»Hier, meine Lieben. Ganz frisch und knackig! Und J.J., wie geht es dir heute Morgen? Das war ja ganz schön spektakulär gestern! Es wurde Zeit, das jemand dieser Britany mal die Meinung sagt! Es geht mir schon lange gegen den Strich, wie die sich hier aufführt. Heute Morgen hat mich die Direktorin übrigens gleich gefragt, was los gewesen sei. Ich habe ihr gesagt, dass Britany unverschämt geworden und dir dabei dein Tablett aus der Hand gefallen ist. Die Halterung von der Lampe war durchgerostet und ist dummer Weise gerissen. Das war also wieder so ein unschöner Zufall, dass sie gerade bei eurem Streit heruntergefallen ist. Na ja, eigentlich hast du Britany ja das Leben gerettet. Wäre sie nämlich sitzen geblieben, wäre der Leuchter genau auf sie gefallen! Nur dass du weißt, was ich erzählt habe!«
Jetzt tritt Pippa ganz nah an J.J. heran.
»Ich weiß nicht, wie du das mit dem Tablett angestellt hast. Aber wenn du es herausfinden solltest, musst du mir diesen Trick unbedingt beibringen!«
Pippa wirft ihren Kopf in den Nacken und lacht schadenfroh los.
»So wie Pippa das sagt, hört sich das gar nicht mehr so schrecklich an«, denkt sie kichernd.
»Danke, Pippa! Ich werde dir berichten, sobald ich etwas herausgefunden habe. Entschuldige bitte das Chaos von gestern!«
Pippa streicht ihr über die Schultern und geht, immer noch schallend lachend, zurück in die Küche. J.J. setzt sich zu ihren Freunden an ihren Stammtisch in der Ecke und isst wie immer Cornflakes mit Orangensaft. Britany kann sie heute Morgen nicht entdecken.
»Wahrscheinlich hat sie noch genug von gestern.«
Die vier Freunde unterhalten sich entspannt über ihre Tagespläne, bevor J.J. und William in den Kunstunterricht gehen. Die Zeit vergeht heute wie im Flug und es passieren Gott sei Dank auch keine außergewöhnlichen Dinge. Nach der letzten Stunde trifft sich J.J. mit Zoé auf dem Schulhof.
»Wie wäre es mit einem kleinen Spaziergang zwecks Frustläuterung? Danach fangen wir mit deinem Referat an!«, flötet das quirlige Mädchen.
J.J. verdreht die Augen und seufzt genervt.
»Ah ja, richtig. Das Referat für Mr. Muller. Wir sollten in die Bibliothek gehen, und wenn wir dort nicht genug Informationen finden, einen Internethilferuf starten!«
Zoé zieht die Augenbrauen streng zusammen und schüttelt energisch den Kopf.
»Du weißt, dass Muller das nicht mag. Er steht auf handgemachte Referate und nicht auf Kopien. Er will deine Meinung hören! Du weißt, dass er das immer als sehr inspirierend empfindet, also enttäusch ihn lieber nicht!«
J.J. zieht ihre Lieblingsschnute und seufzt.
»Okay, dann eben nur die Bibliothek.«
Die Mädchen wollen gerade losgehen, als sie von Felder zurückgerufen werden.
»Hey J.J.! Du sollst bitte zu Mrs. Rogan ins Büro kommen. Sofort!«
J.J. dreht sich genervt um und schnaubt. Resignierend geht sie in die Knie.
»Warum denn jetzt schon wieder?«, fragt sie verzweifelt.
Felder kneift bekümmert die Lippen zusammen.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht wegen der Aktion gestern im Speisesaal? Geh lieber gleich zu ihr. Sonst gibt es nur noch mehr Ärger!«
J.J. drückt Zoé wütend ihre Tasche in die Hände.
»Ich hasse Britany Hoilding! Schreib das in deine Abschlussrede für die Sommerferien: J.J. Smith hasst Britany Hoilding! Nimm bitte meine Tasche mit aufs Zimmer. Ich komme nach, wenn Mrs. Rogan mit mir fertig ist.«
Sie dreht sich kopfschüttelnd um und schlendert gereizt zum Schulgebäude. Zoé sieht ihr traurig nach und seufzt.
»Ich hoffe, dass der Ärger nach den Sommerferien nachlässt. Das kann man sich ja gar nicht mehr mit ansehen.«
Felder nickt zustimmend und nimmt sie fest in den Arm. Als ihre Freundin außer Sicht ist, gehen die beiden langsam zum Wohngebäude.
J.J. steht im Schulgebäude und sieht sich verunsichert um.
»Eigentlich habe ich keine Lust, schon wieder in das Direktorat zu gehen. Ich weiß selbst nicht, was mit mir passiert, also was soll ich Mrs. Rogan erklären?«
Sie vergräbt die Hände tief in ihre Jackentaschen und läuft mit gesenktem Kopf weiter, während sie nach einer plausiblen Erklärung sucht. Außer der Version von Pippa fällt ihr jedoch nichts Passendes ein. Vor dem Büro der Direktorin atmet sie tief durch und klopft leise an.
»Ja, bitte. Es ist offen«, erklingt prompt eine freundliche Stimme.
J.J. drückt vorsichtig die Türklinke herunter und schleicht in das Büro. Mrs. Rogan steht am Kopierer und dreht sich kurz zu ihr.
»Ah, J.J.! Komm doch bitte mit in mein Büro.«
Sie geht durch den Vorraum und betritt seufzend das Büro der Direktorin. Vor dem Schreibtisch bleibt sie stehen und wartet. Mrs. Rogan kommt in das Zimmer getänzelt und zeigt auf den Besucherstuhl.
»Bitte, nimm doch Platz!«
J.J. setzt sich, wie schon so oft in letzter Zeit, auf den unbequemen Stuhl und wartet auf ihre Ermahnung. Mrs. Rogan lehnt sich an den Schreibtisch und starrt J.J. einen Augenblick an. So als ob sie sich noch die richtigen Worte überlegen müsse. Dann beginnt sie leise zu sprechen.
»J.J. ich weiß, wir hatten in den letzten Monaten einige Probleme. Aber ich will dir sagen, dass ich durchaus imstande bin, zu erkennen, wenn jemand in Schwierigkeiten steckt. Britanys Eltern haben mich heute Morgen erneut angerufen. Es ging natürlich um den Vorfall im Speisesaal. Ich habe ihnen die Version von Pippa erzählt und sie darauf hingewiesen, dass ich das Verhalten von Britany, gerade was dich betrifft, moralisch mehr als bedenklich finde. Das ist natürlich keine Entschuldigung dafür, dass du die halbe Schule aus dem Speisesaal verjagt hast! Darüber wollte ich allerdings nicht mit dir reden. Vorhin habe ich zufällig ein Gespräch deiner Freunde mitbekommen. Zoé scheint sich ernsthafte Sorgen um dich zu machen. Die Rede war von schlimmen Albträumen und unerklärlichen Dingen. Willst du mir etwas darüber sagen?«
J.J. rutscht nervös auf dem Stuhl hin und her, da sie damit überhaupt nicht gerechnet hat. Aber sie ist froh, dass sich dieses Gespräch so gestaltet, und nimmt ihren ganzen Mut zusammen.
»Irgendwie ist das alles suspekt. Ich weiß nicht, was da mit mir passiert. Ich habe das Gefühl, dass sich meine Gedanken materialisieren, sobald ich mich aufrege. Bitte nichts Falsches denken! Ich versuche es nur bildlich zu erklären. Ich bin doch überhaupt nicht imstande, einen Menschen durch die Gegend zu werfen oder aus zwei Metern Entfernung Wasserhähne abzureißen. Aber irgendwie passieren mir solche Dinge immer häufiger. Und dann diese Albträume. Die sind echt schlimm! Sie sind so lebendig, dass sie mich den ganzen Tag beschäftigen. Ich habe Angst, Mrs. Rogan, weil ich das nicht kontrollieren kann. Bitte werfen Sie mich nicht von der Schule! Ich werde in den Ferien einen Arzt aufsuchen und mich gut erholen, damit das im nächsten Schuljahr nicht mehr vorkommt.«
Mrs. Rogan setzt sich und lächelt.
»Wo denkst du hin? Ich werfe doch niemanden von der Schule, der über solche kreativen Möglichkeiten der nonverbalen Problemlösung verfügt. Ich wollte dir nur raten, Situationen, die dich emotional so herausfordern, in nächster Zeit aus dem Weg zu gehen. Wenn es dir überhaupt nicht gut geht, kannst du jederzeit nach Dr. Sheldon rufen lassen. Es sind noch drei Tage bis zu den Sommerferien. Ich möchte, dass du mir versprichst, dass du meine Schule bis dahin nicht in die Luft sprengst!«
Mrs. Rogan muss über diesen Satz selbst lachen und reißt J.J. mit.
Sie schüttelt energisch den Kopf. Vor Erleichterung schießen ihr Tränen in die Augen, die sie verlegen wegwischt.