>>Nun ist es soweit, wir müssen ihn wecken<<, sagte Gwent und schaute seinen Gefährten auffordernd an.
Horwen klopfte mit dem goldenen Ring an das hölzerne Gesicht. Der Baum grummelte, dann riss er ruckartig die Augen auf. Seine Gesichtszüge sahen gefährlich grimmig aus.
>>Wer seid ihr und was wünscht ihr?<<, sprach er mit furchteinflößender Stimme.
>>Wir sind Diener des Fürsten der Finsternis und haben ihm eine wichtige Nachricht zu überbringen<<, sprach Horwen, der Dank des Gnutzes plötzlich nur so vor Mut strotzte.
>>Keine Nachricht kann so wichtig sein, dass man den Meister stört!<<, rügte er die beiden in einem harschen Ton.
>>Doch!<<, entgegnete Horwen, >>unsere Nachricht ist es. Also mach uns den Weg frei, sonst wirst du dafür bestraft werden, wenn er erfährt, dass du uns den Zutritt zu ihm nicht gewähren wolltest!<< Der Baum fing an in ein tiefes Gelächter zu verfallen, denn er glaubte ihnen nicht.
>>So so, ihr droht mir<<, spottete er lachend, dass die Äste wackelten und die Feuergeister auf und ab wippten. Irgendwie fand der Baum die Drohung belustigend und den Mut der beiden beeindruckend dreist.
>>Nun gut, ihr beiden Helden, ich werde euch den Weg freigeben. Habt ihr aber keine Nachricht, die von einer so ungeheuren Bedeutung ist, wie ihr behauptet, werdet ihr hier nicht mehr lebend herauskommen. Er ist erbarmungslos.<<
>>Das wissen wir<<, sprach Horwen und sah Gwent durchdringend an.
>>Damit ihr Euch nicht verlauft, dürft ihr zwei Feuergeister mitnehmen. Sie werden euch den Weg weisen.<<
Nun war es soweit, gleich sollte sich der geheime Eingang zum Reich der Finsternis öffnen. Die Morgos stellten sich vor Umra, der schloss seine Augen und riss seinen riesengroßen breiten Mund zu einem Tor auf. In die Tiefe des Baumes eingetreten, drehten sie sich kurz noch einmal um, dann erschallte lautstark seine brummige Stimme.
>>Wenn ihr euch nicht sicher seid, habt ihr jetzt noch die letzte Chance umzukehren.<< Doch Gwent und Horwen verneinten, sodass sich der Eingang schloss und es stockfinster wurde. Nur das schwache Licht der Feuergeister vor ihnen wies den Weg ins Ungewisse des Erdinneren. Dorthin schien es endlos und je weiter sie vor drangen, desto heißer schlugen ihnen die Luftmassen entgegen. Doch nach einer kurzen Weile veränderte sich etwas. Der Boden wurde steiniger und bebte, dann riss mit einem Mal plötzlich das Gestein unter ihren Füßen. Ein riesiger Spalt tat sich auf, sodass Gwent das Gleichgewicht verlor, abrutschte und sich im letzten Moment mit den Händen an der rissigen Wand festklammern konnte.
>>Halt mich!<<, schrie er.
>>Nicht loslassen Gwent, ich hab dich gleich!<<
>>Ich kann nicht mehr! Ich rutsche ab!<<
Im letzten Augenblick gelang es Horwen ihn zu packen und hochzuziehen.
>>Puh, dass war knapp<<, japste Gwent.
>>Das ist ja noch mal gerade gut gegangen<<, prustete Horwen und strich sich über sein dichtes Fell. Als beide wieder am Rande des steinigen Weges standen und hinunter schauten sahen sie, wie sich ganz tief unten glühend heißes flüssiges Gestein am Spalt hocharbeitete. Nun musste es wirklich schnell gehen. Hier durfte man sich nicht allzu lange aufhalten.
Die Feuergeister eilten zügig an der Wand entlang. Die gerade eben noch unerträgliche Hitze schlug schlagartig um, was ein sicheres Zeichen dafür war, dass es nicht mehr weit sein konnte. Die gegenwärtige Kälte des Fürsten durchdrang selbst das dickste Gestein. Sogar der Spalt im Boden schloss sich wieder und man wird es sich kaum vorstellen können, aber die Morgos mit ihrem dichten Pelz fingen bitterlich zu frieren an. Direkt vor einer kargen Felswand war die Kälte am schlimmsten. Dort glitten die Feuergeister mit ihren heißen Flammen an ihr vorbei. Das Gestein schob sich daraufhin auseinander und ein graues Gewölbe, das ganz tief nach hinten führte, kam zum Vorschein.
>>Ab hier müsst ihr nun alleine gehen. Unsere Reise ist hier zu Ende<<, sprachen sie zeitgleich, wie aus einem Munde und in der gleichen Stimmlage.
>>Aber warum?<<, sagte Gwent zu den beiden.
>>Wir dürfen ihn nicht stören. In den Räumen der Einsamkeit gilt das als oberstes Gebot. Außerdem können wir ihn auch gar nicht erreichen, denn nur, wer tatsächlich eine Nachricht von absoluter Dringlichkeit hat, ist in der Lage sie zu durchqueren. Es haben schon einige Dummköpfe so ihr Leben verwirkt. Sie haben versucht unter einem falschen Vorwand diese geheimen Gewölbe auszukundschaften, doch sie sind kläglich daran gescheitert. Diese Räume kann man nicht täuschen. Ohne Botschaft sind sie nicht zu bezwingen. Man kommt dort nicht von der Stelle und der Weg scheint ewig lang. Viele haben sich dort totgelaufen oder sind, als sie umdrehen wollten, zur Salzsäule erstarrt. Ihr werdet sie sehen. Auf diesem Wege gibt es kein zurück, nur ein Nach-Vorne, also dreht euch nicht um. Egal wie schlimm eure Gefühle sein werden, sprecht kein Wort!<<, mahnten beide.
>>Seid ihr tatsächlich angelangt, so drückt mit aller Kraft das Tor auf!<<
Gwent und Horwen schluckten einmal kräftig. Ihnen war klar, dass sie es einfach schaffen mussten, denn für die Unterwelt und ihren Gebieter war diese Nachricht wichtig. Ohne zu zögern betraten sie die Räume der Einsamkeit. Sofort durchzog die beiden eine tiefe innere Traurigkeit und Schwere. Mit einem entschlossen starren Blick, gerichtet auf das am Ende des Gewölbes liegende Tor, liefen sie den langen Gang entlang. Zuerst ging es zügig, doch nachdem sie ungefähr drei Viertel geschafft hatten, wurde es immer schwerer die Füße zu heben. Die Kräfte fingen zu schwinden an und jede Bewegung wurde langsam aber sicher zu einer Qual, doch gestöhnt oder geächzt werden durfte nicht, das wäre ihr Verderben gewesen. Gwent quälte sich und versuchte mit seinen beiden Händen die Füße vom Boden anzuheben, es gelang ihm nur sehr schwer, aber es funktionierte. Horwen machte es ihm nach und dann standen sie plötzlich auch schon vor dem großen Tor. Mit aller Kraft drückten sie dagegen, genau so, wie es ihnen gesagt wurde, doch nichts tat sich. Verzweifelt probierten sie es immer wieder, bis ihnen vor lauter Erschöpfung die Beine wegsackten. Die Traurigkeit füllte ihre Augen mit dicken Tränen. Ohnmächtig sahen sie sich an. Ihre Blicke sagten mehr als 1000 Worte und als sie sich in Morgisch voneinander verabschieden wollten, weil sie dachten, dass es nun mit ihnen vorbei sein würde, kullerten dicke Tränen von ihren Wangen. Ein letztes Mal wischten sie sich mit ihrer Hand über das Gesicht. Doch gerade als sie sich umdrehen wollten, um zur Salzsäule zu erstarren, geschah das Unglaubliche. Die mit Tränen benetzten Händen berührten zufälliger Weise das Tor und wie von Geisterhand, ohne jeglichen Druck, sprang es einfach auf. Da war es, dass manifestierte Böse. Nun standen sie ihm direkt gegenüber, dem Herrn der Finsternis.
Eine schwarze, riesengroße Gestalt mit Kutte saß auf einem Thron aus grauem Gestein. Neben ihr rechts und links Valare, eine Art Höllenhunde, mit riesigen Reißzähnen, glutroten Augen und Flügeln. Als sie Gwent und Horwen erblickten, richteten sie sich auf, als würden sie jeden Augenblick angreifen wollen. Erst ein schriller Ton aus dem Dunkeln pfiff sie zurück, sodass sie sich unverzüglich setzten.
>>Wer seid ihr, dass ihr es wagt, mich hier in meiner Einsamkeit zu stören?<<, zischte eine Stimme, die von der Gestalt auszugehen schien. Horwen trat einen Schritt nach vorne.
>>Wir sind Morgos und gehören zu eurem treu ergebenen Volk. Wir haben diesen langen Weg auf uns genommen, um euch eine Nachricht zu überbringen, die wir durch Zufall erfahren haben.<<
>>Hört, hört!<<, sprach er gehässig und strich seinen Valaren über die Köpfe.
>>Meine treuen Diener haben Neuigkeiten für mich, ha ha ha. Das habe ich ja schon lange nicht mehr gehört.<<
Sein boshaftes Gelächter ließ die Morgos unberührt und gleichgültig. Kein Zittern und kein Zähne klappern war bemerkbar. Die Wirkung des Gnutzes war wirklich erstaunlich und brachte selbst den Fürsten der Finsternis ins Stutzen.
>>Ich