In der Hitze Havannas. Nick Hermanns. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nick Hermanns
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741858772
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Hinweise, wo er stecken könnte? Oder etwas, dass auf eine Entführung hindeutet? Oder auf Mord?“ Tim sagte das, als sei ihm Mord die liebste Variante.

      „Bisher nichts. Soweit Catherine feststellen konnte, hat er keine Koffer gepackt. Es fehlt nichts, zumindest nichts, was ihr aufgefallen wäre. Allerdings meinte sie, dass er in seinem Aktenkoffer immer seinen Pass und andere persönliche Dokumente hatte. Und natürlich auch seine Brieftasche mit den Kreditkarten und dem ganzen Zeug.“

      „Gut“, sagte Tim, während er mit der Serviette an seiner neuen Krawatte rieb. „Meint Ihr, das geht wieder raus? Scheint Ketchup zu sein. Ähhh, ja, ich werde morgen die üblichen Anrufe machen: Krankenhäuser, Polizei blah blah blah. Vielleicht ist er ja einfach nur gegen ein Auto gerannt.“

      „OK“, sagte Ty. „Ich glaube nicht, dass das wieder raus geht. Außer in der Reinigung. Du kannst den Fleck aber auch drin lassen, um zu signalisieren: ich bin der Banause, der Ketchup über ein extraordinär gutes Steak schüttet. Und außerdem kannst Du auf die Liste Deiner Anrufe auch noch die Flughäfen setzen, falls er sich doch spontan zu einem Kurzurlaub entschieden hat. Ich übernehme den Part, der gewisse Computer-Kenntnisse einen Hauch jenseits der Legalität erfordert, zum Beispiel die Überprüfung seiner Kreditkarten. Die Liste samt Kartennummern hatte Caroline erstaunlicherweise zur Hand.“

      Ich zog die Augenbraue hoch. „Sie hatte eine Auflistung seiner Kreditkarten dabei?“

      „Ja. Das war entweder sehr weitblickend. Oder Zufall. Oder es steckt ein Grund dahinter.“

      ***

      Das Abendessen bei der Familie Remington verlief in bedrückter Stimmung und recht schweigsam. Benjamin hatte sich für ein paar Tage von der Uni freigemacht, um zuhause zu sein.

      „Schön, dass Du hier sein kannst, Benjamin.“

      „Kein Problem, Catherine. Ich denke, meine Schwester braucht jetzt ihren großen Bruder.“ Er zwinkerte Lucy zu.

      „Auch ich bin froh, dass mein Sohn in dieser Situation zuhause ist“, sagte Catherine.

      „Stiefsohn, Catherine. Darauf hast Du bisher auch immer Wert gelegt.“

      „Unsinn. Wir sind eine Familie, das weißt Du genau.“

      Myrna servierte das Dessert. Ben bekam die größte Portion.

      „Schön, dass Du mal wieder hier bist, Benny. Das Haus ist leerer geworden, seitdem Du studierst.“ Myrna sah ihn liebevoll an. Sie kannte ihn von klein auf. Er war immer noch ihr kleiner Benny.

      „Danke Myrna“, sagte Catherine. „Sie können für heute Schluss machen, sobald wir das Dessert gegessen haben.“

      Myrna nickte und verließ das Speisezimmer.

      „Und Du, junge Dame verschwindest auch nach dem Dessert ins Bett. Ben und ich haben noch ein paar Dinge zu besprechen.“

      „OK, Mom.“ Lucy löffelte ihr Dessert, während sie von ihrer Mutter zu Ben blickte. Die beiden hatten immer schon Probleme miteinander gehabt. Sie liebte beide und fand es blöde, dass sie immer stritten. Wenn doch nur ihr Dad wieder da wäre.

      Ihr Bruder sah sie an.

      „Mach Dir keine Sorgen, Schatz. Es wird alles in Ordnung kommen. Ich bin sicher.“

      Kapitel 3

      Ich erwachte mit einem ordentlichen Kater. Aus den zwei Fingern Ardbeg waren dann doch eher eine Handbreit geworden. Ich schleppte mich ins Bad und hielt den Kopf unter den kalten Wasserhahn. Halbwegs wach tapste ich die Treppe hinunter, um in der Küche die Kaffeemaschine einzuschalten. Aus dem Wohnzimmer hörte ich Geräusche. Na toll, mein .38er lag genau dort. Soweit mein desolater Zustand und meine 84 Kilo es zuließen, nahm ich die letzten vier Stufen annähernd geräuschlos.

      Der Kerl, der unvermittelt aus der Wohnzimmertür in den Flur trat, war sehr groß und schwarz. Ich erschrak zu Tode.

      „Morgen Bob”, grinste Tyler. „Hast Du jemand anderen erwartet?“

      Ich boxte ihm mit Schmackes auf den Oberarm.

      „Du Arsch, ich dachte, ich hätte schon wieder Besuch von zwei Gangstern.“

      „Hast Du auch. Aber Du hast uns selber eingeladen, auf dem Sofa zu pennen. Wofür Dir mein Dank sicher ist. Sonst hätte ich jetzt vermutlich keinen Führerschein mehr.“

      „Morgen Bob!“ Tim wankte durch die Küchentür. „Kaffee ist gleich fertig. Aber Du hast kein Bier mehr. Und keinen Ardbeg.“

      Er trug Boxershorts mit einem Muster aus kleinen gelben Enten. Und eine gestreifte Krawatte um den Hals. Sonst nichts.

      Ich deutete mit dem Finger auf ihn und sah Ty fragend an. Der zuckte nur mit den Schultern.

      „Müsli? Oatmeal? Hash Browns? Eier?“ Ich selber wollte nichts als Kaffee, war aber nun mal ein vollendeter Gastgeber.

      Tyler schüttelte den Kopf. „Nur Kaffee“, sagte er.

      Tim nickte. „Gerne. Genau in der Reihenfolge“, sagte er.

      „Echt?“

      „Naja, notfalls tun es auch drei Spiegeleier mit allem.“

      Ich schlurfte an den Herd und drehte das Gas auf. In eine schwere Pfanne legte ich Backpapier, darauf eine Schicht Bacon, dann wieder Backpapier und stellte auf das ganze einen Eisentopf. Dann auf den Herd damit.

      Ich schob drei Scheiben Weißbrot in den Toaster und nahm drei Eier aus dem Kühlschrank. Tim verfolgte mein Tun, als sei er Zeuge einer Herztransplantation.

      „Was wird das?”, fragte er und deutete auf die Pfanne mit dem Topf darin.

      „So wird der Bacon schön knusperig und rollt sich nicht zusammen.“

      „Oh.“

      „Genau. Oh. Setz Dich raus und nimm Dir einen Kaffee mit. Aber zieh Dir vorher entweder ein Hemd an oder wenigstens die Krawatte aus. Ich habe einen heterosexuellen Ruf bei meiner Nachbarschaft, den ich nicht unnötig aufs Spiel setzen möchte. Deine Entchen-Shorts könntest Du eventuell auch gnädig bedecken.“

      Tim zog ab.

      Als das Brot aus dem Toaster hüpfte, waren auch die Eier, die ich mit etwas Butter in einer beschichteten Pfanne sanft gebrutzelt hatte, fertig. Ich ließ sie auf einen großen Teller gleiten, legte den Toast und den perfekt ausgelassenen Bacon dazu und trug ihn auf die Terrasse.

      Tim hatte dankenswerterweise seine Anzughose und sein Hemd angezogen und nippte an seinem Kaffee.

      „Danke, das sieht toll aus!”, meinte er, als ich ihm den Teller hinschob.

      „Ist auch toll.“ Ich sah zu Tyler. „Du wirklich nichts?“

      „Wirklich nicht. Danke. Und bitte bleib hart, wenn Tim gleich nach Ketchup fragt.“

      Tim guckte unschuldig, während er in Sekundenschnelle sein Frühstück verschwinden ließ.

      „Mehr?”, fragte ich.

      „Och nö. Oder... vielleicht noch ein bisschen Toast und Marmelade?“

      Ich ging in die Küche.

      Nachdem Tim irgendwann satt war, fuhren die beiden nach Santa Monica, um sich umzuziehen und dann ihre Arbeit zu beginnen. Mich hatten sie noch zu einem weiteren Tag Rekonvaleszenz verdonnert. Was mir nicht wirklich so unrecht war.

      Der Humidor stand noch immer auf dem Terrassentisch. Wie praktisch. Ich legte die Füße hoch und bohrte ein sauberes Loch in die letzte der illegal importierten kleinen Edmundos von Montecristo. Gut, dass ich gestern bei Valdez für adäquaten Nachschub gesorgt hatte. Nach dem Zigärrchen würde ich wohl beginnen müssen, das Chaos des gestrigen Abends zu beseitigen. Ich nahm einen tiefen Zug und sah aufs Meer und zum Strand, wo schon die ersten Badegäste auf ihren Handtüchern lagen. Das Leben hätte deutlich schlimmer sein können.

      Nur