Lebendkontrolle. Heike Bicher-Seidel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heike Bicher-Seidel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742737861
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mir, Nina“, keuchte er und bewegte sich mit steigendem Tempo. „Sag, dass du mir gehörst“, forderte er schmeichelnd. Ich schloss die Augen und versuchte, mich nur auf meinen Körper zu konzentrieren.

      „Sag es!“ Seine Stimme eine Nuance schärfer, störte meine Konzentration.

      „Nicht reden. Bitte“, hauchte ich und versuchte, wieder in den Taumel aus Leidenschaft zurückzufinden, in dem ich eben noch versunken war. Doch Marcs fester Griff in meinen Haaren und sein schneidender Ton holten mich wieder in die Realität zurück.

      „Du gehörst mir und wirst ab sofort Vernunft annehmen.“ Ich legte meine Hände auf seine Brust und versuchte, ihn von mir zu schieben, aber er war wesentlich stärker als ich und unter ihm gefangen hatte ich keine Chance, zu entkommen.

      „Du willst spielen?“, fragte er mit einem dunklen Lächeln und griff nach meinen Handgelenken, um sie links und rechts neben meinem Kopf auf die Matratze zu drücken.

      „Lass mich los!“, fauchte ich. Verwirrt sah er mich an und nur langsam dämmerte ihm, dass ich meine Meinung zu unserem Versöhnungssex geändert hatte.

      Er ließ mich los und zog sich von mir zurück. Ich rutschte von ihm fort und zog die Decke schützend über mich.

      „Aber du wolltest es doch auch!“, sagte er konsterniert.

      „Es tut mir leid. Ich hätte das nicht tun sollen“, antwortete ich. Er stand auf und zog sich an. Aus Verwirrung war inzwischen Wut geworden.

      „Verdammt, Nina. Du tust, als hätte ich dich vergewaltigt. Du hast mich doch sofort besprungen, als ich kaum durch die Tür war!“

      „Du hast ja recht, ich habe da wohl falsche Signale ausgesandt.“

      Fassungslos sah er auf mich hinunter.

      „Falsche Signale? Noch eine Minute und du wärst so laut gekommen, dass es die ganze Nachbarschaft mitbekommen hätte!“ Da hatte er nicht ganz unrecht und sofort beschlich mich ein schlechtes Gewissen. Ich streckte meine Hand nach ihm aus und er ließ sich zögernd auf der Bettkante nieder.

      „Wir müssen reden. Ich ziehe mich schnell an und dann klären wir das“, erklärte ich. Er nickte und sah mir traurig nach, als ich ins Bad huschte.

      Als ich zurück ins Schlafzimmer kam, war Marc nicht mehr da. Schnell zog ich Jeans und T-Shirt über und ging barfuß nach nebenan. Er saß mit einem Kaffee an meinem Esszimmertisch und hatte auch eine Tasse für mich hingestellt.

      „Danke“, sagte ich und trank einen Schluck. „Warum bist du gekommen?“, fragte ich, ohne aufzusehen.

      „Ich dachte, du wärst endlich zur Vernunft gekommen.“ Er klang bitter und verletzt.

      „Das eben tut mir wirklich leid. Es war meine Schuld. Verzeihst du mir?“, fragte ich. Als ich aufblickte, nickte er und atmete tief durch.

      „Hör zu. Ich war nicht auf Sex aus, als ich herkam. Ich wollte mit dir reden. Gegen Versöhnungssex nach dem Gespräch hätte ich natürlich nichts gehabt.“ Sein jungenhaftes Lächeln ließ meinen Widerstand bereits wieder schmelzen.

      „Und worüber wolltest du mit mir reden?“ Er rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum.

      „Frank, der mit dem Malergeschäft, hat mir erzählt, dass er den Auftrag bekommen hat, dein Elternhaus zu streichen und zwar nicht von dir.“

      Ich kaute unschlüssig auf meiner Unterlippe, antwortete aber schließlich doch.

      „Ich habe es verkauft.“

      „Das habe ich mir schon gedacht.“ Er wartete auf eine Erklärung, aber was hätte ich sagen sollen? Seit ich das Haus vor drei Jahren geerbt hatte, lag er mir mit dem Verkauf oder zumindest mit einer Vermietung in den Ohren. Er hatte nie nicht verstanden, warum ich das Haus leerstehen ließ, während wir nur ein paar Kilometer weiter zur Miete wohnten. Immer wieder hatten wir uns deshalb gestritten und mit jedem Streit war meine Verbitterung über sein nicht mal rudimentär vorhandenes Verständnis für meine Trauer gewachsen.

      „Seit ich mitbekommen habe, dass du endlich auf mich gehört hast, habe ich auf eine Nachricht von dir gewartet, Kätzchen. Ich dachte, vielleicht wolltest du deine Fehler damit wiedergutmachen.“ Er griff nach meiner Hand.

      „Welche Fehler?“, fragte ich irritiert.

      „Na, wegzulaufen, zum Beispiel. Die bescheuerte Idee, dein Studium hinzuschmeißen und dich stattdessen um diese Asozialen zu kümmern.“ Ich zog meine Hand aus seiner und endlich dämmerte mir, was mich vorhin so gestört hatte.

      „Ich habe mein Studium mit dem Bachelor in Sozialpädagogik beendet und nicht geschmissen und ich liebe meinen Beruf. Das waren keine Fehler.“ Er winkte ab und lehnte sich zurück.

      „Ich will dich doch gar nicht daran hindern, dich selbst zu verwirklichen.“ Er deutete mit den Fingern Anführungszeichen in der Luft an. „Ich verdiene genug für uns beide, von mir aus musst du gar nicht arbeiten. Such dir eine Beschäftigung, die dir Freude macht, vielleicht etwas mit Kindern, aber doch nicht mit Verbrechern.“

      Mit offenem Mund starrte ich ihn an.

      „Wenn wir erst verheiratet sind und Kinder haben, hat sich das doch sowieso erledigt. Ich verstehe nicht, warum du so ein Theater veranstaltest“, ergänzte er.

      „Und was erwartest du jetzt von mir?“, fragte ich. Sein Lächeln kam zurück.

      „Pack deine Sachen und wir fahren nach Hause. Du bist noch in der Probezeit und kannst diesen sinnlosen Job schnell loswerden. Bis zum Ende der Kündigungsfrist besorgen wir dir eine Krankmeldung und für deine Wohnung finden wir bestimmt einen Nachmieter. Ist ja ganz hübsch und zentral gelegen.“ Er sah sich zum ersten Mal wirklich um.

      „Das ist eine Eigentumswohnung“, sagte ich, noch immer geschockt über seine Ignoranz.

      „Bist du bescheuert? Was hast du dafür bezahlt?“

      „Ich wüsste nicht, was dich das angeht.“

      „Du kannst doch nicht einfach unser Geld zum Fenster rauswerfen, ohne mich zu fragen!“, sagte er mit erhobener Stimme.

      Es war einer dieser Momente, in denen man sein Leben von oben beobachtet und endlich das ganze Bild sieht. Warum hatte ich acht Jahre gebraucht, um zu sehen, dass Marc sich nur für einen Menschen auf der Welt interessierte und das war er selbst. Ernüchtert sah ich ihn an.

      „Warst du schon immer so ein Arschloch und ich zu blöd, um das zu bemerken oder ist das neu?“

      „Was?“ Eben noch in Rage, war er jetzt nur noch verwirrt.

      „Du solltest gehen. Danke für deinen Besuch.“ Ich ging zur Wohnungstür und öffnete sie.

      „Aber ich bin drei Stunden gefahren, nur um mit dir zu reden!“

      „Du hättest vorher anrufen sollen.“ Ich nickte zur offenen Tür. Wütend stapfte er an mir vorbei und verließ ohne ein weiteres Wort mein Leben.

      Als ich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, räumte ich die Kaffeetassen in die Spülmaschine und ging dann hinaus auf meine Dachterrasse. Ich drehte mich einmal im Kreis. Das hier war jetzt mein Leben. Mein altes Leben war vorbei. Endgültig. Ich war allein, hatte keine Verwandte, keine Freunde, aber ich hatte auch niemanden mehr, der mir das Leben schwermachte. Ich hatte einen Job, der mir Freude bereitete, Kollegen, die mich mochten. Der Rest würde sich ergeben. Ich musste nur daran glauben, daran arbeiten. Dann würde ich bald auch nicht mehr so allein sein. Ganz sicher. Trotzig sah ich auf den Park unter mir und blinzelte die Tränen fort, die meinen Blick verschleierten.

      Kapitel 3

       Nina

      Als ich auf dem Parkplatz vor der JVA parkte, stellte mein Chef, Tom Tellmann, ebenfalls den Wagen ab. Er wartete auf mich und ich ging lächelnd auf ihn zu. Mit den blonden, kurzen