Leben ist kälter als der Tod. Callum M. Conan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Callum M. Conan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741835629
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angenehm.

      -„Guten Tag, mein Name ist Lehmann. Ich arbeite für den Spiegel-Verlag in Hamburg. Wie ich hörte, haben Sie versucht, mich zu erreichen.“

      -„Oh, Sie sind das?“ Er meinte eine gewisse Verunsicherung in ihrer Stimme zu hören. Offenbar hatte sie mit seinem Anruf nicht gerechnet. „Einen Moment, bitte.“

      Am anderen Ende der Leitung stürzte Lavinia Lichtsteiner aufgeregt aus dem Gästezimmer in Mareens Wohnung und ins Wohnzimmer, wo Mareen sich unterdessen wieder ihrem Oscar-Wilde-Roman gewidmet hatte. „Er ist es!“, hauchte sie ihrer besten Freundin zu, die sofort das Buch zur Seite legte.

      „So, da bin ich wieder. Tut mir leid, dass ich Sie habe warten lassen.“

      -„Ach, das ist kein Problem. Wenn Sie mir jetzt noch sagen, wer Sie sind und warum Sie mich kontaktiert haben, ist alles in bester Ordnung.“

      -„Oh, natürlich. Sorry. Ich bin Lavinia Lichtsteiner, was Ihnen jetzt vermutlich gar nichts sagt, aber das muss es ja auch nicht. Ich rufe an wegen Ihres Artikels in der letzten Ausgabe des Spiegels.“

      Lehmann setzte sich aufrecht in seinen Bürosessel. In gewisser Weise war er ein wenig enttäuscht. Es ging also um seine Arbeit. Aber was hatte er auch anderes erwarten können?

      -„Ist Ihnen beim Lesen ein Fehler aufgefallen? Das tut mir dann schrecklich leid.“

      -„Nein, im Gegenteil. Ich finde ihn klasse. Sie schreiben wirklich toll.“ Immer noch war die Aufregung aus ihrer Stimme zu entnehmen.

      -„Worum geht es dann?“

      -„Also, die Sache ist die: Ich kann das jetzt nur sehr schwer erklären. Im Grunde ist das auch gar nicht wirklich zu erklären. Aber in gewisser Weise sind Sie meine letzte Hoffnung.“

      Lehmann musste lachen.

      -„Ich bin Ihre letzte Hoffnung? Na, das hört man doch gerne.“

      Auch vom anderen Ende der Leitung erklang ein unsicheres Lachen.

      -„ Könnten Sie mir denn helfen?“

      -„Wenn ich schon Ihre letzte Hoffnung bin, würde ich Sie natürlich ungern enttäuschen. Aber damit ich Ihnen helfen kann, sollten Sie mir vielleicht erst einmal sagen, was Sie von mir erwarten.“

      -„Das weiß ich ja selbst nicht so genau. Ich glaube, es würde mir schon weiterhelfen, wenn Sie bestätigen könnten, dass Ihr Artikel der Wahrheit entspricht.“

      -„Also da kann ich Sie beruhigen: Wenn das eine ausgedachte Geschichte gewesen wäre, hätte ich sie in einem Roman verarbeitet und definitiv nicht in unserem Magazin drucken dürfen.“

      -„Gibt es dieses Killer-Programm also mit Sicherheit?“

      -„Natürlich kann ich Ihnen nicht jede Einzelheit nennen, immerhin bin ich Journalist und kein Angehöriger des genannten Geheimdienstes, aber Sie können mir glauben, dass jedes Detail in meinem Artikel genauestens recherchiert und über Quellen abgesichert ist. Lediglich die dramatische Beschreibung des Ganzen gibt der Geschichte vielleicht einen gewissen Touch von Fiktion. Das bezieht sich aber nur auf meine Kommentare und Beschreibungen, niemals auf die Fakten. Die stimmen definitiv.“

      -„Und Sie meinen, da könnte jeder Mensch einfach so reinkommen? Auch wenn er vorher ein völlig friedlicher Junge war?“

      -„Aha, es geht also um einen Jungen? Ist ihr Bruder verschwunden und Sie wollen jetzt wissen, ob er eine Anstellung bei diesem Geheimdienst angenommen haben könnte?“

      -„Sie interpretieren aber eine ganze Menge in meine Fragen!“ Allmählich schien sich die Anruferin zu entspannen. Wie war noch gleich ihr Name? Lavinia, genau. Die schöne Lavinia aus Shakespeares Titus Andronicus. Lehmann schüttelte lächelnd den Kopf. Er las einfach zu viel.

      -„Das ist ja in gewisser Weise auch meine Aufgabe.“

      -„Okay, da haben Sie vielleicht Recht.“

      -„ Wo sind Sie eigentlich gerade, wenn ich fragen darf?“

      -„In Paris.“

      -„Ein Auslandsgespräch demnach. Mein Chef wird mich umbringen!“ Lehmann lachte. „Nein, natürlich nicht. Aber dann wird das natürlich schwierig mit meinem Vorschlag.“

      -„Welchem Vorschlag?“

      -„Ich wollte Sie einladen, sich mit mir zu treffen. Dann hätten wir uns ausführlicher über das Programm aus meinem Artikel unterhalten können.“ Dass er vor allem wissen wollte, welches schöne Mädchen hinter dieser angenehmen Stimme steckte, verschwieg er dabei.

      -„Nein, das ist überhaupt kein Problem. Wir können uns treffen.“

      -„Ist das für Sie nicht ein bisschen zu aufwändig?“

      -„Überhaupt nicht. Ich will unbedingt mehr darüber erfahren. Ich kann auf jeden Fall nach Hamburg kommen.“

      -„Gut. Wann könnten Sie das denn einrichten?“

      -„So schnell wie möglich. Ich habe noch keine Fahrkarte, aber mit dem Zug sollte ich es bis morgen schaffen. Wenn Sie denn auch Zeit für mich haben.“ Sie schien in ihrer Aufregung allmählich zu realisieren, was sie da gerade anberaumte. „Oh, es tut mir so leid, ich denke gar nicht daran, dass Sie auch noch andere Dinge zu erledigen haben, als sich mit mir zu treffen.“

      -„Das macht doch nichts. Wenn Ihnen das Gespräch so wichtig ist, können wir das auf jeden Fall einrichten. Immerhin gehört das ja auch in gewisser Weise zu meiner Arbeit.“

      -„Danke, Sie sind toll.“

      -„Sagen Sie das nicht zu früh, ich weiß ja gar nicht, ob ich Ihnen wirklich weiterhelfen kann. Offenbar gibt es ja einen konkreten Grund für Ihr Interesse.“

      -„Vielleicht.“

      -„Ich habe noch einen anderen Vorschlag: Wie wäre es, wenn ich Ihnen für morgen früh einen Flug über unseren Verlag reservieren lassen würde? Sie müssten sich dann nicht durch den Schienendschungel kämpfen, denn ich vermute, im Thalys wird so schnell kein Platz zur Verfügung stehen.“

      -„Das kann ich doch nicht annehmen.“

      -„Doch, das können Sie. Morgen früh ab zehn von Orly – gehen Sie einfach zum Informationsschalter und fragen Sie nach dem nächsten Flug nach Hamburg. Ich reserviere den Platz auf Ihren Namen. Lavinia Lichtsteiner, richtig?“

      -„Richtig.“

      -„Dann bis morgen, Lavinia Lichtsteiner.“

      Noch bevor sie protestieren konnte, hatte Lehmann aufgelegt. Er wusste zwar noch nicht so richtig, wie er das mit dem Flugticket seinem Chef erklären sollte, aber irgendwie würde es schon funktionieren. Wie er schon Lavinia gegenüber gesagt hatte: Immerhin ging es ja in gewisser Weise um seine Arbeit. Wenn auch nur ansatzweise.

      Die Boeing 787 vom Typ Dreamliner wurde schon auf dem Rollfeld bereit gestellt, als Colin Fox am Nachmittag den Madrider Flughafen erreichte. Bei sich trug er nur den einen Koffer, den er seit seiner Ankunft in Spanien dabei hatte, mit einem Spezialfach für seine Walther PPQ, das ein Entdecken durch die Metalldetektoren verhinderte. Ihm war allerdings nur ein einziges letztes Magazin geblieben. Vielleicht gab es in Mexico-City ja die Möglichkeit, seinen Vorrat etwas aufzustocken.

      Er wandte sich zum Ticketschalter in der Verteilerhalle. Noch von Barcelona aus hatte er ein sündhaft teures Ticket für den letzten Direktflug des Tages mit Aeromexico gebucht. Nach Einrechnung der Zeitverschiebung würde er gegen neun Uhr Ortszeit in der lateinamerikanischen Metropole ankommen. Beinahe ein halber Tag nur im Flieger. Schon jetzt bemerkte er ein leichtes Unwohlsein. Aber anders ging es nicht und er durfte keine Zeit verlieren.

      Die Frau hinter dem Schalter händigte ihm sein Ticket aus und wies ihn darauf hin, dass er nur noch wenige Minuten für den Check-In hatte. Trotzdem ließ er sich Zeit, zur Passkontrolle zu gehen. In Gedanken plante er bereits seine nächsten Schritte