Die Geisterbande Dekalogie. Dennis Weis. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dennis Weis
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750213913
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dort aus meinen Kampf fortsetzen und wir werden bald wieder zurückziehen. Die werden schon sehen.

      Ich bin dann erstmal raus, Cavegame zocken und melde mich bald zurück.

      Der Umzugstag! Ich bin heute Morgen aufgestanden und habe festgestellt, dass ich das letzte Mal in meiner Geburtsstadt geschlafen habe. Das letzte Mal in meinem Stadtteil, in meiner Straße, in unserem Haus und in meinem Zimmer!

      Zur Sicherheit schaute ich mir noch mal das Cavegame an, um meinen Preis für das Ganze zu betrachten.

      Da mir der Umzug emotional so schwer fiel, brauchte ich natürlich nicht helfen und konnte den ganzen Tag zocken. Erst gegen Nachmittag machten wir uns auf den Weg. Mama musste weinen. Warum zieht sie denn erst um, wenn sie in Wirklichkeit gar nicht will? Ja, ich weiß, Papa hat einen neuen Job beziehungsweise, er wurde versetzt- er ist nämlich Geschichts- und Kunstprofessor an einer Universität und wollte der Karriere wegen nach Neumonster, da sich in dem kleinen Städtchen eine der ältesten Universitäten des Landes befanden- ihr merkt, ich kannte dieses Lied.

      Die eigentliche Reise nach Neumonster begann mit einem Stau auf der A7. Und was für einer! Ich meine, wir hätten es kommen sehen können, denn es war Ferienbeginn und das auch noch im Sommer!

      Daher glühte der Akku meines Spintendo 3DS und Cavegame könnte gezockt werden bis zum Ende der Reise, aber es geschah das Undenkbare! Das Spiel ging plötzlich aus! Was war los? Erst dachte ich, dass ich aus Versehen gegen den Reset- Button gekommen war, doch die Gewissheit kam mit 130 km/h daher, anders als wir gerade in unserem Wagen auf der Autobahn.

      Was sollte ich denn nur machen ohne Cavegame?

      „Na, bist du fertig mit Spielen und hast genug?“ fragte meine aufmerksame Mutter.

      NEIN! Ich war nur zu blöd, den Akku nicht mehr vor der Reise aufzuladen, da ich den gesamten Tag schon gespielt hatte, war die Wahrscheinlichkeit der Akkuaufgabe sehr hoch, doch meine Spielsucht und meine Angst davor, helfen zu müssen, ließen mich das übersehen.

      Ich antwortete meiner Mutter nicht, sondern schaute aus dem Fenster.

      „Wir können ja auch ein anderes Spiel spielen“, versuchte sie mich aufzumuntern, denn wie jede Mutter hatte sie ihre berühmte Intuition und roch den Braten natürlich.

      „Wie wäre es mit -Ich sehe was, was du nicht siehst-?“ wollte Mama von mir wissen.

      „Nö!“ entgegnete ich kurz und knapp und bildete mir tatsächlich ein, sie würde nachgeben, aber ich kenne meine Mutter mein ganzes Leben und ich hätte es wissen müssen, dass sie einen langen Atem hatte.

      „Vielleicht Nummernschilderraten?“ fragte sie dann.

      Wer das Spiel des Jahrhunderts noch nicht kennt: Entweder errät man die Herkunft der Abkürzung auf dem Nummernschild eines Autos oder man addiert den Zahlenwert (Wortwahl meiner Mutter). Wer die meisten Punkte hat, verliert!

      Erneut antwortete ich nichts. Das war mir einfach zu dumm. Hier im Auto hocken, zu einem Ort zu fahren, der mir nicht gefällt und nicht Cavegame spielen können- das war fast wie die Hölle. Das Auto bewegte sich wieder. Irgendwie war ich froh, auch wenn ich eigentlich gar nicht nach Neumonster wollte.

      „Wir halten noch mal bei einer Raststätte“, kündigte Papa an, „ich muss mal dringend für kleine Autofahrer. Wir können uns noch etwas Warmes holen und dann geht’s weiter.“

      Auch ich nutzte die Zeit, um mich zu erleichtern. Mein Vater war schon fertig und erklärte mir, dass er vorgehen würde.

      „Was willst du essen?“ fragte er mich.

      Da ich es eilig hatte, antwortete ich schnell.

      „Pommes.“

      „Nur Pommes?“ wollte mein Vater genauer wissen.

      „Ja.“

      „Ich frag‘ ja nur“, ließ er mich wissen.

      Ich sagte nichts, sondern ging meinem Business nach. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich mich völlig allein in der Raststättentoilette befand. Ich dachte nach über den Umzug und ich vermisste meine Freunde! Benny allen voran. Er war mein bester Freund. Wir kannten uns seit dem Kindergarten. Wir waren uns vom ersten Tag an sympathisch und seitdem unzertrennlich. Und nun? Tja, nun sind wir doch getrennt worden. Wie eine umgekehrte Wiedervereinigung. Es wurde getrennt, was eigentlich zusammengehört. Gedankenversunken bemerkte ich erst jetzt, dass jemand hinter mir stand. Es lief mir im ersten Moment kalt den Rücken runter, denn ich hatte nicht mitbekommen, wie die Toilettentür aufgegangen war. Andererseits war ich gerade am Tagträumen. Ich schloss meinen Pinkelvorgang ab und bewegte mich Richtung Waschbecken. Ich konnte aus dem Augenwinkel erkennen, dass es ein Junge war. Etwas jünger als ich, vielleicht fünf Jahre alt. Ich wusch meine Hände und ließ sie trocken föhnen.

      Als ich mich umdrehte, war der Junge verschwunden. Erneute habe ich nicht vernommen, dass er den Raum verlassen hat. Dennoch war ich die ganze Zeit damit beschäftigt nachzudenken. Vielleicht hatte ich es deshalb nicht mitbekommen.

      „Da bist du ja endlich“, begrüßte Mama mich, als ich in die Gaststätte kam, um meine Pommes entgegenzunehmen.

      „Was hast du denn gemacht? Wohl ein dickes Geschäft erledigt, was?“ scherzte mein Vater.

      Ich lachte etwas mit, obwohl er diesen Scherz tatsächlich schon tausend Mal gebracht hatte. Die Pommes schmeckten sehr lecker, was man gar nicht von Raststätten- Pommes erwarten würde. Meine Mutter hatte sich einen Salat geholt, der ihr offensichtlich nicht schmeckte, denn sie hatte die Hälfte übrig gelassen. Mein Vater holte sich den „Best- Burger mit Pommes Spezial“ und haute richtig rein, als gäbe es keinen Morgen mehr.

      Als Belohnung durfte meine Mutter den Rest der Strecke nach Neumünster fahren, da Papa ins Suppenkoma fiel. Irritierend ist hier vielleicht der Begriff „Suppe“- es müsste eher „Pommes- und Burger- Koma“ heißen.

      Wir verließen das Lokal und ich stieg wieder in das Auto. Es ließ mich sofort daran erinnern, dass ich immer noch kein Cavegame spielen konnte, So weit weg von einer Ladestation! Meine Mutter stellte das Auto auf sich ein, richtete Spiegel und Sitz und wir fuhren los. Als wir wieder auf die Autobahn wollten, mussten wir stehen, da uns keiner reinfahren ließ bei dem Stopp and Go.

      „Schau mal“, sprach meine Mutter, „manche fahren wie die Idioten.“

      Sie zeigte auf ein Kreuz aus Holz, welches am Straßenrand, links von mir stand. Darunter waren viele frische Blumensträuße. Auf dem Kreuz stand:

      „Gott hat dich zu früh von uns genommen. Wir halten dich ewig in unseren Herzen.“

      Ich sah das Foto, welches direkt an das Kreuz gestellt war und es ließ mich erschaudern! Das war doch der Junge von der Toilette?! Ich schaute auf das Geburtsdatum und das Sterbedatum und rechnete. Er wäre knapp sechs Jahre alt gewesen. Kann das sein?

      Meine Mutter nutzte die nächste Lücke und wir bewegten uns weiter. Es dauerte etwa eine viertel Stunde, ehe wir uns mit angemessener Geschwindigkeit auf der Autobahn bewegen konnten. Der Junge aber ging mir nicht aus dem Kopf. Immer wieder verglich ich das Foto mit der Begegnung auf dem Klo und er kam mir jedes Mal noch ähnlicher vor. Und jedes Mal wurde mir mulmiger bei dem Gefühl, dass es stimmen könnte. Daher schlich sich bei mir der Gedanke ein, dass es alles nur Zufall sein konnte. Wir sind ja hier nicht bei „Sixth Sense“.

      Mitten in der Nacht kamen wir in Neumonster an. Eine hässliche Stadt. Selbst in der Nacht. Aber vielleicht lag es auch einfach daran, dass ich müde war und dass ich einfach nicht hier sein wollte.

      Wir fuhren in eine Gegend, die etwas abgeschieden war, in einen Stadtteil namens Brachenfeld. Als wir am Tor vorbeifuhren, konnte ich von weitem das beleuchtete Schlösschen sehen. Ringsherum waren Bäume, die keine Blätter mehr trugen, mitten im Juli! Das gesamte Gelände schien nicht gerade einen Nährboden zu haben. Mit der Dunkelheit wirkte es gruselig, aber ich hatte keine Angst, denn ich war zu müde.

      Warum musste es ein Schloss sein? Und wie kommen Normalsterbliche zu solch einem Besitz, fragt ihr euch? Nun ja,