Zeit der Könige. Julia Fromme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Fromme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738038316
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sich im Schatten nieder und verspeiste genüsslich die Pasteten. Sie waren mit Fleisch gefüllt und schmeckten würzig. So etwas hatte er noch nie gegessen.

      Durch die Schärfe der Speise durstig geworden, beugte er sich über den Brunnen, um mit der Hand Wasser zu schöpfen und zu trinken. „Halt ein!“ rief eine Stimme in der Sprache der Franken. Erschrocken fuhr Nicolas herum. Ein älterer Mann mit einer flachen Kappe auf dem Kopf starrte ihn entsetzt an. „Das Wasser des Brunnens ist nicht zum Trinken gedacht. Er soll die Menschen nur mit seinem Wasserspiel erfreuen. Hast du kein Geld, um dir in einer Schenke Wein zu kaufen?“ Nicolas schüttelte langsam den Kopf. „Ich bin erst mit dem Schiff hier angekommen. Von Sizilien. Sagt mir, guter Mann, wo ich eine solche Schenke finde.“ Nicolas packte sein Bündel noch etwas fester. Doch der Alte schien ihm wohlgesonnen. Ein weißer Bart bedeckte seine Wangen und sein Kinn, seine dunklen Augen blickten lebhaft und warmherzig. „Du kennst hier niemanden, stimmt`s?“ sagte er. Es war eher eine Feststellung als eine Frage. Nochmals schüttelte Nicolas zaghaft den Kopf.

      „Könnt Ihr mir sagen, ob ich hier ein Schiff finde, dass mich nach Jerusalem bringt?“, fragte er in seinem schlechten Französisch. Aber der Alte schien ihn trotzdem zu verstehen. „Es kommen und gehen hier viele Schiffe, aber du musst Geduld haben. Große Schiffe, die Pilger mit sich nehmen, gibt es eher selten.“ Der Funken Hoffnung, der in Nicolas erwacht war, wurde im Keim erstickt. Enttäuschung machte sich auf seinem Gesicht breit. Der Alte schien Mitleid zu haben. Auch erkannte er, dass Nicolas wohl kein diebischer Geselle war, sondern nur ein Junge, dem das Schicksal offenbar übel mitgespielt hatte.

      „Wenn du willst, komme mit mir in mein Haus. Dort kannst du mir berichten, was dir widerfahren ist und was dich hierher verschlagen hat. Auch einen Schluck reinen Wassers kann ich dir dort geben.“ Damit drehte er sich um und ging davon, es Nicolas selbst überlassend, zu entscheiden, ob er ihm folgte oder nicht.

      In Sekundenschnelle spielten sich die Gedanken in Nicolas` Kopf ab, war er entzwei gerissen von seinem Bedürfnis, endlich Hilfe zu bekommen und der Angst, sich in Gefahr zu begeben. Letztlich siegte seine Verzweiflung, nicht zu wissen, was er tun sollte, ganz allein hier in einem vollkommen fremden Land. Und so folgte er dem alten Mann, hatte ihn nach wenigen Schritten eingeholt und ging schweigend neben ihm her.

      Costorkos war ein Kaufmann, der mit vielen Ländern der bekannten Welt Handel trieb. Schon als junger Mann war er mit einer Karawane am Hofe des Kaisers gewesen, den alle Welt ob seines roten Haares wegen Barbarossa nannte. Hier hatte er auch die Sprache der Franken gelernt, die ihm auf seinen vielen Handelsreisen immer dienlich gewesen war. Jetzt im Alter hatte er sich zur Ruhe begeben und sein Geschäft seinem Sohn überlassen. Seine Frau war schon vor Jahren gestorben. Um der Einsamkeit zu entgehen, begab er sich oft stundenlang zum Hafen, dem bunten Treiben hier zuzusehen. Und so hatte das Schicksal es gewollt, dass Nicolas und er sich begegneten.

      Costorkos nahm den jungen Mann voller Mitleid bei sich auf. Nicolas erzählte ihm davon, wo er aufgewachsen und was seiner Familie zugestoßen war. Und dass er sich auf dem Weg ins Heilige Land befand, seinen ehemaligen Dienstherrn zu finden. Der Grieche hatte Gefallen an dem Jungen gefunden und gewährte ihn über Wochen hin Gastfreundschaft, ohne etwas dafür haben zu wollen. Nicolas vertrieb ihm die Einsamkeit mit seinen Geschichten vom Lande der Franken. Hier wurde alles so genannt, was jenseits des Mittelmeeres und der Alpen war. Er erzählte von Kaiser Barbarossa und seinem Großvater, der unter diesem gedient hatte. Und er erzählte vom Markgrafen Albrecht. Costorkos versicherte ihm, dass es auf der Welt überall gleich zuginge und dass es allerorten Schurken aber auch viel Gutes gäbe. Und so ging die Zeit dahin, in der Nicolas die unbeschwertesten Tage seines ganzen bisherigen Lebens genoss. Doch letztlich kam die Stunde, in der es hieß, Abschied zu nehmen.

      Am Abend zuvor hatte ein großes Handelsschiff im Hafen angelegt, das auf direktem Wege nach Akkon war. Wie es das Glück wollte, kannte sein Gönner den Eigner der Galeere und handelte für Nicolas eine Passage nach Palästina aus. So schwer Nicolas auch der Abschied von dem alten gütigen Mann fiel, den er sehr ins Herz geschlossen hatte, so glücklich war er doch darüber, endlich ans Ziel zu gelangen.

      „Ich danke Euch sehr für alles, was Ihr mir hier habt angedeihen lassen“, sagte Nicolas zu Costorkos. „Noch nie in meinem Leben hat mir jemand soviel Liebe gegeben, wie Ihr. Das werde ich niemals vergessen.“

      „Geh mit Gott, der auch der meine ist, mein Junge Und diene deinem Herrn im Heiligen Land zum Guten, auf dass wir das Grab unseres Herrn Jesus Christus auf immer beschützen können. Möge Jerusalem eines Tages wieder in die Hände der Christenheit fallen. Mutige junge Männer wie du, geben mir Hoffnung.“

      Der Grieche schloss Nicolas kurz in die Arme, dann schob er ihn in Richtung Schiffssteg. Von Bord aus winkte Nicolas dem Alten, in dessen Augen er es verdächtig glitzern zu sehen glaubte. Dann hieß es „Leinen los!“ und das Schiff setzte sich langsam unter Ächzen in Bewegung. Bald war es aus dem Hafen heraus und nahm langsam an Fahrt auf. Ein leichter stetiger Wind trieb es immer weiter aufs Meer hinaus, bis der Hafen von Aslan Limani nur noch ganz wage zu sehen war und Nicolas einer ungewissen Zukunft entgegenfuhr.

      Er betete in seiner Angst vor erneuter Seekrankheit leise zu Gott, in der Hoffnung, dass der ihn vielleicht doch erhören und die Überfahrt über das offene Meer diesmal für ihn besser ablaufen würde, ohne das ein Sturm ihm erneut das Leben zur Hölle machte.

      Und der liebe Gott schien es gut mit ihm zu meinen; nach vier langen Wochen kam Akkon in Sicht.

      Kapitel 12

       Akkon

       Sommer 1195

      Nach dem Verlust der Stadt Jerusalem an Saladin im Jahre 1187 war Akkon zur Hauptstadt des Königreichs Jerusalem geworden. Hier befand sich auch der Sitz des Hochmeisters des Deutschen Ordens.

      Dietrich hielt sich bereits seit Mai in Akkon auf. Obwohl er vor dem Reichstag in Bari den Kaiser verlassen hatte, wollte er dessen Bemühungen, den Orden als militärische Organisation für seine Kreuzzugszwecke einzuspannen, unterstützen. Vielleicht gelang es ihm ja, den Kaiser doch noch umzustimmen, dass er ihm die Markgrafenkrone gab und sein Bruder Albrecht den Kürzeren zog. Er musste nur alles zur Zufriedenheit des Kaisers vorantreiben. Er würde es Heinrich schon beweisen, dass er der bessere Kandidat für die Markgrafenwürde war.

      Es war ein heißer Junitag. Dietrich saß an seinem Schreibtisch und sah einige Papiere durch. Als es klopfte, fuhr er erschrocken zusammen. Sehr selten kam es vor, dass er während seiner Arbeit gestört wurde.

      „Was gibt`s?“, fragte er deshalb auch ungehalten.

      „Herr, der Bruder Pförtner schickt mich. Es ist ein Besucher für Euch unten“, kam es unsicher von der anderen Seite der Tür.

      „Soll warten“, antwortete Dietrich, schon wieder in die Lektüre seiner Korrespondenz vertieft.

      „Wie Ihr befehlt, Herr“, sagte der Diener und wunderte sich darüber, dass sein Herr nicht einmal den Namen seines Besuchers wissen wollte. Doch der Graf hörte ihn bereits nicht mehr.

      Die Sonne stand inzwischen hoch am Himmel und die Hitze fand sogar Eingang in die sonst so kühlen Räume des Ordenshauses. Auf dem Tisch stapelten sich etliche Briefe. Dietrich wischte sich den Schweiß von der Stirn, nahm die hübsche kleine Glocke, die vor ihm aus dem Tisch stand, zur Hand und läutete. Welch nette Erfindung, dachte er bei sich. Fast augenblicklich erschien der Laienbruder, der dem Grafen bei seiner Arbeit behilflich war.

      „Bruder Johannes, bringt mir etwas Wein. Die Hitze heute ist unerträglich.“ Dietrich zögerte. Da war doch noch irgendetwas gewesen. Er dachte angestrengt nach.

      „Sag, was wollte der Diener vorhin von mir? Hat er nicht etwas von einem Besucher gefaselt?“

      „In der Tat, Euer Gnaden“, antwortete der Mann. „Unten im Empfangsraum wartet seit geraumer Zeit ein junger Mann und wünscht Euch zu sprechen. Da er seine Identität nicht nachweisen konnte, haben wir ihn in die Kammer rechts neben der Tür gebracht.“ Johannes grinste.

      „Schick ihn