19 Tage. Andy Klein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andy Klein
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741811227
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       »Nein, nein, vielleicht benutze ich es ja doch mal…« Lucas versuchte zu grinsen. »…Irgendwas hat sich Nana ja wohl dabei gedacht!«

       »Ja, wahrscheinlich… Komm, wir gehen aufräumen.«

      Sarah nahm ihm das Tagebuch aus der Hand, betrachtete es noch einmal mit leuchtenden Augen, legte es auf den Tisch und schob Lucas zurück in die Küche. Sie begannen mit der Aufräumarbeit und Sarah erzählte die ganze Zeit etwas. Er hörte jedoch nicht wirklich zu. Seine Gedanken kreisten um das Tagebuch. Das ergab alles keinen Sinn. Warum war das Tagebuch leer? Hatte er das alles nur geträumt? Vielleicht war es auch der Alkohol. „Verdammter Alkohol“, dachte er.

       »Lucas, hörst du mir überhaupt zu?«

      Sarah piekte ihn mit einer Gabel, die sie gerade abtrocknete leicht in die Hüfte. Und ihr Blick viel dabei auf die Wanduhr.

       »Ups, es ist ja schon fast 17.00 Uhr. Ich muss jetzt langsam los, morgen ist mein erster Arbeitstag und der beginnt um 5 Uhr morgens. Ja und Tante Betty bringt mich um, wenn ich nicht heute noch meine Koffer wegräume und Ordnung in mein Zimmer bringe.«

      Sarah legte die Gabel in den Besteckkasten und wendete sich Lucas zu.

       »Tut mir Leid Sis, wenn ich heute etwas komisch war, aber ich bin noch ein bisschen durch den Wind!«

      Sarah sah ihn mitleidig an und er begleitete sie schweigend zur Tür.

       »Wenn etwas ist, du weißt ja, wo du mich finden kannst!«, sagte sie und nahm seine Hände in ihre. Sie zog ihn zu sich herunter und gab ihm einen dicken Kuss auf die Wange.

       »Ich weiß!«, flüsterte er ihr ins Ohr.

      Sie verließ darauf das Haus.

      Lucas stand noch eine kleine Weile an der Türschwelle, bis sie vollkommen aus seinem Blickwinkel verschwunden war. Schnell schloss er die Tür und ging geradewegs auf das Tagebuch zu. Er nahm es in die Hand und öffnete es.

      Es war unglaublich und er traute seinen Augen nicht, denn alle Einträge waren auf einmal wieder da. Irritiert warf er das Tagebuch auf den Tisch und sich selbst auf das Sofa. Er zündete die letzte Zigarette aus seiner Schachtel an und wurde auf einmal ganz ruhig. Was wäre, wenn das Tagebuch wirklich die Zukunft voraussagen könnte und der Inhalt des Tagebuches nur für ihn bestimmt war? Das war in diesem Moment eine für ihn logische Erklärung, schließlich war ja alles verschwunden, als er es Sarah zeigte. Unlogisch war allerdings die gesamte Existenz dieses Buches, das sich wie von Geisterhand mit Zukunftseinträgen füllte. Lucas war eigentlich immer ein sehr realistischer Mensch, der nie an übernatürliche Dinge glaubte und sich auch immer über andere lustig machte, die von irgendwelchen übernatürlichen Erlebnissen erzählten. Aber jetzt steckte er mittendrin in einem solchen Erlebnis. Er drückte die Zigarette aus und schloss die Augen. Geistig und körperlich völlig überfordert schlief er ein.

      »Es wird Zeit!«, hauchte ihm eine tiefe dunkle Männerstimme ins Ohr.

      Lucas öffnete die Augen. Das ganze Wohnzimmer war in gleißend hellen Nebel getaucht. Erschrocken blickte er sich um. Am Ende des Sofas entdeckte er den Umriss einer Gestalt. Der Nebel machte es ihm aber unmöglich zu erkennen wer oder was dort stand. Blitzschnell schreckte er hoch, doch der Nebel war verschwunden und mit ihm auch die diese schemenhafte Gestalt. Er hatte geträumt, oder nicht? Er stand auf und ging in die Küche, ließ den Wasserhahn laufen und schüttete sich mit beiden Händen Wasser ins Gesicht. Als er das Gesicht mit dem Geschirrtuch trocknete, mit dem Sarah zuvor noch abgetrocknet hatte, fiel sein Blick auf die große alte hölzerne Küchenuhr. Es war erst 17.20 Uhr. Er hatte das Gefühl, als hätte er ein paar Stunden geschlafen, aber es konnten höchstens fünf bis zehn Minuten gewesen sein, wenn überhaupt. Lucas wurde in seinen Gedanken unterbrochen, denn sein Handy klingelte. Er ging in die Diele und zog das Handy aus seiner Jackentasche.

       »Ja, hallo?«

       »Shawn hier. Kannst du morgen die Frühschicht für mich übernehmen, ich hab was Dringendes zu erledigen?«

       »Hm Okay.«, antwortete er etwas widerwillig.

       »Wie geht’s dir denn, Alter? Ist bei dir alles in Ordnung? Ich wollte mich ja melden, hab es aber gelassen. Ich dachte mir, du möchtest vielleicht lieber deine Ruhe haben.«

       »Ist schon okay Shawn, mir geht’s gut.«

       »Ok, wir sehen uns.«

       »Gut, bis dann.«

      Lucas klappte das Handy zu und legte es auf den Küchentisch. Shawn Jones war vor etwa einem Jahr von Boston hierher gezogen und Lucas hatte sich mit ihm angefreundet. Viele Freunde hatte er ja nicht. Shawn war ein verrückter Typ, deshalb fragte Lucas auch erst gar nicht, warum er für ihn einspringen sollte. Er würde es ihm dann schon erzählen. Sicher steckte wieder eine Frau dahinter. Aber jetzt musste er morgen schon um 6 Uhr morgens in der Klinik sein. Irgendwie passte ihm das gar nicht, aber Shawn war ja schließlich sein Kumpel. Er ging zurück in die Diele und nahm eine neue Schachtel Zigaretten aus seiner Jackentasche. Anschließend nahm er auch noch ein Bier aus dem Kühlschrank und setzte sich an den Küchentisch. Morgen würde er sich mit Nanas Geld ein Auto kaufen. Seine Nana war die Beste, dachte er und schlussfolgernd konnte auch das Tagebuch nichts Schlechtes sein. Er versuchte mal wieder seine Gedanken um das Tagebuch zu verdrängen. Außerdem verspürte er auch wieder ein leichtes

      Hungergefühl und ging an den Kühlschrank. Er nahm die Dose mit dem Krautsalat heraus und ging zurück ins Wohnzimmer, wo er sich wieder auf dem Sofa niederließ. Dann schaltete er den Fernseher ein und aß den letzten Rest direkt aus der Dose, während er zwischen jedem Happen mit der Fernbedienung umschaltete. Eigentlich war er sehr froh, dass er wieder arbeiten gehen konnte, da war es doch auch eigentlich egal, ob Früh oder Spät. Sein Leben wurde in den letzten Tagen vollkommen auf den Kopf gestellt und es wurde wieder Zeit einen geregelten Tag zu haben. Vielleicht hatte ihm das auch die mysteriöse Gestalt im Nebel aus seinem Traum zu sagen versucht. Es wurde Zeit, sich wieder den alltäglichen Dingen des Lebens zu stellen. Denn bei aller Trauer, sein Leben ging weiter. Die Zeit verging, während er ständig umschaltete, hier und da verharrte und sich zwischendurch mit Bier und Kartoffel-Chips versorgte.

       »Oh, Men in Black!«

      Jetzt hatte er endlich genau die Art von Unterhaltung gefunden, die er brauchte. Der Film fing gerade erst an und so ließ er sich von ihm berieseln. Aber dennoch schaute er immer wieder auf den Tisch, denn auch wenn er es versuchte zu verdrängen, das Tagebuch zog ihn doch immer wieder in seinen Bann.

      TAG 3

      Als der Film zu Ende war, dachte er daran heute noch mal zu versuchen in seinem alten Zimmer zu schlafen, schließlich konnte er ja nicht ständig auf dem Sofa schlafen. So mit 32 Jahren konnte der Rücken auch schon mal ein bisschen schmerzen, wenn man auf einen viel zu kleinem Sofa schläft. Seine Gedanken schweiften ab. So dachte er an seinen alten Medizinprofessor von der Uni, der so treffend bemerkte:

      „Der Mensch ist nur für dreißig Jahre konzipiert, denn ab dreißig setzt der körperliche und geistige Verfall ein.“

      Ne, das war vielleicht ein schrulliger Typ. Dann fiel ihm ein, dass er ja… und wieder einmal stockten seine Gedanken. Genauso stand es im Tagebuch. Er setzte sich auf, legte die Tüte Chips beiseite und nahm das Tagebuch in seine Hand. Als er es aufschlug, bemerkte er sofort, dass wieder ein neuer Eintrag da war.

      Liebes Tagebuch!

      Heute habe ich ein super Schnäppchen gemacht. Einen Dodge Ram Pickup in schwarz für nur 2500 Dollar. Gut für

      mich, jetzt habe ich noch eine kleine Geldreserve. Sarah gefällt der Wagen auch, sie hat gleich eine Runde mit ihm gedreht. Es tat gut heute zu arbeiten, auch wenn ich so was von hundemüde war. Miss Keane ist mal wieder auf meiner Station. Hüfte gebrochen. Die alte Dame ist

      klasse. Sie erinnert mich ganz schön an Nana!

      Moonville, 19. März 2007

      Jetzt musste er wieder mal kräftig durchatmen. Er sah sich den Eintrag von gestern