>>Wie konntest du es wagen zu husten<<, schrie der Fürst Malur an, der kleinlaut einen Schritt aus der Reihe in den Vordergrund machte.<<
>>Ich, ich, ich ...<<, stotterte er und wurde sogleich harsch zurechtgewiesen.
>>Hör zu stottern auf!<<, schrie er cholerisch.
>>Du wirst es sein, der herausfindet, wo dieses Kind geboren wird. Suche überall nach dem, was nicht ausgesprochen wurde und finde die Antwort! Wage es nicht wieder vor meine Augen zu treten, bis du weißt, was zu tun ist. Verfolge jede Spur, auch die, die in die Menschenwelt führt! Achte darauf, dass dich dort keiner entdeckt! Du weißt, dass ich dort drüben keine Macht habe. Setze den Djenn auf, so wirst du unsichtbar, damit dich keiner sehen kann! Lege dort, wo du eine Spur findest, einen Mahelia-Stein aus! So erhalte ich die Möglichkeit, immer wieder einen Blick in die Menschenwelt werfen zu können, auch wenn ich sie jetzt noch nicht betreten kann.<< Malur nickte kleinlaut.
>>Mein Herr und Meister, ich werde es herausfinden und wieder gutmachen, was ich verdorben habe.<< Der Fürst ließ einen Beutel schweben, der sich Malur vor die Füße legte.
>>Nimm ihn!<<, zischte er boshaft.
>>Er ist gefüllt mit Mahelia-Steinen. Nun geh!<<, fuhr ihn der Fürst an. Malur trat zurück in die Reihe der Sieben und verneigte sich demütig.
>>Für euch anderen Sechs heißt das aber nicht, dass ihr euch ausruhen dürft. Nein, ihr habt eure Augen und Ohren offen zu halten und mich bei jedem auch nur so kleinen Hinweis zu benachrichtigen!<<, sprach er zornig, setzte sich auf seinen steinernen Thron und befahl den Torwächtern mit nur einer kleinen Handbewegung seine Gewölbe zu verlassen.
Malurs Suche begann sofort, da er aber erst in Miramahelia zu suchen anfing, blieb ihm verborgen, was sich in der Zwischenzeit in der Menschenwelt abspielte.
Ein Unwetter
Auch in Eulalia wurde immer deutlicher, dass das, was sich an Unruhe dort zusammengebraut hatte immer stärker wurde. Seit mehreren Tagen schon herrschte in der Luft diese eigenartige Spannung, die nicht erklärbar war, auch nicht damit, dass man eifrig für den Silvesterabend vorbereitete. Trotz leichten Schneefalls herrschte auf den Straßen großes Gewimmel. Die dünne Schneeschicht lag nur ganz eben auf den Gehwegen und hüllte die Stadt ein, sodass man das Gefühl hatte, mitten in einem Traum zu sein. Alles in den Schaufenstern war herrlich bunt geschmückt. Girlanden, Luftschlangen, Lampions und Lichterketten, die aufblinkten, luden zum Einkaufen ein.
Die Stadtbewohner waren natürlich schon fleißig am Werkeln. Viele Mütter und Omas fingen schon vormittags wunderbar zu backen an, sodass aus allen Londoner Schornsteinen helle Rauchschwaden quollen. Durch die Kälte schienen sie besonders dicht, fast wie Watte. Dem leckeren Duft von Krapfen und Zuckergebäck konnten auch die Katzen nicht widerstehen. Bei dem Aroma spazierten sie umso lieber auf den Dächern und Schornsteinblechen hin und her, um sich ihre kalten feuchten Tatzen aufzuwärmen. Außerdem konnte man von hier oben prima beobachten, wie die Menschen sich auf den Weg machten, um ihre letzten Erledigungen für den Silvesterabend vorzunehmen. Vom Tischfeuerwerk bis zu laut tosenden Knallern und Raketen wurde einfach alles gekauft. Die Eulalen konnten ja nicht wissen, dass der Brauch, das neue Jahr mit Krach und viel Getöse einzuleiten, um böse Geister zu vertreiben, totaler Irrglaube war.
Eigentlich lief bis ungefähr 14 Uhr des Silvestertages noch alles ganz normal, als sich plötzlich am Himmel etwas Unvorhergesehenes abspielte. Der Mond schob sich vor die Sonne und verdunkelte alles. Die Katzen in den Gassen und auf den Dächern hörten zu maunzen auf. Menschen blieben auf den Straßen stehen und wunderten sich, warum es ganz plötzlich so dunkel geworden war, liefen dann aber zu ihren Häusern, um dort weiterzumachen, wo sie stehen geblieben waren. Kurzum störten sie sich nicht weiter an diesem Phänomen. So auch der Bonbonhersteller Appelquee. Er produzierte noch die letzte Spezialmischung Silvesterkaramellen für seine Familie und der Zauberwarenhändler Dudemaker erprobte für die Feier zu Hause einige spaßige Artikel seines Sortiments. Der Buchhändler Prittel jedoch dachte nicht daran an Silvester zu lange zu arbeiten und schloss schon um 16 Uhr seinen Laden, um seiner hochschwangeren Frau noch die gewünschten sauren Gurken und einen riesigen Korb mit Süßigkeiten für zwischendurch zu besorgen. Er selbst gönnte sich noch ein paar Manschettenknöpfe aus reinem Sterlingsilber. Ja, Mr. Prittel wusste, was gut aussah und man kann sagen, dass er ein richtiges Faible für Schmuck hatte und ihn sehr gerne trug. Er selbst behauptet von sich, es unterstreiche seinen Typ, was auch immer das bedeuten sollte. Zum romantischen Silvesteressen zu zweit gehörte es für ihn außerdem einfach dazu, sich in Schale zu werfen.
Stunden vergingen, mittlerweile war es 21 Uhr abends und die Gassen waren wie leer gefegt. Wenn man von außen in die Fenster schaute, sah man schon viele Familien an ihren Tischen sitzen, in der Erwartung, dass die Mütter das leckere Essen anrichten würden. Von gebratenen Enten mit Rotkohl und Kartoffelklößen bis hin zu flambierten Pfannkuchen gab es einfach alles, was das Herz begehrt, sogar Erdbeereisbomben mit Wunderkerzen. Andere Familien wiederum waren schon mit dem Essen fertig und fingen mit einem kleinen Tischfeuerwerk oder Gesellschaftsspielchen an. Wenn man gemeinsam gemütlich zusammensaß und einen Blick durch das Fenster warf, bemerkte man in dem Lichte der Straßenlaternen, wie sich draußen ein leichtes Schneewehen anbahnte.
Auch Mr. und Mrs. Prittel saßen in Ihrem Esszimmer. Beide hatten sich ihre beste Abendrobe angezogen. Er trug einen schicken, schwarz-rot karierten Anzug mit den neuen Manschettenknöpfen und sie ein original Designer Schwangerschaftskleid von Prölle und Knöppke aus grünem Samt.
>>Schatz, du siehst ja richtig bezaubernd aus<<, staunte Mr. Prittel, der gar nicht damit gerechnet hatte, dass seine hochschwangere Frau, die mittlerweile die Figur einer trächtigen Kuh hatte, in das Kleid passen würde.
>>Was soll denn das heißen Robert?<<, sagte sie entrüstet und bekam von jetzt auf gleich einen puterroten Wutkopf. Seine überraschten Blicke waren wohl zu eindeutig.
>>Bin ich dir im hochschwangeren Zustand etwa nicht mehr hübsch genug? Nur weil ich schwanger bin, heißt das noch lange nicht, dass man in grobem Sackleinen herumlaufen muss. Du tust ja geradeso, als würde ich nichts anderes mehr tragen können<<, meckerte sie und warf ihr schwarzes lockiges Haar schnippisch über die Schulter.
>>Außer, dass ich beim Duschen nicht mehr meine Füße sehen und mir nicht mehr alleine die Schnürsenkel zubinden kann, hat sich an mir definitiv nichts verändert<<, zickte sie herum. Das war eine klare Ansage. Mr. Prittel traute sich deshalb schon fast gar nicht mehr einen Laut von sich zu geben, tat es aber dann doch, damit der Abend noch ein nettes Ende nehmen würde.
>>So war das doch gar nicht gemeint, mein Schatz<<, sprach er mit ruhiger Stimme.
>>Wie denn sonst?<<, schnaubte sie. Jetzt durfte er kein verkehrtes Wort mehr in den Mund nehmen, sonst wäre seine Frau explodiert. Seit sie schwanger war, hatte sie nämlich solche unberechenbaren Launen, dass selbst ihre Schüler in der Schule darunter zu leiden hatten. Letztes Mal in der Schule, als die Klasse nicht ruhig war, konnte sie sich nicht mehr zurückhalten. Erst flogen kleine Kreidestücke und dann ein Schlüsselbund. Zum Glück wurde kein Kind getroffen! Aber es kam noch schlimmer. Bei Schülern, die herum kippelten, nahm sie die Heißklebepistole und fixierte den Stuhl am Boden. Wippten sie dann immer noch auf ihm herum, nietete sie in ihrem Brass die Hosen der Zappelphilipps mit einem Tacker fest. Das ging natürlich gar nicht und so hatte der Schulleiter ihr verständnisvoller Weise umgehend bis zur Entbindung freigegeben. Jetzt kann man sich ungefähr vorstellen, warum Mr. Prittel so vorsichtig sein musste, wenn er den Abend noch friedlich verbringen wollte.
>>Roisin, meine Prinzessin, beruhige dich doch! Du hast mich völlig falsch verstanden. Ich finde dich nach wie vor bezaubernd und alle anderen Männer würden mich beneiden, wenn sie sehen würden, wie sehr dieser grüne Samt deine