Zeit der Könige. Julia Fromme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Fromme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738038316
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an dessen Seite zu sein. Nur allzu oft war er für viele Monate fern vom Hofe. Dietrich, der auch Graf von Weißenfels war, verstand sich mit seinem Bruder schlecht. Beide beanspruchten nach dem Tode ihres Vaters Otto die Markgrafenkrone. König Heinrich, der Sohn Barbarossas, sprach sie dem älteren Bruder Albrecht zu, obwohl es der verstorbene Otto anders verfügt hatte und der jüngere das Erbe erhalten sollte. Immer wieder kam es zu Gefechten zwischen den Brüdern und oft musste sich Dietrich nach Weißenfels zurückziehen, um neue Kräfte zu sammeln.

      Seine Ländereien an der böhmischen Grenze vernachlässigte Isbert deshalb genauso wie dereinst sein Vater. Marquard war mit dem Kaiser vor einem Jahr zu einem Kreuzzug aufgebrochen, von dem er, genau wie Friedrich, nicht mehr zurückkehrte und sein Sohn hatte den Besitz in Lichtenwalde sowie das Stadthaus geerbt. Lioba gehörte zum Gefolge der alten Markgräfin Hedwig, der Witwe Ottos. Da Hero im Dienste des Markgrafen stand, begegneten sie sich oft. Und trotz, dass sie sich der Tatsache bewusst waren, eine große Sünde zu begehen, wurden sie ein Liebespaar und Lioba bald darauf schwanger. Doch ihr Mann war schon seit Monaten nicht zu Hause. Jedermann würde sofort erkennen, dass das Kind nicht von ihm sein konnte. In ihrer Not suchte sie eine alte Kräuterfrau auf, die ihr eine entsprechende Mixtur verabreichte. Unter großen Qualen verlor sie das Kind, und sie zahlte einen hohen Preis dafür, der weit über die wenigen Pfennige hinausging, die sie für das Gebräu gegeben hatte. Nie wieder sollte sie ein Kind gebären, konnte sie das Unrecht, dass sie an ihrem Mann begangen hatte, wieder gut machen. Sie wandte sich von Hero ab, ihr Gewissen ließ es nicht mehr zu, dass sie ihren Mann hinterging. Doch Hero liebte Lioba auf seine Weise. Sein Stolz hinderte ihn daran, zu akzeptieren, dass die Frau ihn einfach verließ und auch noch seines Kindes beraubte. Er vergaß, dass es nicht seine Frau war, sondern die seines Gefährten, und er begann, Lioba zu verfolgen und mit seiner Forderung, dass sie in sein Bett zurückkehren sollte, zu quälen. In ihrer Not wandte sich Lioba an Markgräfin Sophie. Sie bat diese, ihren Gemahl zu überreden, Hero mit einer Mission weit fort zu schicken. Doch die Markgräfin war eine fromme Frau und sie hielt es für ihre Pflicht, verirrte Sünder wieder auf den rechten Weg zu bringen und im Namen Gottes zu bestrafen.

      So erfuhr Albrecht von der Sache. Er war ein nüchterner Mann, der an seinem Hofe keine Ungereimtheiten duldete. In der Absicht, bei dieser Gelegenheit gleich mehr über die Umtriebe seines Bruders Dietrich zu erfahren, mit dem Isbert oft zusammen war, konfrontierte er den Ritter mit den Tatsachen von Liobas Treuebruch. Doch stand Isbert seine Ehre als Mann im Weg. Wohl war ihm bewusst gewesen, dass zwischen seiner Frau und Hero etwas Verbotenes vor sich ging, doch hatte er stets seine Augen davor verschlossen, aus Angst, dass die Wahrheit zu schmerzlich sein würde. Er mochte Lioba, aber er wusste auch, wie schwer es für sie gewesen war, ihm an den Hof Albrechts zu folgen, von den Ufern des Rheins an den Rand des finsteren Dunkelwaldes. Zu oft ließ er sie allein, und er ahnte, dass dieselben Bedürfnisse, die von Zeit zu Zeit einen Mann befielen, auch einer Frau nicht fremd waren. Die tiefe Zuneigung zwischen Lioba und Hero war ihm nicht entgangen, doch er ignorierte diese Tatsache einfach. Das bereute er jetzt. Der Markgraf sagte ihm auf den Kopf zu, dass seine Frau ihm Hörner aufsetzte. Und so etwas konnte ein edler Ritter nicht auf sich sitzen lassen. Ihm blieben zwei Möglichkeiten. Entweder Hero zum Zweikampf zu fordern, was das Eingeständnis gewesen wäre, dass er von seiner Frau hintergangen worden war. Doch dass wollte er seinem minderjährigen Sohn nicht antun, denn alle Welt hätte dann an dessen legitimer Herkunft gezweifelt. Oder Albrecht der Lüge zu bezichtigen, was dem eigenen Todesurteil gleichkam, da ein Markgraf nicht lügt. Dennoch entschied sich Isbert für letzteres, entschied er sich für seinen Sohn und Erben.

      Der Markgraf schäumte vor Wut und beschuldigte Isbert des Verrats und der Verschwörung mit seinem Bruder Dietrich. Nur allzu willig ließen sich Zeugen finden, die für ein paar Groschen bereit waren, alles auszusagen. Da es nicht anging, dass der Markgraf selbst einen Zweikampf auf Leben und Tod mit einem Vasallen ausfocht, bestimmte er einen Kämpen: Hero von Lingenburg.

      Der Rabe erhob sich mit einem weiteren Krächzen und flog auf die Bäume zu, die das Ufer des großen Flusses am Fuße der Burg säumten. Hier entschwand er den Blicken Liobas im dunklen Dickicht der Blätter.

      Teil 1

       Unter der Herrschaft Albrechts des Stolzen

      Kapitel 1

       Burg Meißen

       November 1191

      Isbert lag seit dem frühen Morgen wach. Die Fenster der Kammer, in der er nun schon seit Tagen ausharrte, ohne dass ihn jemand über sein weiteres Schicksal informierte, zeigten zur Elbe. Vor drei Tagen ließ der Markgraf ihn vor ein Gericht zerren, das ihm Verrat vorwarf und deshalb zum Tode verurteilte. Da sich jedoch keine Zeugen fanden, Isberts Vergehen näher zu benennen, erwies man ihm die „Gnade“ eines Gottesurteils. Das Wort des Markgrafen, der ihn beschuldigte, wog schwerer als die Gerechtigkeit.

      Isbert hörte das Krächzen eines Raben, der über den Fluss flog. War dies ein Zeichen? Die Untreue seiner Gemahlin brannte wie ein Geschwür in seiner Brust. Er würde den Markgrafen niemals hintergehen. Aber dieses Wissen half ihm jetzt wenig. Die weltlichen Gerichte hatten ihre Entscheidung getroffen. Wie würde Gott entscheiden? Würde er ihm verzeihen, dass er die Augen verschloss vor dem, was um ihn vor sich ging? Schon seit langem wusste er, dass ihm das Herz seiner Frau nicht gehörte. Aber zählte nicht, dass sie sich trotzdem letztendlich für ihn entschieden hatte? Dennoch lag es nicht mehr in ihrer Hand, den weiteren Weg zu bestimmen. Gott ließ nicht mit sich handeln. Der Ritter ahnte, wie der Zweikampf enden musste. Er würde sich gegen das Schicksal wehren, aber die noch nicht verheilte Verletzung von einem Kampf mit den Feinden Dietrichs behinderte ihn zu sehr, als dass er gegen einen starken Kämpen eine Chance haben würde. Und Hero von Lingenburg schonte niemanden!

      Das leise Klirren eines Schlüsselbundes riss ihn aus seinen Überlegungen. Er ließ noch einen letzten Blick über den Fluss schweifen. Dort unten saß er; seine schwarzen Federn glänzten in den ersten Strahlen der Sonne. Es war ein Omen. Sein Schicksal war besiegelt. Isbert erblickte den Tod.

      Unter Knarren schwang die Tür nach innen auf. Hubert, der Schließer, ließ seinen Blick durch die Kammer schweifen. Vor der hellen Fensteröffnung sah er die Silhouette des Ritters, groß und breit. Für einen Moment kam ihm der Gedanke, dass dieser Mann unbesiegbar war. Er schüttelte sich kurz wie ein Hund und trat ein.

      „Isbert von Lichtenwalde, ich bin gekommen, um Euch zu holen. Aber wenn Ihr es wünscht, schicke ich Euch noch einen Priester, der…“

      Isbert machte eine ungeduldige Handbewegung. „Nein, ich habe meine Beichte bereits gestern Abend abgelegt. Ein Priester kann mir jetzt auch nicht mehr helfen. Jetzt ist es die Sache Gottes… oder des Teufels.“

      Hubert wich zurück und bekreuzigte sich: „Herr, lasst den Teufel aus dem Spiel, es nimmt ein böses Ende, wenn man Gott herausfordert.“

      „Ein böses Ende nimmt es so oder so. Nun lass uns gehen, Hubert. Ich weiß, du tust nur deine Pflicht. Ich werde die meine tun.“

      Der Kampf sollte auf einer Wiese nahe dem Elbufer stattfinden. Bereits am vorhergegangenen Tag hatte man eine Tribüne für den Markgrafen und sein Gefolge errichtet. Nun füllten sich die Ränge. Der Markgraf saß in einem Sessel, der mit Teppichen ausgelegt war. Die Markgräfin zog es vor, dem Kampf nicht beizuwohnen. Ihr schlechtes Gewissen, ihre Gottesfurcht diesmal zu weit getrieben zu haben, hielt sie davon ab. Dass der Ritter Isbert sterben sollte, lag gewiss nicht in ihrer Absicht, war er ihr doch stets höflich und ehrerbietend entgegengetreten.

      Aber es gab genügend Schaulustige am Hofe Albrecht des Stolzen. Und so füllten sich die Sitzränge bald bis zum letzten. Viele mussten außerhalb des Platzes stehen, da wo das gemeine Volk, die Leibeigenen und die Bediensteten sich versammelt hatten.

      „Was glaubst du, Gevatter, wer wird den Kampf gewinnen?“, wandte sich Isberts alter Knecht Einhardt mit banger Miene seinem jüngeren Gesellen zu. Die Frage war rein rhetorisch gestellt. Jedem der Anwesenden war bewusst, dass der edle Isbert keine Chance hatte. Hero war jünger