Alpha & Omega. R. R. Alval. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: R. R. Alval
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738072808
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es nicht weh tun würde. Ihr Fall wurde jedoch langsamer, als würde sie bremsen.

      War sie verblödet?

      Sowas gab`s nicht!

      Noch bevor sie aus dem Staunen herauskam, wurde sie von zwei starken Armen und den Worten ‚Törichtes Weib‘ empfangen. Ryan. Was immer er getan hatte, sie lebte noch. Sie hatte tatsächlich den Sprung vom Balkon überlebt. „Lass mich runter!“, fauchte sie ihn wütend an. Diesmal lagen in ihrem Blick nur Hass und tiefer Abscheu. Mit schnellen Schritten eilte sie auf den Hauseingang zu, dicht gefolgt von Ryan. „Was wird das?“, fragte er amüsiert. „Was wohl, ich springe nochmal!“ Sie wusste nicht, ob sie nochmal die nötige geistige Umnachtung für dieses Vorhaben fand. Aber sie kam sowieso nicht zur Tür. Seine Hände umfingen ihre Oberarme wie Schraubstöcke. „Du kannst das so oft tun, wie du willst. Aber du wirst dich nicht umbringen!“ Er machte sich lustig über sie? Sie hasste ihn. Wie hatte sie je der Meinung sein können, dieses Ungeheuer zu lieben? Er war noch nicht in diese ominöse Leere gefallen, wie Leroy es genannt hatte. Trotzdem war er bereits ein eiskaltes Monster. Leroy ebenfalls. Es verwunderte sie kaum, dass er auch ohne Auto hierhergekommen war, als er sie durch die Straße schleifte und dann in den Sportwagen schob. Der, den sie für ihre Flucht benutzt htte. Nachdem er sie sogar beim Fallen beeinflussen konnte, wie viel mehr musste er an Fähigkeiten haben? Er legte ihr den Gurt um, schloss ihre Tür, lief um das Auto herum, stieg ebenfalls ein und fuhr mit rasantem Tempo los.

      Regina sah kaum die Umgebung an sich vorbeiziehen.

      In ihr herrschte gähnende Leere.

      4

      Nach ein paar Stunden Freiheit war sie wieder genau da, wo sie nicht sein wollte.

      In seinem Haus. In diesem blöden Alptraummärchen von Schlafzimmer.

      Eingeschlossen.

      Während sie stumm vor dem Fenster stand und in den klaren Nachthimmel starrte, schwirrten allerlei Fragen durch ihren Kopf. Hatte Erik wirklich keinerlei Erinnerung mehr an sie? War Leroy noch bei ihm? Ließ er ihn am Leben? An wen konnte sie sich wenden, wenn ihr die Flucht aus diesem goldenen, aber eisigen Käfig ein zweites Mal gelingen würde? Simone vielleicht? Sie kannte sie seit dem Studium und durfte sie durchaus als gute Bekannte bezeichnen. Angenommen, sie könnte tatsächlich bei Simone unterschlüpfen: Wie lang wäre sie sicher? Und vor allem, wäre Simone sicher? Sie stellte sich auch andere Fragen: Wer zum Beispiel ihre Bewegungsunfähigkeit verursacht hatte oder wie Leroy ihr unauffällig zu Erik hatte folgen können. Warum hatte sie ihn nicht bemerkt? Die Fragen, auf die sie keine Antworten fand, lenkten sie vom Verlust ihres Freundes ein wenig ab. Doch noch hatte sie zumindest die Hoffnung, dass er lebte. Solange sie in diesem Desaster feststecke, war es vielleicht sogar besser für ihn, wenn er sich nicht an sie erinnerte. Aber war es auch gut für sie? Isoliert von allem, was ihr vertraut war?

      Mürrisch schüttelte sie den Kopf.

      Langsam stieg die Wut wieder in ihr auf. Und mit ihr der Hass auf Ryan. Der Hass auf Leroy. Und auf das, was sie waren. Wie hatte sie sich nur in so ein abscheuliches Geschöpf verlieben können? Je mehr sie darüber nachdachte, umso sicherer war sie, dass auch dies ein Tun der Vampire sein musste.

      Freilich, sie waren überirdisch schön. Alle beide. Und ja, ihr Herz hatte wie wild geklopft, als sie Ryan das erste Mal begegnet war. Wie sie jetzt wusste, hatte er damals lediglich ihr Geld gewollt.

      Jetzt wollte er sie, weil sie seine Seelengefährtin war. „Zum Teufel mit ihm!“, schrie sie das Fenster an und hämmerte dagegen. Es erstaunte sie nicht, dass es nicht zersprang. Er hatte wohl von Anfang an sicher gehen wollen, dass sie nicht von ihm davon laufen konnte. Dass es ihr tatsächlich gelungen war, konnte zweierlei Gründe haben. Erstens: Er wollte ihr vorführen, was mit allen passierte, die mit ihr zu tun hatten.

      Zweitens: Er hatte ihre Dickköpfigkeit unterschätzt.

      ---

      Eine Woche verging, in der Regina kein einziges Wort mit Ryan wechselte. Er stellte ihr kommentarlos Essen ins Zimmer, ließ sie zweimal am Tag ins Bad und hatte aus ihrer Wohnung den Laptop geholt. Somit fiel ihr zumindest die Decke nicht komplett auf den Kopf, und sie konnte den Termin beim Verlag einhalten. Jeden Tag hatte es den Anschein, als würde Ryan länger in ihrer Nähe verweilen. Als würde er öfter rein zufällig ihren Arm oder ihre Finger berühren. Einmal hatte sie unbewusst in seine Augen geschaut, in denen ein Glühen lag – weitaus intensiver als an dem Tag, an dem er ihr gezeigt hatte, was er wirklich war. Wenn er ihr Blut trinken wollte, war er schief gewickelt. Sie würde es nicht zulassen. Sie wusste zwar nicht, wie sie ihn möglicherweise davon abhalten konnte, aber sie würde es versuchen. Bei Gott, sie würde sich wehren wie eine tollwütige Wildkatze.

      Eine weitere Woche verging, in der sie ihn ignorierte. Sie tippte an ihrem Buch, aß schweigend das bereitgestellte Essen – wenn auch jeden Tag weniger – mied seine glühenden Augen und versuchte, seine immer wieder zufälligen Berührungen zu ignorieren. Ihr fehlte jemand zum Reden; ihr fehlte Erik. Tränen liefen über ihre Wangen, während sie weiter mit flinken Fingern über die Tastatur huschte. Erst als sie den Bildschirm nur noch verschwommen erkennen konnte, setzte sie ihre Brille ab und wischte die Tränen ab. Sie fühlte sich unendlich allein.

      Sie brauchte frische Luft. Einen Ortswechsel. Irgendwas!

      Gut. Sie musste sich eingestehen, dass sie auch sonst nie sonderlich oft aus dem Haus gegangen war, wenn sie schrieb. Aber es hatte zumindest die Möglichkeit bestanden, es jederzeit zu tun. Außerdem hatte sie Erik anrufen können. Erik… Was, wenn Ryan und Leroy sie angelogen hatten? Wenn Erik sie gar nicht vergessen hatte? Unsicher schwenkte ihre Hand zum Handy und verharrte. Eine Sekunde. Zwei. Drei. Dann nahm sie es in die Hand, wählte Eriks Nummer und zögerte erneut. Scheiß drauf! Sie musste es wissen. Das Freizeichen ertönte ähnlich einem Countdown, ehe Erik endlich ranging. „Busch.“ Erleichtert atmete Regina aus. „Hi, ich bin‘s. Bei dir alles gut?“ Kurz herrschte Schweigen am anderen Ende. „Bei mir ist alles in Ordnung. Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“ Regina schluckte. „Regina. Regina Lohmann. Erik?“ Vielleicht hatte sie sich ja aus Versehen verwählt. Genau… weil Eriks Nummer auch überhaupt nicht eingespeichert war!

      „Tut mir leid, Sie müssen mich verwechseln. Schönen Tag noch.“ Er legte auf. Das war’s dann, dachte Regina, Erik ist wirklich weg. Aber immerhin lebt er und es geht ihm gut. Ein kleiner Trost. Jetzt konnte sie sich auf sich selbst konzentrieren. Egal, wie sehr ihr Erik auch fehlte.

      Entschlossen stand sie auf, streckte sich und ging zur Tür. Ryans Laune war diese Woche zusehends schlimmer geworden. Man könnte meinen, er sei auf einem Tiefpunkt. Vielleicht schloss er auch deshalb die Tür nicht mehr ab. Zielstrebig ging sie nach unten und sah sich um. Schließlich blieb sie vor dem Buchregal stehen und las sich die Titel auf den Einbänden genau durch. Nichts davon weckte ihr Interesse. Ihre Augen glitten mit sehnsüchtigem Blick zum Fenster. Ihre Beine liefen von allein darauf zu, ihre Hände hoben sich zum Riegel und öffneten es. Es schwang tatsächlich auf. Mit geschlossenen Augen und tief einatmend, ein verklärtes Lächeln auf dem Gesicht, genoss Regina die letzten Strahlen der Oktobersonne. Sie wusste nicht, wie lang sie dort gestanden hatte. Sie fühlte sich vollkommen entspannt und glücklich, als sich zwei Hände auf ihre Schultern legten und sie erschrocken zusammenzuckte. „Genießt du den Ausblick oder hast du vor, zu springen?“, raunte Ryan ihr ins Ohr.

      Ihr Körper versteifte sich und jeder Anflug von Glück wich aus ihrem Gesicht. Sie antwortete ihm nicht, sondern schüttelte ihn unsanft von sich ab, drehte sich kurz zu ihm um, warf ihm ihren eingeübten Ich-wünsche-dir-den-Tod-Blick zu und ging zur Treppe. „Du willst nicht mehr mit mir reden, hm?“, fragte er so dicht hinter ihr, dass sie beinahe die ersten Stufen hinauf gesprungen wäre. Gekonnt überspielte sie ihren Schreck mit einer derartigen Gleichgültigkeit, die ihn zum Kochen brachte. „Regina!“, warnte er, „Ich kann auch anders.“ Oh ja, das kannst du! Geh doch in Weihwasser schwimmen. Oder koch dir eine Knoblauchsuppe! Unbeirrt lief sie weiter die Treppe nach oben. Sie hatte keine Ahnung, was einem Vampir wirklich schaden könnte. Bis vor Kurzem hatte sie auch angenommen, diese