In der Hitze Havannas. Nick Hermanns. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nick Hermanns
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741858772
Скачать книгу
und war daher der erste Eintrag. Ich ließ den Buick stehen und schnappte mir mein olles Beach Bike. Bob, der Radsportler. Wobei Radfahren gottlob ein bisschen weniger sportlich wirkt, wenn man dabei eine dicke Robusto raucht.

      In Venice klemmte ich den Rest meiner Zigarre am Gepäckträger fest und betrat Ackermanns Praxis. Schon der Geruch nach Zahnarzt ließ mir den Schweiß ausbrechen.

      ***

      Tyler saß an seinem Schreibtisch, Tim ihm gegenüber auf dem Besucherstuhl. Tyler hatte Mag an der Strippe, die ihm gerade die Namen der beiden Italiener durchgab.

      „Hast Du sonst noch Infos über die beiden, die uns weiterhelfen könnten, Mag?“

      „Ich maile Euch die Akten der beiden. Aber außer dem, was ich Euch gestern schon gesagt habe, geben die nicht viel her. Kleinganoven halt.“

      „Danke, Du bist ein Schatz. Wir sehen uns heute Abend.“

      „Bis dann, ich freu mich. Ach ja, von Eurem Remington keine Spur.“

      Tyler legte auf und sah Tim an.

      „Wir bekommen die Akten. Aber so wie es aussieht, werden wir damit nicht auf den Auftraggeber der beiden stoßen. Ich schätze, dass dahinter ein mächtiger Mann steckt, so verängstigt wie die beiden waren.“

      „Jepp, das denke ich auch. Wenn sie mit uns geredet hätten, wären sie vielleicht noch am Leben“ spekulierte Tim.

      „Glaube ich nicht. Man hat sie erschossen, damit sie nicht reden. Hätten sie geredet, hätte man sie deshalb erschossen. Im Ergebnis wären sie dann auch nicht weniger tot.“

      „Kann sein.“

      „Wie machen wir mit unserem verschwundenen Gatten weiter? Mag hatte nichts über ihn.“

      „Einer von uns sollte mal mit dem Junior reden”, schlug Tim vor.

      „Ja, daran habe ich auch schon gedacht. Wäre vielleicht gut, wenn Du das machst. Du bist eher seine Altersklasse. Und auch viel weniger schwarz.“

      „Jetzt wo Du es sagst. Ist mir bisher nie aufgefallen. Ich ruf ihn an und mache ein Treffen mit ihm aus.“

      „Gut. Am besten ohne die Mama.“

      Tim nickte, ließ sich von Tyler die Nummer geben und griff zum Telefon. Er sprach kurz mit Catherine Remington, sagte, dass es bisher nur vage Spuren gäbe, was besser klang als keine Spuren, und bat darum, mit ihrem Sohn sprechen zu dürfen. Als er aufgelegt hatte, sah er zu Tyler.

      „Heute Mittag um halb eins bei Musso and Frank. Der Mann hat zumindest Stil.“

      „Hoffentlich lädt er Dich ein. Obwohl... ich habe mit Catherine eine relativ großzügige Spesenregelung vereinbart.“

      „Gut. Die Lamb Chops dort sind nämlich ein Gedicht.“

      „Treib es nicht zu bunt, Timmyboy! Versuch bitte, unter hundert Dollar zu bleiben.“

      „Pro Nase?“

      „Insgesamt.“

      „Das wird nicht klappen.“

      Tyler seufzte theatralisch.

      „Heute Abend kocht ja Bob schon wieder für uns. Versuch doch einfach, Dich nicht zu überfressen.“

      „Das Risiko ist gering. Du kennst mich.“

      „Stimmt leider. Und bind Dir eine Krawatte um.“

      „Die mit dem Ketchup-Fleck?“

      Tyler verdrehte die Augen und griff in seine Schreitischschublade.

      „Nimm die hier. Und iss bitte irgendwas, was nicht kleckert. Das Ding war teuer.“

      „Lamb Chops kleckern nicht.“

      ***

      Dr. Ackermann war ein netter Zahnarzt. Auch wenn er der Meinung war, dass sich wackelnde Zähne nicht einfach wieder festmachen ließen, sondern gezogen und durch baugleiche Implantate ersetzt werden müssten. Ich ergab mich in mein bitteres Schicksal.

      Eine Stunde später waren die wankelmütigen Zähne draußen und ich war im vorübergehenden Besitz zweier selten schlecht aussehender Provisorien, die am Montag durch die finalen Beißer ersetzt werden würden. Ich sah wehmütig auf das schwenkbare Tischchen vor mir, auf dem meine Zähne lagen, die mich immerhin sechzig Jahre lang begleitet hatten. Momentan war ich wieder der Meinung, dass die beiden Ganoven ihren Tod absolut verdient hatten.

      Ackermann war auch aus Deutschland, lebte aber seit mehr als dreißig Jahren in Venice. Sein Deutsch klang sehr amerikanisch und ich fragte mich, ob ich eines Tages auch so klingen würde. Bei mir war es bisher eher umgekehrt: mein Amerikanisch klang noch immer ein bisschen zu deutsch. Und jetzt gerade klang es ohnehin, als hätte ich den Mund voll Watte.

      „Warten Sie“, sagte Ackermann und holte mit der Pinzette zwei Watteröllchen aus meinem Mund. „Besser?“

      Ich nickte dankbar.

      „Wir sehen uns am Montag um zehn.“

      Ich verabschiedete mich, und er bat noch darum, dass ich am Montag gleich bar bezahlen möge. Er nannte eine Summe, für die ich mir weitaus Vergnüglicheres hätte leisten können, zum Beispiel ein langes Wochenende in Cancun. Mit allen Extras. Zu zweit. Inklusive Flug.

      „Und bitte rauchen Sie die nächsten achtundvierzig Stunden nicht.“

      Ich nickte brav und verließ die Folterkammer.

      Draußen nahm ich meine halb gerauchte Robusto vom Gepäckträger und entzündete sie für den Rückweg.

      ***

      O’Mara saß in seinem zivilen Ford Crown und sah Decker aus der Praxis kommen. Er sah, wie der sich auf sein altes Fahrrad schwang und wieder in Richtung seines Hauses radelte. Er ließ ihm einen großzügigen Vorsprung und folgte ihm.

      Das Ganze ging ihm gehörig auf den Nerv. Er hatte gestern schon alle Informationen über Decker per Computer recherchiert, die sich da finden ließen. Und das war wenig. Und das Wenige war praktisch nutzlos.

      OK, er war Deutscher, er lebte zeitweise in den USA, hatte aber bisher seine jeweilig genehmigte Aufenthaltsdauer nie überzogen. Er hatte keine polizeilichen Einträge, zahlte seine Strafzettel wegen Falschparkens pünktlich und schien ein braver Bürger zu sein. Das Haus gehörte ihm. Es lag so kreuzdämlich, dass O’Mara es nicht von seinem Auto aus beobachten konnte. Er würde heute Abend zu Fuß vor Ort sein müssen. Decker war sechzig – was O’Mara überraschte. Er hätte eher auf Anfang fünfzig getippt. Er schien nicht illegal zu arbeiten, zumindest war er gestern offenbar den ganzen Tag zuhause gewesen. Wenigstens seitdem O’Mara ein Auge auf ihn hatte. Kurz: er hatte keinen Schimmer, wie er Decker beikommen konnte. Es war zum Kotzen.

      Und auch jetzt verschwand der samt Fahrrad hinter seinem Gartentor und ließ sich die nächsten zehn Minuten nicht mehr blicken. Dann hupte der Fahrer eines UPS-Lasters hinter O’Maras Ford. Es blieb ihm nichts anderes übrig als leise fluchend weiter zu fahren, bis er sich hundertfünfzig Meter entfernt in eine Ausfahrt quetschen konnte. Das hatte alles keinen Zweck.

      Er würde sich ganzentschieden etwas einfallen lassen müssen. Und zwar bald.

      ***

      Tim war ausnahmsweise überpünktlich. Benjamin Remington hatte, wie versprochen, einen Tisch bei Musso and Frank reserviert, und Tim vertrieb sich die Wartezeit mit einem Körbchen mit frischem Knoblauchbrot und einem Martini Cocktail.

      Um zehn vor eins kam Remington. Er entschuldigte sich mit beiläufiger Selbstverständlichkeit, nicht so als sei es ihm wirklich unangenehm sondern so, als sei er es gewohnt, dass andere Menschen auf ihn warteten.

      „Kein Problem, Mister Remington. Ich habe mir die Zeit damit vertrieben, den Martini zu testen.“

      „Nennen Sie mich Ben.“

      „Sehr