„Die Tat wurde gestern kurz vor 18 Uhr in der Schindlergasse verübt. Der Täter hat sie angerempelt, beschimpft und ohne Vorwarnung dreimal auf sie eingestochen. Sie verstarb wenige Minuten später. Der Angreifer flüchtete. Es gibt aber einige interessante Aufnahmen, auf denen man den Kerl sehen kann, wenn auch nicht sehr deutlich, und Phantombilder, die anhand von Zeugenaussagen angefertigt wurden.“ Steiner legte eine Auswahl der Bilder, die mit der Kamera gemacht worden waren, und der Phantombilder auf die Glasplatte. Zeisler nahm sie und betrachtete sie Stück für Stück.
„Sieht aus, wie ein Ausländer. Bei uns kann der Mann nicht Kunde gewesen sein. Mit so einem ungepflegten Bart hätte er unseren Salon nie verlassen dürfen. Das wäre ja Geschäftsschädigung hoch drei.“
„Also kennen Sie diesen Typen nicht?“
„Parbleu!“ empörte sich der Maître. „Weder in unserem Salon noch in unserem privaten Umfeld verkehren Leute, die mit Messern auf junge Damen einstechen.“
Blöder Snob, dachte Harald. „Bleiben wir noch eben bei Ihrem persönlichen Wissen über Angela Jahn. Gab es vor oder zeitgleich zu Nille andere Verehrer Angelas?“
„Aber ich bitte Sie, Herr Hauptkommissar,“ gab sich Zeisler weiterhin arrogant. „Wir schnüffeln nicht hinter unserem Personal her. Dass sie mit Heiko Nille liiert war, wussten wir in erster Instanz von ihr selber. Später machten wir dann auch persönlich seine Bekanntschaft, da er sich dann auch seine Haare bei uns stylen ließ. Ein äußerst umgänglicher Mensch, muss ich zugeben. Ich glaube nicht, dass sie bei ihm in die falschen Hände geraten war. Außerdem denke ich, dass sie in den beiden Jahren, die sie bei uns war, bevor sie Heiko kennen lernte, keine tiefer gehenden Männerbekanntschaften gehabt hat. Dass dem nicht so gewesen sein dürfte, dafür gab es zwei Indikationen. Erstens ist sie nie mit diesem besonderen Blick morgens zum Dienst erschienen…“
„Besonderer Blick?“ hakte Steiner nach, der sehr wohl wusste, was gemeint war.
„Nun, diese glasig glücklichen Augen, die Frauen manchmal so haben.“ Dem Meister schien dieses Thema wenig zu behagen. „Na ja, und die zweite Indikation, die Männerbekanntschaften für eher unwahrscheinlich erscheinen lassen, leitet sich aus dem Getuschel der weiblichen Angestellten ab. Frauen können selten etwas für sich behalten. Schon am Tag, nachdem Nille in Angelas Leben getreten war, wussten meine Frau und ich darüber Bescheid, weil es die Angela den anderen Mädchen gesagt hatte und die es meiner Frau kolportierten. Hätte sie vorher eine ähnliche Bekanntschaft gemacht, wäre mir das wohl auch zu Ohren gekommen.“
„Stichwort die anderen Mädchen. Wie war denn das Verhältnis zwischen Angela und ihren Kolleginnen? Gab es Unstimmigkeiten? Man könnte sich vorstellen, dass ihre Kolleginnen ihr bei ihrer exponierten Stellung auch mit Neid begegneten.“
„Meine Frau und ich dulden keine Streitigkeiten im Salon. Käme so etwas vor, würden wir sofort dazwischen gehen. Das wissen die Angestellten. Das impliziert aber auch, dass ich Ihnen nichts Sinniges darüber sagen kann, ob es nicht doch Eifersüchteleien gegeben hat.“
„Sie gingen also davon aus, Frau Jahn wollte zum ersten März aus Ihren Diensten treten, um sich fürderhin besser ihrem zukünftigen Gatten widmen zu können.“
„Aber sicher doch,“ zeigte sich Zeisler ungehalten. „Der Mann hat doch genug Geld, eine Frau unterhalten zu können, von der er erwarten darf, dass sie rund um die Uhr für ihn da ist.“
„Interessante Einstellung,“ äußerte sich der Hauptkommissar. „Also ist bei Ihnen nie der Verdacht aufgekommen, die Frau Jahn könnte sich als Frisöse selbständig haben machen wollen?“
„Wie kommen Sie denn darauf? Mit einem einigermaßen begüterten Ehemann wäre das doch bestimmt abwegig, da überflüssig gewesen.“
„Finden Sie? Da bin ich aber anders informiert.“ Es schien Harald zu erheitern, dem Coiffeur einen mittelgroßen Schock zu bescheren, wenngleich er sich nicht sicher war, ob dieser nicht schon längst im Bilde war. „Frau Jahn hat ihren Tagesjob auf einen Halbtagsjob reduziert, weil sie mehr Zeit für organisatorische Tätigkeiten benötigte. Und die Kündigung hat effektiv damit zu tun, dass sie zum ersten März unweit von Ihrem Salon einen eigenen Salon eröffnen wollte. Das sollen Sie nicht mitbekommen haben?“
Der Meister war oder tat verwundert. „Angela sich selbständig machen? Dazu gehört doch mehr, als nur das Fach des Hairstylisten zu beherrschen. Wirtschaftliche Kompetenz, vertrauenswürdiges Personal, einen Anfangsbestand an Klientel…“
„Eben Maître, das scheint sie wohl alles allmählich und minutiös in die Wege leiten haben wollen. Dass sie geschäftstüchtig war, haben Sie ja selber gerade zum Ausdruck gebracht. Hätte sie sonst etwa Ihren Salon während Ihrer Abwesenheit leiten dürfen? Mehr beschäftigen mich da die beiden anderen Komponenten, die Sie hervorgehoben haben, nämlich das anzuwerbende Personal und die ersten Kunden. Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, hätte ich mich zuerst dort umgesehen, wo ich mich am besten auskenne, in dem Laden, in dem ich beschäftigt bin. Und schon wieder komme ich auf eine Ihrer Aussagen von vorhin zurück. Frauen, - gemeint war in diesem Fall Ihr weibliches Personal, nehme ich an -, können selten etwas für sich behalten. Bleiben Sie also dabei, nichts von Frau Jahns Vornehmen gewusst zu haben?“
Zeisler hob beide Arme mit ausgestreckten Händen in die Höhe. „Mein Gott, wenn ich so etwas geahnt hätte, hätte ich sie doch zur Rede gestellt. Wenn sich so etwas bewahrheitet hätte, hätte ich sie sofort entlassen, wenn nötig mit Fortzahlung ihres Gehaltes bis zum Tag des offiziellen Ausscheidens, wie es die Arbeitsgesetze vorsehen.“
„Womit Sie sich ihrer künftigen Konkurrenz immer noch nicht entledigt hätten,“ konkludierte Steiner und erntete dafür einen Blick, der ihn, wenn es machbar gewesen wäre, getötet hätte.
Heinz Schmidt kehrte von seinem Rundgang durchs Präsidium ins Assistentenbüro zurück und berichtete Ralf und Monika, was er dabei so alles gewahr geworden war.
„Der Name Heiko Nille ist den Kollegen von der SOKO Autodiebstahl nicht unbekannt. Sie werden des Kerls aber nicht habhaft. Sein Name ist hier und dort schon mal im Zusammenhang mit Autoaufbrüchen und Autodiebstählen gefallen. Aber alle Hinweise auf ihn waren so vage, dass man es sich nicht erlauben konnte, Hausdurchsuchungen bei ihm zu veranstalten. Man weiß auch, dass er beim Finanzamt mit einer weißen Weste dasteht. Das wiederum entnahm der Staatsanwaltschaft jegliche Möglichkeit, Nilles Telefone abhören zu lassen. Kurzum, man vermutet seine Beteiligung an Autodiebstählen, hat aber keine Handhabe, ihm auf die Schliche zu kommen.
„Hat man denn wenigstens seine Konten überprüfen können?“ fragte Frisch.
Heinz hielt seine Hand rechts von seinem Mund, als wollte er etwas mitteilen, was andere als seine beiden Kollegen nicht vernehmen sollten. Dabei waren sie sowieso unter sich. „Eigentlich hätten die von der SOKO das auch nicht gedurft, haben es aber trotzdem gemacht. Was über seine Konten läuft, ist clean. Natürlich hat man ihn auch einige Zeit observiert. Aber der Bursche bewegt sich einfach nicht. Will sagen, er lebt nach außen hin in den Tag hinein, ohne irgendwie ansonsten in Berührung mit der Ware zu kommen, die er verhökert.“
Nun erzählte Monika, von ihren Gesprächen mit den Eltern und rundete ihren Bericht mit den Worten ab: „Der alte Jahn ist allen Ernstes Vornehmens, nach Köln zu kommen, um uns bei unseren Ermittlungen auf die Finger zu schauen.“
Heinz brach in schadenfrohes Lachen aus, an dessen Ende er gluckste: „Da wird sich unser Chef aber richtig freuen. Vermutlich wird er ihn an die Unkel verweisen, damit die sich mit ihm abplagen muss.“
Der Kommissariatsleiter hatte sich von Maître André sämtliche Adressen seines Personals geben lassen, aber darauf verzichtet, die