Funzelmaier war uneinsichtig und begann seine Erläuterungen von vorn: "Wenn wir mit den soapers auf Augenhöhe reden wollen, brauchen wir diese Daten ...."
Schober unterbrach den Redefluss: "Mein lieber Herr Funzelmaier, ich werde mich intensiv für Ihr Anliegen engagieren und gleich Morgen früh mit Herrn Lübmüller ein Gespräch führen, ob und wie wir dieses wichtige Projekt weiterführen können. Ich sehe, es hat für Sie einen hohen Stellenwert! Lassen Sie uns doch heute erst mal das Tagesgeschäft erledigen". Funzelmaier war zufrieden, dieser Schober hatte ihn verstanden, zumindest dachte er das.
Beim jour fixé lief die Diskussion der Kundenkontakte über Funzelmaiers Mitarbeitern, Funzelmaier hielt sich sehr zurück, das Tagesgeschäft und Kunden interessierten ihn nicht wirklich. Er wurde sehr ruhig und konzentrierte sich auf seinen Aktenberg während die Mitarbeiter über Versuche beim Kunden, provisorische Tanklager und zusätzliche Verkaufsmengen sprachen. Schober traf Paul Sauerstein wieder, den kannte er von seiner Zeit bei Krauth. Sauerstein und weiteren Ingenieure betreuten Kunden und Anwendungen in die Papierindustrie. Daneben gab es den Kollegen Ewald Dreher, der war verantwortlich für Produktqualität und neue Produkte oder Produktvarianten bei Konzentration und Reinheit. Für die Aktivitäten bei Waschmitteln gab es einen Thomas Lindner und zu seiner Überraschung sogar Ingenieure, die für Kunden Tanklager und Dosiereinheiten errichteten, Dr. Moos und Herr Kaiser.
Nach einiger Zeit hatte Funzelmaier genug vom Sortieren, er lehnte sich zurück und schloss kurz darauf die Augen. Er schien zu schlafen, diese Gespräche über Kunden und Märkte waren langweilig. Seine Mitarbeiter schubsten sich an und grinsten.
Sauerstein sagte in die Runde: "Wir werden gleich zu einem für alle interessanten Thema kommen." Und deutlich lauter fuhr er fort: "Was die Lagerung angeht, wird von uns eine Entscheidung erwartet. Die Konkurrenz hat in Mannheim einen Lagertank in Edelstahl angeboten, der ein Volumen von 200 m³ besitzen soll. Wir dagegen bieten eine Batterie von vier 50 m³ Tanks aus Polyethylen an. Das Argument für dieses Angebot ist die Sicherheit", betonte er noch lauter.
Jetzt wurde Funzelmaier plötzlich hellwach, er setzte sich kerzengerade auf und sagte: "Bei der Sicherheit können wir keine Abstriche dulden! Das steht fest! Da gibt es Null Toleranz!" Jeder Satz war ein Ausrufezeichen, Funzelmaier war nicht nur wach, er redete sich in Rage: "Dem Dr. Haase von der Produktion hab ich letzthin schon gesagt, dass seine Tanks zu groß sind, viel zu gefährlich ist das, tausend Kubikmeter auf einmal zu lagern. Wenn da was passiert, nicht auszudenken ist das!"
Sein Mitarbeiter Kaiser warf ein: "Bei unserer Konkurrenz stehen Tanks mit 2.000 Kubikmeter Volumen, das ist dort normal und nach den gesetzlichen Regeln auch völlig in Ordnung, von staatlicher Seite abgenommen und zertifiziert. Alles was man braucht, ist eine Temperaturüberwachung, ein passendes Auffangbecken und eine gute Wasserversorgung zum Verdünnen im Gefahrenfall."
"Päpstlicher als der Papst sollten wir nicht sein", ergänzte Sauerstein, "Unser Angebot braucht nicht nur unverschämt viel Platz, es ist auch noch fast doppelt so teuer. Es wäre doch schade, wenn wir unsere technische Vorarbeit nicht nutzen und der Konkurrenz bei diesem Kunden die Tür weit öffnen, weil wir uns unflexibel zeigen."
Funzelmaier war sehr irritiert: "Aber sowas haben wir doch noch nie gemacht, so groß bauen wir sonst nicht", versuchte er zu argumentieren. "Noch im letzten Jahr haben wir es abgelehnt, sowas zu bauen. Denken Sie doch mal an das Risiko!"
"Das scheint beherrschbar zu sein", antwortete Kaiser, "unsere Konkurrenz hat uns letztes Jahr gerade deshalb auch drei Aufträge weggeschnappt."
"Drei Aufträge?" fragte Schober nach, "mit wie viel Volumen?"
"Nun, so etwa fünf Millionen Umsatz insgesamt", war Kaisers Antwort. "Wir können uns das leisten", fügte er sarkastisch hinzu.
Funzelmaier ließ das nicht gelten: "Wir machen bei der Sicherheit keine Kompromisse! Die Sicherheit geht vor, das ist unverrückbar ...." er begann seine Litanei von neuem.
Schober fiel ihm ins Wort: "Ich denke, wir sollten das alles nochmal sorgfältig abwägen, aber Umsatzverluste können wir uns nicht leisten. Kaiser, stellen Sie doch mal das Für und Wider zusammen, danach entscheiden wir!"
Zu Kaiser sagte er beim Hinausgehen: "Sie planen mal schnell ein anderes Angebot mit nur einem großen Tank!" Kaiser hatte damit kein Problem.
Schober hatte einen abendlichen Kommentar für Elsbeth: "Heute lief es wieder sehr gut für mich. Ich habe einen verträumten alten Herrn gefunden, der dringend zum Arbeiten gebracht werden muss. Genau das ist es, was mir hilft. Wenn ich diese Trödelei beende und das bei Unterholzer richtig bekannt mache, dann hat der wieder einen Beweis dafür, der Schober macht Dinge wahr, der redet nicht, der handelt!"
Am folgenden Tag sprach Schober mit Lübmüller wegen Funzelmaiers Plänen zum Personalab- oder -aufbau. Er beschloss das Thema erst mal vorsichtig anzugehen: "Ich war erstaunt, dass in Funzelmaiers Gruppe so wenig passiert ist", äußerte er und wartete auf Reaktion.
"Ja, der Funzelmaier hat auf Zeit gespielt und gehofft, Vorstand Unterholzer würde ihm helfen", bekam er zur Antwort. Lübmüller ergänzte: "Der Unterholzer hat sich aber in letzter Zeit bei dieser Art von Projekten sehr zurückgehalten. ich glaube, da hofft der Funzelmaier vergebens auf Unterstützung."
"Und was machen wir?" fragte Schober nach. "Eher nichts, uns sind die Hände gebunden", war Lübmüllers Antwort. "Es ist klar, zwanzig Prozent des Personals müssen gehen, nur bei den neuen, strategischen Projekten gibt es mehr Personal. Aber diese Stellen sind alle schon besetzt, wer zu lange wartet, schaut in die Röhre", er zuckte mit den Schultern, "da kann man nichts machen!" und betonte das 'kann'. Er fuhr fort: "Wissen Sie, der Chef von Funzelmaier ist der Dr. Holic, uns hier geht das nur indirekt etwas an. In Teilbereichen ist bei Funzelmaier ist ja schon etwas passiert, ich glaube der Dreher und der Sauerstein haben Mitarbeiter verloren. Aber um den Bereich Lindner muss sich zuerst der Holic kümmern, der berichtet an den Unterholzer!"
Funzelmaier war geschockt, als Schober ihm klar machte, der Personalabbau ist auch auf seinem geliebten Sektor der Waschversuche unvermeidbar. Schober betonte: "Ich habe in unserer Besprechung mit dem Vorstand für Sie gekämpft wie ein Löwe, aber es war einfach nicht mehr drin. Der Vorstand will den Abbau."
Wie sollte der Funzelmaier ihm nachweisen, dass er nichts gemacht hatte! Es war ganz einfach abgelaufen, er hatte bei der Besprechung kurz den Finger gehoben und das Problem eines noch nicht erfolgten Personalabbaus angesprochen. Dabei hielt er sich bedeckt und sagte nur 'mir ist zu Ohren gekommen'. Die vorhersehbare Order des Herrn Unterholzer zur Durchführung der Aktion kam so glatt und eindeutig, wie er sich das gedacht hatte.
Er hatte geantwortet: "Herr Dr. Unterholzer, nach Ihrer klaren Vorgabe werden ich mich sofort persönlich dafür einsetzen, dass rasch etwas geschieht und die verlorene Zeit nach Kräften aufgeholt wird." Jetzt konnte er sich bei Lübmüller, Pfleiderer und Unterholzer wieder als Macher präsentieren. Ein nicht erledigtes, verschlepptes Problem endlich der Lösung zuführen! Einen säumigen Vorgesetzten auf seine Verantwortung stoßen! Schober war zufrieden.
Schober gab Funzelmaier Vorgaben zur Abwicklung: "Zuerst reden Sie mal mit human resources, ob es irgendwo noch freie Stellen gibt. Dann klären Sie, wer alt genug ist für den Ruhestand. Mit denen muss sofort geredet werden."
"Aber meine Waschversuche ...", wand Funzelmaier ein. "Das müssen Sie durch ein Konzept zur Neuorientierung der Abteilung realisieren. Sie setzen die Prioritäten und Sie verschieben die Mitarbeiter!"
Funzelmaier rief den engeren Kreis seiner Mitarbeiter zusammen und versuchte eine Lösung zu finden. Das Resultat befriedigte niemanden. Jede Gruppe verlor Mitarbeiter, auch diejenigen, die zuvor schon Stellen gestrichen hatten. Auf Ältere wurde Druck ausgeübt, den angebotenen Vorruhestand anzunehmen.