19 Tage. Andy Klein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andy Klein
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741811227
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»Ist schon gut, ich weiß ja, von wem es kommt.«, antwortete Lucas versöhnlich, der generell kein nachtragender Typ war.

      Außerdem mochte er ja den kleinen Chaoten. Und so kamen sie ihren Verpflichtungen nach und versorgten ihre Patienten.

      TAG 7

      Lucas machte instinktiv um Mitternacht eine kleine Pause in der Hoffnung, dass er etwas Neues zu lesen bekam. Er nahm seine Jacke und ging zum hinteren Eingang der Klinik. Etwas abseits des Einganges ließ er sich auf dem Bürgersteigrand nieder und zündete eine Zigarette an.

      Er klappte das Tagebuch auf und las Folgendes:

      Liebes Tagebuch!

      Der Cop im Flur hat mich ständig beobachtet. Und überhaupt hatte ich das Gefühl, dass mich hier jeder für einen Mörder hält. Mr. Ward hat mich bis auf weiteres beurlaubt, immerhin bei voller Bezahlung. Er meinte, es wäre besser für die Klinik, bla, bla... Hab dann den ganzen Tag geschlafen. Am Abend habe ich Sarah zu mir gebeten und ihr alles erzählt. Ich glaube, sie glaubt mir.

      Moonville, 23. März 2007

      Beurlaubt, na das war ja ein Ding. Lucas schüttelte es. Er konnte nicht glauben, dass er beurlaubt werden sollte. Aber er wusste auch, dass er durch das Vermächtnis von Miss Keane nun mal ein wunderbares Mordmotiv lieferte. Nun gut, er konnte daran jetzt auch nichts mehr ändern. Wenn es so geschrieben stand, dann sollte es auch so sein, außerdem, wann kam man schon in den Genuss von bezahltem „Sonderurlaub“. Der letzte Satz des Eintrags stimmte ihn aber etwas nachdenklich. So würde er nur glauben, dass Sarah ihm die Geschichte abnehmen würde. Er musste sich also noch Gedanken machen, wie er ihr diese ganze Geschichte am besten erzählt. Er fuhr mit dem Fahrstuhl wieder hinauf und ging seinen Pflichten nach, natürlich unter den strengen Augen des Polizisten. Währenddessen wartete er die ganze Zeit darauf, dass Mr. Ward ihn zu sich rief, was er auch letztendlich am Ende seiner Schicht tat.

       »Mr. Wilkins, bitte nehmen sie doch Platz.«

       »Danke Sir.«

      Lucas setzte sich vor den großen alten Schreibtisch aus dunklem Holz.

       »Sie sehen ja nicht gut aus, Mr. Wilkins und sie wundern sich sicher, weshalb ich sie hierher bestellt habe…«

      Lucas ließ sich nichts anmerken und versuchte ein erstauntes Gesicht zu machen. Mr. Ward lehnte sich in seinem High-Tech Stuhl zurück und spielte mit seinem goldenen Kugelschreiber.

       »…Schauen Sie Mr. Wilkins, das was passiert ist, ist für mich noch völlig unfassbar! Für sie muss es ja noch schrecklicher sein, schließlich waren sie als Erster im Zimmer.

      Sie müssen verstehen, ich persönlich glaube ja nicht, dass sie etwas damit zu tun haben, sie sind einer unserer besten Pfleger. Aber es geht hier um den guten Namen der Klinik, direkter gesagt um meinen guten Namen. Es tut mir sehr leid, aber ich muss sie suspendieren. Natürlich nur solange bis die ganze Sache aufgeklärt ist, versteht sich. Selbstverständlich erhalten sie ihre vollen Bezüge. Sehen sie, sie wissen doch wie das ist, es hat hier schon die Runde gemacht, dass sie geerbt haben und sie wissen ja, wie die Leute so sind...«

      Lucas nickte schweigend. Jetzt wusste er auch, warum in dem Tagebuch “Bla, Bla“ stand. Von nun an hörte er gar nicht mehr richtig zu. Und ließ den schier endlos erscheinenden Monolog über sich ergehen.

       »Ich verstehe schon, Sir.«, sagte er, als die Predigt zu Ende war.

      Sie schüttelten sich die Hände und Mr. Ward verabschiedete ihn mit den Worten:

       »Bis bald, sie hören dann von mir!«

      Shawn und Jenny warteten bereits schon ungeduldig im Aufenthaltsraum, als Lucas ihn betrat.

       »Und, was hat der Alte gesagt?«, fragte Shawn und auch Jenny starrte ihn erwartungsvoll an.

       »Ich bin suspendiert.«

       »Das kann er doch nicht machen, dann glaubt doch jeder hier erst recht, dass du was damit zu tun hast!«, sagte Jenny völlig entrüstet.

       »Ist ja nur solange, bis die erkennen, dass ich keine Leute umlege…«, beruhigte er die Beiden.

      Seine innere Stimme allerdings sagte ihm, dass er das Krankenhaus ganz sicher für eine sehr, sehr lange Zeit nicht mehr von innen sehen würde. »…Ich bin auch nicht gerade entzückt, aber es ist sicher besser so.«

       »Tja, du hast wahrscheinlich Recht.«, sagte Shawn.

      Jenny kämpfte mit den Tränen und starrte auf den Boden.

       »Ich lad‘ euch mal auf ein Bierchen ein, schließlich werde ich für mein Nicht-Erscheinen bezahlt.«, sagte Lucas.

       »Ich ruf‘ dich auf jeden Fall an und halte dich auf dem Laufenden.«, sagte Shawn.

      Lucas bedankte sich, nahm seine sämtlichen Habseligkeiten aus dem Spind und verließ das Krankenhaus. Als er ins Auto stieg bemerkte er, dass sein Magen mächtig knurrte und so beschloss er bei Sally zu frühstücken.

       »Na du siehst ja aus! Schlimm, was da bei euch passiert ist!«, sagte Sally, als er sich zu ihr an die verchromte Theke setzte.

       »Kaffee, Schätzchen?«

      Lucas nickte. Sally schenkte ihm eine Tasse Kaffee ein und er bestellte Pfannkuchen und Spiegeleier mit Speck.

      Es war mittlerweile schon fast halb Acht und in Sallys Diner herrschte wie üblich zu dieser Zeit Hochbetrieb, deshalb hatte sie auch keine Zeit für ein kleines Schwätzchen. Lucas war froh, dass er nicht mit ihr reden musste, außerdem war er müde und hungrig. Vielmehr schaute er in die Zukunft und machte sich Gedanken darüber, wie er Sarah seine Erlebnisse am besten erzählt. Er dachte auch an Miss Keane. Lucas schlang sein Essen regelrecht herunter und ließ sich von Sally noch zwei Schoko-Muffins in eine Papiertüte packen. Gut gesättigt verließ er Sallys Diner und fuhr nach Hause. Unter Mimis neugierigen Blicken hinter den Gardinen stieg er aus dem Wagen. Sicher wusste auch sie schon Bescheid. Der Zeitungsjunge fuhr auf seinem Fahrrad vorbei und warf eine Zeitung auf Gab‘s Veranda. Lucas schlich sich dorthin - er konnte nicht anders, er musste einfach einen Blick auf die Titelseite werfen. Er nahm die Zeitung in die Hand und las:

      „Blutbad in Moonville!

      Wehrlose alte Frau bestialisch aufgeschlitzt“.

      Er setzte sich auf die unterste Stufe der Veranda und las in aller Seelenruhe den Artikel, der sich über die gesamte erste Seite erstreckte. Dort stand, dass die Polizei noch keinen Tatverdächtigen hatte. Lucas atmete tief durch, vor Erleichterung. Insgeheim hatte er schon eine Hetzjagd auf seine Person befürchtet. Er legte die Zeitung wieder auf der Veranda ab und ging in sein Haus. Eigentlich hätte er dringend eine Dusche gebraucht, aber er war einfach zu müde und ignorierte den Schweißgeruch. Er wollte einfach nur schlafen. Sein Weg führte ihn direkt nach oben in sein Zimmer. Er warf die Tüte mit den Muffins auf das Nachtschränkchen, zog diesmal aber seine Sachen aus und ließ sich ins Bett fallen. Etwas beruhigt, dass nichts über einen Verdächtigen, geschweige ihn, in der Zeitung stand, schlief er einigermaßen entspannt ein.

      Lucas stand auf und ging die Treppe, deren alte Stufen unter seinen Füßen knarrten, hinunter. Vorsichtig öffnete er die Hintertür in der Küche und stand wieder im Garten. Mister Fluffy, sein Kater, den er als Kind über alles liebte, streifte verschmust um seine Beine. Miss Keane stand lächelnd etwas weiter links am Rosenstrauch und roch an ihnen. Eine leichte Frühlingsbrise küsste seine Haut auf angenehme Art und Weise. Die Sonne strahlte und blendete ihn ein wenig.

       »Lucas, mein lieber guter Junge.«

       »Nana.«, hauchte er.

       »Du musst zu ihm gehen, er weiß was zu tun ist, aber...« Seine Großmutter sprach weiter, aber er konnte nicht mehr verstehen, was sie sagte. Er sah, wie sich ihre Lippen bewegten und bemerkte ihren besorgten Gesichtsausdruck.

       »Nana, ich kann dich nicht hören, zu wem soll ich gehen?«, schrie er.

      Mister Fluffy