Die zweite Postkarte. Mark S. Lehmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mark S. Lehmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742706287
Скачать книгу
Redaktionssitzung von ´face and blog` stattfinden, um die vorgezogene Ausstrahlung zu planen. Kurt rauchte der Kopf. Die menschliche Unfähigkeit zur Zweiteilung stand ihm nun im Weg, um alle von ihm angedachten Schritte zeitgleich zu realisieren. In seinem Büro gab er Frau Leitmaier den Auftrag, Andresen mitzuteilen, dass er zu 9.00 Uhr am Folgetag seine gesamte Redaktion zu einer Sitzung einladen soll und dass er eine Auflistung der benötigten Ressourcen und einen Zeitplan bis 12.00 Uhr vorlegen solle. Kurt selber eilte aus seinem Büro in die Personalabteilung.

      Dort erfuhr er vom Sekretariat, dass sich die Leiterin Frau Dabrowski in einer Besprechung befände. Kurt betonte, dass er sie dringend sprechen müsse. Als Antwort wurde ihm mitgeteilt, dass Frau Dabrowski den ganzen Tag geblockt sei und im kleinen Besprechungsraum mit Rechtsanwälten tage.

      Entschlossen drehte Kurt auf der Hacke um und begab sich zum Besprechungsraum. Mit einem kräftigen Klopfen öffnete er die Tür. Vier Augenpaare schauten ihn überrascht an. „Entschuldigen Sie die Störung, aber ich müsste dringend mit Ihnen, Frau Dabrowski sprechen.“

      Drei gestriegelte Herren in ihren geklonten Anzügen mit langweilig einfarbigen Krawatten starrten ihn im Gleichklang an. Frau Dabrowski in ihrem Sonnenblumengelb knallendem Kostümchen und ihren Satin glänzenden gleichfarbigen Pumps herrschte ihn resolut an: „Wie Sie sehen, sind wir gerade im Gespräch.“

      „Das habe ich erwartet. Allerdings muss ich dringend eine Personalie mit Ihnen klären.“

      „Herr Assens, das kann bis morgen warten.“, betonte Frau Dabrowski deutlich.

      „Ich fürchte nicht.“

      „Bitte schließen Sie die Tür, Herr Assens, von Außen!“, blaffte ihn die Personalleiterin an, drehte sich im Sitzungsstuhl um und zeigte Kurt den Rücken.

      Kurt trat an den Sitzungstisch heran, legte seine linke Hand auf die Rückenlehne von Frau Dabrowskis Stuhl und drehte diesen abrupt zu sich, so dass er der Personalleiterin direkt in die Augen schauen konnte. „Fünfzehn Minuten brauche ich Sie. Ihr Besuch kann bestimmt eine kurze Pause vertragen und bevor zwischen uns beiden eine Disharmonie auftritt, möchte ich kurz erwähnen, dass die Geschäftsführung mich beauftragt hat, mit Ihnen ein Problem zu lösen.“

      Die Augen von Frau Dabrowski weiteten sich kurz. „Okay meine Herren“, sprach Frau Dabrowski zu ihren drei Besuchern, „dann sei Ihnen also eine Viertelstunde Pause gegönnt.“

      Sobald sie beide alleine im Raum waren, schildert Kurt die Situation.

      „Bieten Sie ihm einen Auflösungsvertrag an. Wie lange ist Huber im Konzern? Ich schätze 9 Jahre, also offerieren Sie ihm eine Abfindung von 9 Monatsgehältern. Sollte er im Konzern bleiben wollen, dann stellen Sie ihm die Stelle in der Redaktion von Scharzhofer in Aussicht. Gleichwohl ich glaube, diese Versetzung mit Machtverlust wird er ablehnen. Also bleibt die Abfindung. Sollte ihm dieses nicht passen, müssen wir beide mit ihm ein Gespräch führen.“

      Mit diesen Worten stand Frau Dabrowski auf, ging zur Tür, öffnete diese und verabschiedete Kurt: „Ihre viertelstündige Audienz ist beendet, Herr Assens.“

      Kurt nickte kurz und verließ den Besprechungsraum. Als Frau Dabrowski die Tür hinter ihm schloss, dachte Kurt, was für eine arrogante Schnepfe sich der Sender als oberste Personalleiterin ausgewählt hatte. Seine ornithologische Bestimmung korrigierte er nach kurzer Überlegung. Ihr knallgelbes Kostüm erinnerte ihn zunächst an einen Kanarienvogel. Abschließend dachte er jedoch eher an Bibu aus der Sesamstraße.

      Als er in sein Büro zurückkehrte, beauftragte er Frau Leitmaier Huber unmittelbar zu sich zu bestellen.

      Zwei Minuten später schaute Frau Leitmaier durch die Tür. „Herr Assens, Herr Huber ist in einer Redaktionssitzung. Ich habe seiner Sekretärin die Dringlichkeit aufgezeigt, doch sie konnte ihm nicht bewegen, sich aus seiner Sitzung loszueisen.“

      Kurts innerer Kamm schwoll an. Nach all den Fauxpas widersetzt sich Herr Huber auch noch seinen Anweisungen. Kurt griff sein Jacket und stürmte wortlos an Frau Leitmaier vorbei und lief in das benachbarte Gebäude, in dem sich die BASTA!!!-Redaktion befand.

      Mit hochrotem Kopf sprintete Kurt in das dritte Stockwerk und riss wutentbrannt die Sitzungsraumtür auf. Schlagartig verstummten die Stimmen und zweiundzwanzig stark geweitete Pupillen glotzen Kurts zornig glühendes Haupt an. Völlig außer Atem holte Kurt kurz Luft, bevor seine Stimmlippen scharf zischend das weitere Vorgehen festlegten: „Meine sehr geehrte Damen und Herren, bitte verlassen Sie jetzt den Raum und gehen an Îhre Arbeitsplätze. Sie, Herr Huber, bleiben hier!“

      Huber schaute Kurt erschrocken an, während seine Redaktionsmitglieder entsetzt erstarrten. Kurts Blick schweifte mit hochgezogenen Augenbrauen durch die Runde. „Habe ich mich unklar ausgedrückt?“

      Schlagartig erwachten alle aus ihrem mentalen Koma. Hektisch wurden Notebooks zusammengeklappt und Papiere eingesammelt. Dicht zusammengedrängt wie eine Herde Pinguine in der Antarktis verließen alle den Raum. Kurt schloss die Tür, ging um den langen Tisch herum und setzte sich an die andere Stirnseite Visavis zu Huber.

      „Guten Tag, Herr Assens. Selbstverständlich steht es Ihnen zu an Redaktionssitzungen teilzunehmen. Allerdings überrascht mich, dass sie mich als Chefredakteur nicht wie bisher im Vorwege informiert haben. Und zugegebenermaßen erstaunt mich die Art Ihres Auftritts.“

      Die Arroganz seines Gegenübers verärgerte Kurt: „Erstaunen ist ein guter Hinweis. Mich erstaunte, dass sie trotz meiner mahnenden Worte in Ihrer letzten Sendung erneut über die Strenge geschlagen haben, Herr Huber. Können Sie mir Ihre Beweggründe dafür erläutern?“

      „Sie meinen doch nicht den Beitrag über diesen Ministerpräsidenten? Fühlt sich etwas dieser Herr auf den Schlips getreten? Der soll sich nicht so anstellen. Ein erneuter Fall von politischem Gebell“, schob Huber süffisant nach.

      Kurt stützte seine Ellenbögen auf und formte mit seinen Fingern ein Dreieck, auf dem sein Kopf ruhte. „Ich würde sagen, die Zeiten des Bellens sind vorbei, die Hundemeute hat zugebissen, Herr Huber“, hielt Kurt entgegen und ließ einige Sekunden verstreichen, bevor er fortfuhr: „Auf die Mahnungen haben Sie ja mehrfach nicht gehört, Herr Huber, nun müssen Sie die Konsequenzen tragen. Die Geschäftsführung hat Ihre Sendung mit sofortiger Wirkung abgesetzt!“

      Huber erblasste. „Das ist nicht wahr!“

      „Keine Sorge, ich lüge Sie nicht an“, stellte Kurt klar.

      Nun sprudelte es unkontrolliert aus Huber heraus: „Wegen einer Sendung machen die Herren sich da oben in die Hose. Provozieren und pointieren gehört zu unserem Erfolgsrezept. Was bilden sich diese Hosenscheißer ein. Das lass ich mir nicht bieten!“

      Die naive Blauäugigkeit von Huber brachte Kurt auf die Palme: „Was bilden Sie sich ein? Selbst mich als Ihren Vorgesetzten haben Sie nicht ernst genommen. Zweimal habe ich Ihnen deutlich gesagt, dass Sie Ihre Schärfe zurückfahren sollen. Aber nein, Sie machen in Ihrer Selbstherrlichkeit nicht nur weiter, sondern geben noch Vollgas und springen ins nächste Fettnäpfchen und reißen Sie Ihre gesamte Redaktion mit hinein!“

      Die geweiteten Augen signalisierten Kurt, dass Huber so eben begann, das Sterben seiner Redaktion zu realisieren. „Sie wollen doch nicht sagen, dass meine Sendung beerdigt wird. Was passiert mit meiner Redaktion?“

      Nach einer pädagogischen Pause von zehn Sekunden bestätigte Kurt: „Genauso ist es: Basta mit Ihrer Sendung BASTA!!! Folglich wird Ihre Redaktion aufgelöst. Die Kollegen werden anderen Sendungen zugeteilt werden.“

      Kurt konnte Hubers nächsten Gedanken in seinem Gesicht lesen und ergriff vor diesem das Wort. „Allerdings haben wir keine Chefredakteurposten frei und durch Ihr Verhalten in den letzen Monaten haben Sie auch Ihre persönliche Eignung dafür mehr als in Frage gestellt. Ich habe zwei Angebote für Sie: In Scharzhofers Redaktion wird noch ein Mitarbeiter benötigt. Alternativ könnten wir einen Auflösungsvertrag unterschreiben.“

      Nun explodierte Huber: „Das ist der Dank für mein langjähriges Engagement. Da reißt man sich den Arsch auf und soll dann billig abgeschoben werden. Das lass ich mir nicht gefallen.