Tausche Mann gegen Therapieplatz. Anja Pauli. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anja Pauli
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847636014
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sich diebisch.

      Als er abends im Bett war, setzte ich mich an den Computer und arbeitete an einem Artikel weiter, der in Kürze fertig sein musste. Meine Kolumne hieß „Leben live“. Eigentlich würde mir dazu ja gerade sehr vieles einfallen, doch nichts davon war öffentlichkeitstauglich. So entschied ich mich dazu mich selbst auf die Schippe zu nehmen. Vielleicht verdiente ich das ja auch gerade in dieser Zeit und schrieb über einen peinlichen Farbausrutscher.

      „Werbung

       Was sagt uns die Werbung? Haare tönen – kein Problem. Färben – ein Kinderspiel. Und Strähnchen? Nichts leichter als das. So entschied ich mich mein „Blond“ nicht beim Friseur zaubern zu lassen, sondern den Wunscheffekt selber ins Haar zu bringen. Riesige Auswahl in der Drogerie. Doch welches war noch mal das „Superprodukt“? Welches hatte den Schutzfaktor? Und zum Teufel, welches war denn so leicht anzuwenden? Wieder zuhause legte ich los. Präparate mischen, auftragen, einwirken lassen. Wirklich kinderleicht! Ich wartete die angegebene halbe Stunde und prüfte das Ergebnis. Gar nichts hatte sich getan. Und nun? Länger einwirken lassen, beschloss ich mutig. Eine weitere viertel Stunde zeigte erste Veränderungen, jedoch eher rötlich als blond. Ich las erneut den Packungszettel und wurde beruhigt. Nach Orangetönen folgt Blond. Zwanzig Minuten später sank mein Mut auf den Nullpunkt. Horrorvisionen von ausgefallenen Haarbüscheln ließen das Zeug auswaschen. Im nassen Zustand sah es noch annehmbar aus, doch je mehr der Fön arbeitete, umso oranger wurden die Haare. Schock! Trocken war es ein greller Farbmix mit Querbalken, denn die Spitzen waren deutlich heller. Der erste Frisör, den ich um Hilfe bat, lehnte ab. „Da wage ich mich nicht heran!“. Der Zweite hatte ein Einsehen. Nach drei Stunden waren die Haare dann einfarbig braun. Die Erkenntnis: Die Werbung hat Recht! Zumindest mit dem Spruch: „Sie sollten lieber jemanden fragen, der sich damit auskennt!“

      Nachdem ich stundenlang mit der Aufgabe beschäftig war den Artikel auf 1400 Zeichen zu kürzen, schob ich ihn ins Fax und lehnte mich entspannt zurück. Jetzt hatte ich mein Fett weg, ganz öffentlich, denn morgen würden 300.000 Menschen wissen, wie unfähig ich war. Und derzeit auch zu unfähig nein zu sagen.

      Geheimniskrämerei

      Unser nächstes Treffen gestaltete sich ziemlich schwierig, denn es war mitten in der Woche und da konnte ich Robin unmöglich bei meinen Eltern übernachten lassen.

      Also müsste sich Sebastian mal auf seine Pflichten als Vater besinnen.

      Er hatte ja auch schon Erfahrung mit der Obhut kleiner Kinder, hatte er doch in den letzten vier Jahren ganze zwei Mal auf unseren Kleinen aufgepasst, also aller guten Dinge sind drei.

      Ich griff zum Telefon und rief Sebastian in der Firma an.

      „Martin“, meldete er sich.

      „Ja, ich bin es Karina. Ich bin heute Abend spontan von Beate eingeladen worden und ich möchte gerne hin.“ Ich musste schnell eine Bekannte aus dem Hut zaubern, die Sebastian nicht gut kannte!

      „Und wo liegt das Problem?“

      „Es liegt darin, dass jemand auf Robin aufpassen müsste und ich dachte mir dieser jemand bist du.“

      „Nee, tut mir Leid, ich habe ausgerechnet heute Abend keine Zeit.“

      Ja, ausgerechnet heute Abend und wie war das mit den übrigen knapp 1.800 Tagen der letzten vier Jahre, überlegte ich still, bevor ich laut weiter machte.

      „Und ob du mal Zeit hast“, fiel ich ihm wütend ins Wort, um mir jetzt nicht all’ die wichtigen Dinge wie die Eishockeyübertragung bei einem Freund, oder der Saunagang oder das Treffen im Biergarten mit gleich mehreren Freunden als Ausrede anhören zu müssen.

      „Du musst nur mal auf deinen Sohn aufpassen, du erinnerst dich bestimmt, der kleine süße blonde Stöpsel, der neben deinem Schlafzimmer wohnt!“

      „Nun werde nicht gleich zickig, ich arbeite ja schließlich auch acht Stunden am Tag und da habe ich abends eben keinen Nerv mehr auf Kindergeschreie.“

      „Ja, selbstverständlich, wie konnte ich das vergessen, und deshalb gehst du jeden Abend deinem Vergnügen nach, während ich ja nur tagtäglich den Haushalt mache, noch nebenbei als freie Journalistin arbeite, mich intensiv mit Robin beschäftige, und dann abends alleine vor dem Fernseher oder dem Computer sitze. Du mit meinem ersparten Auto durch die Gegend fährst, während ich hier in unserem Kaff festsitze und die einzige Abwechslung darin liegt, mich mit zwanzig weiblichen Personen, die aufgehört haben Frau zu sein als sie Mütter wurden, bei der wöchentlichen Turn- und Spielgruppe zu treffen. Der gemeinsame Gesprächsstoff ist ähnlich abwechslungsreich, angefangen bei den neuesten Windelangeboten und aufgehört bei den aktuellsten Brotbackrezepten (...denn Kindern kauft man selbstverständlich kein fertiges Brot, viel zu wenig Kohlenhydrate und Blablabla). Und dann kommst du spätabends nach Hause und fragst mich „Na mein Schatz, was gibt es denn Neues?“ und ich antworte „Nichts mein Schatz, alles beim Alten“. Darauf deine Antwort „Jetzt siehst du, warum ich mich lieber mit meinem Freunden treffe, mit dir kann man ja nicht mal mehr reden, jeden Abend höre ich die gleiche Antwort“. Soso. Ich redete mich in Rage. „Schön Sebastian und heute Abend könntest du so nett sein nach deinem harten Arbeitstag, mal ruhig vor dem Fernseher sitzen und dich richtig entspannen. Langweilige Konversation brauchst du ja auch nicht zu fürchten, denn ich bin ja nicht da.“

      „Okay, ich schau mal“, damit legte er auf.

      Ich verabredete mich mit Hajo bei einem Bekannten für 22 Uhr.

      Um Viertel vor zehn war Sebastian noch nicht da.

      Das Telefon klingelte.

      „Ja?“ meldete ich mich.

      „Ich bin es, Sebastian. Tut mir leid es wird später, ich bin hier bei meinen Eltern und mein Auto springt nicht an.“

      „Sebastian, man wartet auf mich und es ist sowieso schon reichlich spät, dann leihe dir doch bitte das Auto von deiner Mutter“, sagte ich gereizt.

      Im Thema Ausleihen und nicht zurückgeben hatte er doch Erfahrung, denn mit meinen Sachen funktionierte das doch prima.

      Nach weiteren fünf Minuten hatte ich ihn überzeugt zu kommen.

      Siedendheiß fiel mir ein, dass Sebastian nun an dem Haus meines Bekannten vorbeifahren würde, wo ich mich mit Hajo verabredet hatte. Was, wenn er draußen warten würde? Dann würde Sebastian ihn sicherlich, bei meinem Glück, gleich sehen. Schließlich hat man in solchen Situationen schon einen gewissen Anflug von Verfolgungswahn!

      Schnell griff ich zum Hörer und wählte die Autotelefonnummer meines Bekannten Dieter und bat ihn, die Verabredung in die Wohnung zu verlegen.

      Unruhig erwartete ich Sebastian und fuhr bald nach seiner Ankunft völlig entnervt, aber übereifrig zu meinem Bekannten.

      Hajo war wirklich da!

      Er nahm mich in seine Arme und schien mich auch ohne Worte zu verstehen.

      Warum sollte ich also diesen Mann verlassen?

      Mein Ego gewann die Oberhand.

      Er drückte mich kräftig an seinen „wohlgeformten“ Bauch.

      Nach einer Tasse Kaffee verabschiedeten wir uns bei meinem Bekannten und fuhren ziellos durch die Gegend.

      Am Rhein hielten wir dann an und machten einen romantischen Spaziergang am Wasser entlang. Nach einer Weile setzten wir uns ins Gras und unterhielten uns.

      „Glaube misch, ich hab Verständnis für disch und Geduld und ich werde warten bis du alles jeregelt has, denn ich will mich nicht vorstellen disch zu verlieren. Du bedeutest mich einfach unglaubbar viel.“

      Autsch! Das tat weh in den Ohren.

      Ein paar Redewendungen und der richtige Einsatz von Fremdwörtern waren