In der Hitze Havannas. Nick Hermanns. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nick Hermanns
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741858772
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und in die USA auszuwandern, war es katastrophal geworden. Sie hatte sich schlichtweg geweigert, darüber auch nur zu reden, geschweige denn mitzukommen. Außerdem meinte sie, dass sie in den USA keine Chance hätte, weiter als Therapeutin zu arbeiten Was eventuell sogar richtig war. Ich war schließlich im Streit abgereist. Unsere gelegentlichen Telefonate endeten seitdem meist in gegenseitigen Vorwürfen. Sie wollte, dass ich zurückkam. Ich wollte, dass sie herkam. Einig waren wir nur darüber, dass wir uns noch liebten.

      Ich verscheuchte die Gedanken an Hannah, zog an meiner Zigarre und sah den Rauchschwaden nach, die über die Promenade in Richtung Meer zogen. Es würde sich alles finden.

      ***

      Um halb neun betrat Mag Sanchez das LAPD-Hauptquartier. Es war ein warmer und sonniger Morgen und im Halbdunkel der Vorhalle nahm sie ihre dunkle Pilotenbrille ab.

      „Morgen Officer Sanchez“, empfing sie der Wachhabende an der Sicherheitsschleuse.

      „Guten Morgen.“ Sie lächelte ihn an. Sie wusste, dass sie ihn kannte, hatte aber keine Ahnung, woher. Und – sie hasste sich dafür – ohne ihre Brille konnte sie sein Namensschild nicht entziffern. Es sei denn, sie hätte mit ihrer Nasenspitze an seine Brust gestupst. Was aber merkwürdig gewirkt hätte.

      An ihrem Schreibtisch angekommen, stellte sie fest, dass von ihren Kollegen bisher nur Jack O’Mara da war. Ausgerechnet dieses Arschloch.

      „Guten Morgen, Lieblingskollegin“, rief er. „Du siehst wieder mal sehr hübsch aus in Deiner engen Hose.“

      „Du auch, Jack. Das beige Sportsakko ist ein Traum zu dem karierten Hemd und der grauen Anzughose. Und Dein offenes Haar liegt wie angeklebt an der Stirn.“

      „Eines Tages wird das schon noch was mit uns beiden. Glaub mir!“

      „Sicher nicht, Jack. Ganz sicher nicht. Könnten wir vielleicht lieber über die aktuellen Fälle reden?“

      „Klar. Die Fingerabdrücke der beiden Leichen vom LA-River haben Treffer geliefert. Beide sind in der Kartei. Kleinganoven, die als Handlanger für alle möglichen großen Fische gearbeitet haben. Und in Eigenregie haben sie von Zeit zu Zeit mal eine Tankstelle oder einen Schnapsladen überfallen. Benito Verusco und Luca Denaro, klar zwei Spaghettifresser.“

      „Ich glaube, seit ein paar Jahrzehnten nennt man die Italo-Amerikaner“, sagte Mag scharf.

      „OK, zwei Spaghetti fressende Italo-Amerikaner.“

      Mag schüttelte den Kopf.

      „Was bist Du dann? Ein Haggis fressender Schottenrockträger?“

      „Vorsicht, Kollegin! Das ist nicht witzig.“ Was zum Teufel bildete sich diese Mexikaner-Fotze eigentlich ein? Sie war natürlich scharf. Aber halt eine Tortillafresserin. Er würde es ihr eines Tages besorgen, ob sie nun freiwillig mitmachte oder nicht. Hinterher wäre sie dankbar.

      „Schon was von der Gerichtsmedizin?“

      „Nein.“ Er war wütend.

      „OK“, sagte sie und begann, in den Akten über die beiden Toten zu blättern. Vielleicht gab es ja irgendeinen Hinweis, der zu ihrem Mörder führen würde.

      O’Maras Handy klingelte zwei Mal, dann verstummte es. Mag sah, wie ihr Kollege den Raum verließ. Hoffentlich blieb er den Rest des Tages da, wo auch immer er gerade hinwollte.

      ***

      Marc Roberts ließ es zwei Mal läuten, dann legte er auf. Der andere würde dann zurückrufen. Drei Minuten später klingelte sein Handy.

      „Ja.“

      „O’Mara hier, Mister Roberts.“

      „Nein wirklich? Was für eine Überraschung. Wer sonst könnte mich wohl von Ihrem Handy aus zurückrufen?“

      Jack hatte langsam die Schnauze voll von den Klugscheißern, die ihn heute nervten. Erst die Sanchez und jetzt dieser Roberts.

      „Was wollen Sie von mir?“

      „Ich will, dass sie das tun, was Sie am besten können. Anderen Leuten auf den Wecker fallen. Schreiben Sie sich mal einen Namen auf: Robert Decker, 60, Deutscher. Ich will, dass sie eine Schwachstelle bei ihm finden. Einstweilen, ohne dass er es merkt. Und ich will alles über den Kerl wissen, was sie herausfinden können.“

      „Gut. Worum geht’s?“ O’Mara kannte diesen Deutschen. Über Maggie, die ihn ja ganz toll zu finden schien.

      „Das geht Sie einen Scheiß an, O’Mara. Tun Sie einfach, was ich Ihnen sage.“

      „Reden Sie nicht so mit mir, Roberts!“

      „Sonst...?“

      „Egal. Ich melde mich, wenn ich was weiß.“

      „Sehr klug, O’Mara. Dann können Sie auch weiterhin die Rechnungen für die Klamotten ihrer fetten Frau zahlen. Und ihre kleinen Thaimädchen vögeln.“

      Roberts beendete er das Gespräch per Tastendruck. Dieser O’Mara war wirklich ein ausgesuchter Blödmann. Aber er war ein nützlicher Blödmann.

      ***

      „Morgen Betsy! Gut siehst Du aus.“ Tyler strahlte unsere Bürokraft an. Sie lächelte zurück.

      Betsy war jetzt schon seit fünf Jahren für die Organisation bei T&T zuständig. Sie war Mitte vierzig, ein wenig mollig, hübsch und eine großartige Mitarbeiterin. Ihr Mann Richard arbeitete als Wachmann bei einem Geldtransport-Unternehmen und war schon ein paar Mal als Aushilfe bei uns eingesprungen, gerade bei Jobs, bei denen es um Personenschutz ging – was rund ein Drittel unseres Geschäfts ausmachte. Betsy kam jedes Mal um vor Sorge, es könne ihm dabei etwas zustoßen. Wir hatten kein Bedürfnis, sie darauf hinzuweisen, dass Geldtransporte in aller Regel risikoreicher waren als irgendeinen Rockstar auf eine Preisverleihung zu begleiten.

      „Kaffee, Boss?“

      „Danke, Betsy. Ich hatte heute Morgen schon einen wunderbaren Kaffee bei Bob, ich hab da übernachtet.“

      Betsys fassungsloses Gesicht ließ ihn ergänzen: „Keine Sorge. Zusammen mit Tim. Bob ist immer noch hetero. Aber wir haben gestern Abend einen Tick zu viel getrunken.“

      „Gut!“ Betsy nickte erleichtert. „Wo steckt Timmy?“

      „Kommt etwas später. Er wollte noch ein paar Wellen reiten.“

      Tyler verschwand in seinem Büro und startete den Computer. Mal sehen, ob sich irgendwo eine Passagierliste finden ließ, auf der der Name Oliver Remington stand. Falls nein, würde Tim nachher die offiziellen Stellen befragen. Aber Tyler ahnte, dass er selbst eher fündig werden würde. Er glaubte nicht daran, dass Remington einen Unfall gehabt hatte. Irgendetwas ließ ihn sicher sein, dass er freiwillig verschwunden war und das Land verlassen hatte. Sagte wenigstens sein Instinkt.

      Aber drei Stunden später gab er auf. Nirgends ein Hinweis auf einen Remington. Natürlich hätte der zum Beispiel auch per Auto nach Kanada ausreisen können. Aber das war nicht so wirklich wahrscheinlich. Vielleicht hatte Tyler sich auch verrannt. Auch seine Kreditkarten schienen nicht benutzt worden zu sein.

      Tim war seit neunzig Minuten – seitdem er aufgetaucht war – damit beschäftigt, die Krankenhäuser abzutelefonieren. Er war nicht minder erfolglos, wobei es natürlich komplett aussichtslos war, alle Krankenhäuser im Raum LA anzurufen. Er beschränkte sich auf die größeren, bekannteren Kliniken.

      Sie trafen sich im Vorzimmer, als beide das Bedürfnis nach einem Kaffee verspürten. Sie sahen sich an und schüttelten synchron die Köpfe. Tim rührte sich zwei Löffel Zucker und einen Schluck Milch in den Kaffee, Tyler trank ihn schwarz. Zumindest hatten sie, seit Bob Partner war, eine anständige Kaffeemaschine. Und die Tütchen mit Süßstoff und Kaffeeweißer waren im Müll gelandet.

      „Nada“, sagte Tim.

      „Dito“, kam es von Tyler.

      „Und nun?