Pfad des Feuers. Alexander Mosca Spatz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexander Mosca Spatz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844260304
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Ovals, so dass nicht einmal mehr Gesichtszüge deutlich waren. Nur an den beiden Stellen, wo sich die Augen befinden mussten, befanden sich zwei Löcher in der Maske und statt Augen glomm in ihnen ein schwaches silbernes Leuchten. Ihr gesamter Körper war in schwarzes Leder gehüllt, das über und über mit alten Glyphen und Runen bestickt war, um den Exekutor vor magischen Einwirkungen zu schützen. Die Exekutoren streckten ihre Hände aus und statt Finger konnte Luciana die Klauen erkennen, mit denen ihre Hände bestückt waren. Ihre schwarzen Mäntel flatterten im leichten Morgenwind; vollkommen regungslos standen sie neben dem Hauptmann und starrten geradeaus – trotzdem fühlte es sich an, als kämen alle Geheimnisse, die Luciana hegte, plötzlich aus ihr heraus, deutlich sichtbar für den glühenden silbernen Blick des Exekutoren. Als sie den Blick von den beiden abwandte, gaben sie ein leises, zischendes Geräusch von sich, als versuchten zwei Schlangen miteinander zu kommunizieren; Luciana fröstelte.

      „Wie ich sehe haben auch die Exekutoren noch ihre Vorlieben für das weibliche Geschlecht“, lachte der Hauptmann leise und schnippte; die beiden Exekutoren traten zurück und ließen ihre beklauten Hände wieder in den Taschen ihrer Mäntel verschwinden.

      „Ich habe bisher nur einmal einen Exekutor gesehen, Hauptmann“, flüsterte Luciana leise, „und das war, als sie einen Mann festgenommen haben …“

      Das stimmte nicht ganz. Die Exekutoren hatten ihn nicht festgenommen, sondern hatten ihn durch ein Fenster hindurch gepackt, waren hindurchgeflogen und hatten sich in der Luft in wabbernde Schatten verwandelt, die mit dem Mann in den Nachthimmel entschwunden waren. Was immer diese Wesen waren, unter den Masken steckte nichts Menschliches mehr; dafür hatte sie zu genau gesehen, wie die Schatten der Exekutoren den Mann in der Luft zerrissen hatten.

      Jeder wusste, dass es Exekutoren gab und dass sie nachts auf den Winden Moréngards ritten, jedoch kannte niemand ihren genauen Zweck. Es gab sie einfach – und niemand, der einem Exekutor begegnete, machte den Fehler, sich noch einmal einen Fehltritt zu leisten.

      Das Grinsen des Hauptmanns wurde breiter und er legte eine Hand unter ihr Kinn, hob es hoch und zwang sie so, ihm in die Augen zu sehen.

      „Ein wahrlich angenehmer Anblick, ebenso wie dieses kleine Feuer hier … aber ich fürchte die Zeit bei deiner Einheit hier ist abgelaufen, Luciana.“

      Lucianas Augen wurden größer und sie wollte gerade widersprechen, als er ihr zwei gepanzerte Finger an die Lippen legte und leise zischte.

      „Leise! Ich habe hier einen Einzugsbefehl von Aaron Katar, General des Ordens und des Letzten Herrschers persönlich. Aaron ist einer der geachtesten Männer im Orden und ihm eine Bitte abzuschlagen kann … unangenehm sein.“

      Er holte den Brief heraus und reichte ihn Luciana, steckte ihn ihr unauffällig zu und nahm die Hand von ihren Lippen.

      Luciana musste sich beherrschen, nicht zu spucken und ihre Hand fuhr zu dem Brief, aber Darion schüttelte den Kopf und die beiden Exekutoren durchbohrten sie mit ihren Blicken.

      „Nicht hier öffnen“, sagte er nur, bevor sich mit einem Grinsen umwandte und – gefolgt von den beiden Exekutoren – die Straße verließ.

      Elender Bastard!, fluchte sie in Gedanken und wandte sich zu ihrer Truppe um, die sie entgeistert anstarrte.

      Die Männer hatten alle ihre Unterhaltungen unterbrochen und Lucianas Augenbrauen wanderten in die Höhe, als sie die Verblüffung in den Mienen der Männer sah.

      „Was ist los?“, fragte sie gereizt und steckte den Brief in eine ihrer Taschen.

      Einer der Gardisten fand seine Sprache wieder und pfiff leise.

      „Unsere Truppenführerin angeheuert von General Aaron … der Mann ist eine Legende im Orden! Mit siebzehn hat er einen der größten Mörder Moréngards festgenagelt! Alleine! Ich war als kleines Kind dabei und habe gesehen, wie er ihn mit seinen eigenen Mitteln geschlagen hat … General Aaron ist ein Genie!“

      Die anderen brachen in zustimmendes Gemurmel aus und Luciana seufzte leise.

      Na wunderbar, ich darf also mit einem hochtrabenden Wunder des Ordens zusammenarbeiten, der von sich selbst wahrscheinlich denkt, er sei der Sohn des Letzten Herrschers. Bei den drei Säulen, womit habe ich das verdient?

      Sie hatte ebenfalls schon von Aaron gehört, war er es doch gewesen, der Godric gestattet hatte, dass sie in die Garnison aufgenommen wurde; mehr wusste sie über ihn auch nicht – und sie hatte auch niemals vorgehabt, jemals etwas mit ihm zu tun zu haben. Der Orden war ein riesiges, korruptes Spiel, eine einzige verdammte Intrige. Am besten man hielt sich, so weit es ging, raus und hoffte, dass man niemals die Aufmerksamkeit des Ordens erregte.

      Anscheinend habe ich kläglich versagt …

      Erschöpft trat Luciana aus der Straße hinaus, ließ ihre Einheit den Rest der Arbeit erledigen und trat an einen der natürlichen Höhenbalkone der Unterstadt. Von hier aus konnte sie die ganze Stadt überblicken; weit in der Ferne glitzerte das Meer im Licht der aufgehenden Sonne und der orangene Lichtschein vertrieb die letzten Schatten der Nacht, vertrieb die Dunkelheit und die Überreste des Sturms, der Nacht über getobt hatte. Es war ein neuer Tag – und für sie offensichtlich ein Neuanfang. Gespannt holte Luciana den Brief heraus, faltete ihn auf und begann zu lesen.

      II

      Moréngard war die Hauptstadt des Reiches Ascénta, dem größten der drei Nordreiche in Sepharim.

      Mit etwa fünfzigtausend Einwohnern, Bauern und illegale Einwanderer miteinbezogen, war sie die größte Stadt des gesamten Nordens und mit großem Abstand die des ganzen Kontinents.

      Kilometerweit erstreckte sie sich von der Küste ins Landesinnere, voll mit der Pracht vergangener Jahrhunderte, die das geballte Können tausender genialer Architekten hervorgebracht hatte.

      Eine blühende Industrie und die Führung des Letzten Herrschers hatten Moréngard nach dem gewonnen Krieg gegen die Vampire wieder aufleben lassen; Valazar hatte die Trümmer beiseite geschafft und aus der Asche der Flammen des Krieges eine Stadt erschaffen, die sich in puncto Schönheit mit jeder anderen messen konnte.

      In der Oberstadt, dem Kleinsten der fünf großen Viertel, erhoben sich gewaltige Türme und Festungen der reichsten adeligen Familien Ascéntas in schwindelerregende Höhen, direkt neben prachtvollen Bauten und Villen, deren Dienerzahl die Einwohnerzahl des Klerikerviertels überstieg.

      Breite und befestigte Straßen zogen sich in exakt geplanten und berechneten Linien durch das Viertel und verbanden die Wache des Ordens in der Oberstadt und den dortigen Hauptsitz des bürgerlichen Gilderats mit dem Reichtum des umliegenden Adels. Die Oberstadt lag im Norden Moréngards, durch eine Mauer abgetrennt vom Rest der Stadt, so dass niemand, der der Oberstadt nicht würdig war, dort hinein konnte.

      Im Westen Moréngards lag das Klerikerviertel, die Behausungen jener, die sich vor den adeligen Intrigen und Machtspielchen verstecken wollten und dennoch genug verdienten, um nicht in die Unterschicht abzurutschen. Hier wohnten Händler, Kaufmänner, Vorsitzende des Gilderats, Abgeordnete der anderen Reiche, ärmere Adelige und gut verdienende Männer der Garnison.

      Auch die Hauptwache der Stadtgarnison erhob sich in Form einer großen grauen Festung in den Himmel, bedrohlich, als eine unausgesprochene Warnung an all die Verbrecher, die Moréngard heimsuchten, ebenso wie die gewaltige Kirche des Letzten Herrschers und der Platz der tausend Rosen.

      Im Osten Moréngards lag die Unterstadt.

      Hier lebten Handwerker jeglicher Branchen, hier befanden sich die kleinen Fabriken und die Hauptsitze der Handwerkszünfte, die sich alle vier Jahre neu zu Gilden zusammengeschlossen.

      Die gewöhnlichen Bürger der Stadt wohnten hier, gingen ihrem Tagewerk nach und versuchten so gut wie möglich über die Runden zu kommen. Da die Meisten der sozialen Unterschicht angehörten, gab es hier kaum Schulen oder staatliche Einrichtungen. Für Ordnung sorgten die Schläger der Gilden und nur selten mischte sich die Stadtgarnison oder gar der Orden in die Angelegenheiten der Unterstadt ein.

      Im Südosten lag die Altstadt Moréngards.