mit Machen. Hermann Brünjes. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hermann Brünjes
Издательство: Bookwire
Серия: mit Geist, Herz und Theologie
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783750212749
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Variante junger Menschen: »Jesus ist einfach geil, und unheimlich super, genau!« Auch christliche Milieus prägen ihre eigene Sprache und definieren jene, die sie beherrschen als »Gläubige«.

      

       Glauben statt Gläubigkeit

      Um solchen Missverständnissen ein wenig vorzubeugen, benutze ich statt »gläubig« lieber »glaubend«. Glaube ist aus meiner Sicht etwas völlig anderes als Gläubigkeit. Glaube wird nicht gemacht, sondern er ist ein Geschenk, er ereignet sich. Ohne Ostern und die Begegnung mit dem Auferstandenen konnte Maria nicht glauben (Joh. 20) und ohne das Wunder von Pfingsten wäre nie eine weltweite Bewegung christlicher Gemeinden entstanden (Apg. 2,37f.). Petrus kann sich noch so abmühen mit seiner Gläubigkeit – er schafft es nicht, auf dem Wasser zu gehen! (Mt. 14,22f.) und Paulus wirft es vom Pferd, als er mit Christus in Berührung kommt (Apg. 9). Diese Liste könnte ich jetzt weiterführen. Es ist eine Liste fast ohne Ende. Sie reicht durch die ganze Bibel, dann durch die Kirchengeschichte und bis zu uns im Hier und Heute. Immer wieder wird das Geschenk des Glaubens entdeckt und ausgepackt.

      Zur Reformation wäre es ohne die Entdeckung des Glaubensgeschenkes nicht gekommen. Was hatte sich der junge Martin Luther gequält mit seiner »Gläubigkeit«! Das Kloster hatte ihn klein und hilflos werden lassen, ohnmächtig gegenüber dem großen Gott und den noch größeren Ansprüchen an ein frommes und gottgefälliges Leben. Einen »gnädigen Gott« konnte der Mönch nicht glauben. Wie sollte das gehen angesichts seiner, Martins ständigen Gebotsübertretungen?

      Doch dann öffnete sich ihm die Schrift. Beim Studium des Römerbriefes und Nachdenken über die »bessere Gerechtigkeit« ereignete sich das Wunder. Martin Luther kam zum Glauben. Der Reformator ergriff Gottes ausgestreckte Hand und ließ sich aus den Fluten seiner Schaffenstheologie ziehen. »Die Pforten des Paradieses waren offen!«, schrieb er später. Plötzlich hatte er so etwas wie einen Schlüssel in der Hand. Und der schloss ihm nicht nur die Bibel und die Überlieferungen auf, sondern sogar die Tür zum Himmel. »Allein Jesus Christus!« Dies wandte er nun konsequent an: Auf die Bibel und die Überlieferungen der Kirche, auf sich selbst und sein Glaubensverständnis, auf seine Theologie und die Ordnungen und Strukturen von Kirche und Gemeinde.

      Die reformatorischen Einsichten auf mein »Tun und Machen« anzuwenden, habe ich als Autor mir nicht nur für dieses Buch vorgenommen, sondern auch für mein Leben als Ganzes. Es ist wirklich eine vielversprechende Herausforderung. Immerhin hat sich unglaublich ausgewirkt, was mit jenem Bruder Martinus damals begann. Man kann also keineswegs sagen, dass der Verzicht auf die Machbarkeit des Christseins und des Glaubens ohne Folgen bleibt und nicht konkrete Gestalt gewinnt. Im Gegenteil!

      Zurück zu unserer Frage: Ist Glauben machbar?

      Nein, der Glaube ist nicht machbar. Er ist ein Geschenk Gottes. Wir empfangen ihn immer wieder neu durch Gottes Eingreifen. Soviel mag hier genug sein.

      Und doch: Ja, das Geschenk des Glaubens will empfangen und »ausgepackt« werden. Folglich bin ich doch wieder beteiligt und sitze nicht tatenlos daneben. Insofern ist Glaube ein aktiver Vorgang, an dem ich mit Denken, Fühlen und Handeln beteiligt bin. In »Mit Denken« habe ich darauf ein ganzes Kapitel verwandt – hier nur soviel:

      Für die Gemeinschaft mit Gott entscheide ich mich. Sie kommt nicht über mich und nimmt ungefragt von mir Besitz. Nein, Gott will gewollt sein, will meine Einwilligung und mein persönliches »Ja« zur Nachfolge.

      Entscheidungen beginnen im Kopf, manchmal auch im »Herzen« – aber ohne handfeste Konkretionen bleiben sie wirkungslos. Ohne konkrete Umsetzung ist es, als hätten solche Entscheidungen niemals stattgefunden.

      Sehr schön sichtbar wird dieser Zusammenhang fast täglich in den politischen Debatten. Klimapolitik in der Theorie ist nichts wert. Da gehen Jugendliche zu Recht auf die Straße. Nur konkretes Handeln zeigt Wirkung. Nur handfeste Gesetze und Investitionen belegen die Entscheidung der Politiker für den Klimaschutz.

      Jetzt wird es in der Übertragung dieser Einsicht spannend: Wie sehen Konkretionen des Glaubens aus? Woran merkt man, dass sich jemand für Jesus Christus entschieden hat und »Allein durch Jesus«, »Allein aus Gnade« und »Allein aus Glauben« lebt?

      Allein die Schrift

      Spätestens jetzt kommt die Bibel wieder ins Spiel. In ihr finden wir die Geschichte Gottes mit seinen Menschen und deren Interpretation durch viele verschiedene Zeugen. Das Neue Testament ist die einzig brauchbare Quelle, die wir zur Person Jesus Christus und über seine Lehre und Wirksamkeit haben. Somit kann die Bedeutung der biblischen Texte gar nicht groß genug eingeschätzt werden. Sie sind das Maß aller Dinge – gerade auch deshalb, weil wir darin die Botschaft von der bedingungslosen Liebe Gottes finden und diese erlösenden und entlastenden »Soli« (»Allein«).

      Es geht jetzt um den Zusammenhang Geschenk und Handeln. Es geht nicht um das Verständnis der Bibel als Gottes Wort und auch nicht darum, was wie und wann von wem aufgeschrieben wurde. Nein, jetzt suchen wir nach Orientierung bei der Frage nach dem Verhältnis von beschenkt werden und dem aktiven Annehmen dieses Geschenkes. Viele Theologen würden nun eine lange Diskussion oder wohl eher einen Vortrag zum Verhältnis von »Gesetz und Evangelium« beginnen. Ich will mir und Ihnen solch komplizierte (und manchmal auch wirkungslose) Darlegungen ersparen.

      Eine Bibelstelle mag dieses Thema erhellen. Im Epheser-Brief hält Paulus Fürbitte für die Gemeinden (Eph. 3,14-21).

      Er bittet Gott um »Kraft und Stärke am inwendigen Menschen.« Das also möge Gott schenken und bewirken (V. 16). Paulus appelliert nicht an die Epheser: »Habt Kraft ...« Nein, Paulus weiß, dass nur der Heilige Geist Lebenskräfte freisetzt.

      Als nächstes bittet Paulus Gott um Glauben in Ephesus und um Herzen, die in der Liebe verwurzelt (V. 17). Auch da wendet er sich an Gott und nicht an die Epheser. »Glaubt endlich! Seid in Gott und in der Liebe verwurzelt!« Solche Imperative richtet Paulus nicht an die Christen aus den Gemeinden in und um Ephesus. Nein, für »Glauben« und »Verwurzelung in Gott« sind nicht wir Menschen zuständig, sondern Gott allein.

      Weiter bittet Paulus Gott, den Ephesern Erkenntnis zu schenken, damit sie die Fülle Gottes wahrnehmen (V. 19). Auch dies erwartet der Apostel von Gott, nicht von den Ephesern.

      

       Zuständigkeiten klären

      Es ist spannend, die Bibel einmal daraufhin zu lesen, was Gott tut und was die Menschen zu tun aufgefordert sind. Würden wir dies etwas sensibler beachten, würden wir vermutlich einerseits sehr entlastet leben können – andererseits auch genauer wissen, was zu tun ist und wofür wir verantwortlich sind. Die Zuständigkeiten wären geklärt.

      Ich nenne einmal ein paar Beispiele, beginnend mit denen aus dem Epheserbrief: Kraft, Glauben, Liebe, Erkenntnis – das alles sind Geschenke Gottes und dafür ist ER zuständig. Deshalb richtet sich die Fürbitte an Gott.

      Doch schon gleich nach dieser Fürbitte wird Paulus sehr deutlich mit seinen Aufforderungen an die Gemeinde.

       Liebe ist Geschenk. Sich vertragen, Demut, Sanftmut – das ist eure Aufgabe. Das nimmt Gott euch nicht ab (Eph. 4,2)!

       Die Gemeinde ist ein Leib. Diese Einheit ist Gabe Gottes. Er allein hat sie gemacht. Und nun seid ihr dran: Einander annehmen, einig werden und mit verschiedenen Gaben zusammenarbeiten ist eure Sache! Das erbittet Paulus nicht von Gott, sondern da fordert er die Christen auf, die seinen Brief lesen (Eph. 4,3f.).

      Immer wieder verläuft die Argumentation des Paulus nach diesem Muster: Gott schenkt (dies ist der Indikativ, die Feststellung. Dafür bittet Paulus Gott, bzw. dankt ihm) und nun lebt aus diesem Geschenk, gebraucht es und macht etwas daraus (dies ist dann der Imperativ, die Aufforderung an die Gemeinde). »Sei, was du bist!«, ist Schlüsselsatz des Umgangs mit Gottes Wirken.

       Ihr seid »Kinder des Lichtes« (und müsst dies nicht erst werden, auch nicht durch besondere Erkenntnis). Nun verhaltet euch auch so. Jetzt gibt Paulus diverse Anweisungen für ein Leben mit Ausstrahlung (Eph. 5,1-21).