frage sie ungläubig.

      „Ist Madame taub?“ entgegnete der Knonk unwirsch. Jetzt war er aber wirklich enttäuscht. Der Knonk stammte vom Stamme der Knonks. Dieses Volk hatte die Eigenart seinen Mitgliedern keine Namen zu geben. Und deshalb hießen sie alle Knonk. Für die Knonks war das kein Problem, da ihre Sprache es ihnen erlaubte, das Wort Knonk auf so viele Arten, wie es Mitglieder ihres Volkes gab, auszusprechen. Daher wusste immer jeder, wer gemeint war, wenn er eine entsprechende Aussprache hörte. Dummerweise funktionierte das aber in anderen Sprachen nicht. Und so hießen sie dann alle gleich, Knonk eben. Dies war wohl auch der Grund, warum der Knonk zeit seines Lebens das Gefühl hatte, nicht ernst genommen zu werden. Immer wieder musste er dagegen ankämpfen, übersehen zu werden. Er selbst wusste, dass er wichtig war. Das musste er ja sein, sonst hätte man ihn sicher nicht auf diese heikle Mission geschickt. Aber schon wieder traf er auf eine Kreatur, der das wohl nicht bewusst war. Ja, die gar nicht wusste, wer er denn überhaupt war. Das ärgerte ihn.

      „Lara“, hörte man plötzlich Peter durch den Spalt flüstern, „Lara, komm da raus, es geht weiter!“

      „Entschuldigen Sie, Herr Knonk, ich muss dann wohl weiter.“

      „Also, das ist ja jetzt wirklich eine Unverschämtheit“, erregt sich der kleine Wicht. „Hier ist wirklich jeder bemüht, mich nicht zur Kenntnis zu nehmen…“

      „Lara, komm!“ schalte es nochmals leise durch die Tür.

      Da schlüpfte Lara zurück durch den Spalt. Kurz entschlossen folgte ihr der Knonk, leise vor sich hinschimpfend.