Im Bann der Traumfänger. Olaf Falley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Olaf Falley
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844255201
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Dorfes nicht verraten wirst. Dann können wir gemeinsam diesen kapitalen Hirsch auf unsere Schultern legen und triumphierend auf den Dorfplatz marschieren“

      Baldur reichte dem Fremden die Hand und versprach lächelnd, Niemandem den geheimen Platz zu verraten, an dem das Dorf zu finden wäre.

      „ Hast du eigentlich auch einen Namen, Herr Niemand? Ich meine, einen richtigen Namen. Ihr könnt doch nicht alle Niemand heißen. Wie soll man euch den da auseinander halten können?“

      „ Du kannst mich Wido nennen, denn ich bin ein Kind des Waldes. Und nun komm, lass uns gehen“

      Wido warf sich den Hirsch über die Schultern und ging in Richtung Süden davon, zurück in die Richtung in der Ursulas Höhle lag. Das gefiel Baldur überhaupt nicht, doch wollte er die Nacht mit einem vollen Bauch in der Sicherheit eines Dorfes verbringen, musste er wohl oder übel folgen.

      Seine Sorge erwies sich als unbegründet, denn nach einer knappen Meile waren sie bereits an ihrem Ziel angekommen. Sie kamen aus dem Wald auf eine weitere Lichtung, auf der dicht aneinander gedrängt etwa ein dutzend Hütten standen. Verwundert fragte sich Baldur, warum Wido der Meinung war, dass dieses Dorf unauffindbar sei. Allmählich begann der Junge zu fürchten, es mit einem Verrückten zu tun zu haben, der sich einbildete unsichtbar zu sein, ebenso wie sein Dorf.

      Aber das war ihm egal. Verrückt oder nicht, Wido hatte eine eigene Hütte und einen ganzen Hirsch auf seinem Rücken. Nur das zählte im Moment.

      Als die beiden das Dorf betraten, kamen die Bewohner aus ihren Hütten und begannen zu jubeln angesichts des zukünftigen Festbratens auf Widos Schultern.

      Wido ließ den Hirsch zu Boden gleiten und sofort kamen einige Frauen, um sich der Zubereitung des Tieres zu widmen.

      Nachdem Baldur der Dorfgemeinschaft vorgestellt worden war, führte ihn Wido zu einem Haus etwas abseits vom Zentrum des Dorfes.

      „ Hier wohne ich mit meiner Familie. Du kannst dich hier ein wenig ausruhen, während wir das Essen vorbereiten. Ich schicke dir meinen Sohn vorbei, sobald das Fest beginnt“

      Baldur betrat die Hütte. Etwas überrascht sah er sich um. Von außen hatte die Behausung einen eher primitiven Eindruck auf ihn gemacht, im Inneren jedoch wirkte sie geräumig und fast schon luxuriös. Müde legte sich der Junge auf eines der Betten und während er dem Trubel vor der Hütte lauschte, schlief er ein.

      „ Steh auf, das Essen ist fertig. Beeile dich, wenn du etwas abbekommen möchtest“

      Baldur öffnete die Augen und sah einen Jungen mit hellblonden Haaren vor seinem Bett stehen.

      „ Na los, du Schlafmütze, steh auf“

      Noch immer müde, aber auch sehr hungrig erhob sich Baldur.

      „ Mein Name ist Simon und wie heißt du?“

      „ Hier heißen scheinbar doch nicht alle Niemand. Einige haben ganz gewöhnliche Namen.“

      Während Baldur dies dachte, fuhr er sich mit den Fingern durch die Haare.

      „ Ich heiße Baldur“

      „Ein schöner Name. Wir werden bestimmt Freunde!“

      Baldur sagte Simon nicht, dass er nicht vorhatte, so lange zu bleiben. Er folgte dem Jungen nach draußen.

      Dort herrschte eine rege Betriebsamkeit. Die Dorfgemeinschaft saß um das Lagerfeuer verteilt und alle starrten aufgeregt auf den Braten, der langsam über dem Feuer gedreht wurde. Der Hunger hielt die Bewohner des Dorfes nicht davon ab, wild durcheinander zu reden, zu lachen und zu schimpfen. Mittendrin gewahrte Baldur einige Kinder, die herumtollten und einander Streiche spielten.

      Sein Herz wurde schwer, denn plötzlich musste er an Freya denken. Sie hatten auch immer zusammen gespielt und allerlei Unfug ausgebrütet. Wo mochte sie jetzt wohl sein?

      Wido kam auf Baldur zu.

      „Hast du dich ein wenig erholt? Ich möchte dir jemanden vorstellen. Vielleicht kann sie dir helfen.“

      Mit diesen Worten nahm er Baldur bei der Hand und führte ihn an Gruppen aufgeregt plappernder Dorfbewohner vorbei zu einer abseits sitzenden jungen Frau.

      „ Hallo Marie. Hier ist der Junge, von dem ich dir erzählt habe.“

      Marie sah zu Baldur auf.

      „Setz dich zu mir, Baldur, Gerdas Sohn. Lass uns etwas essen, denn du musst hungrig sein“

      „ Woher kennen sie den Namen meiner Mutter?“

      Verwirrt sah Baldur die junge Frau an. Sie hatte lange tiefschwarze Haare und in ihren Augen glaubte er ein Glitzern zu erkennen.

      „ Sie sind auch eine Hexe, nicht wahr?“

      Marie lies ein helles Lachen erklingen.

      „ Es ist nicht gerade galant, eine junge Frau als Hexe zu bezeichnen, mein Junge. Deine Offenheit könnte dir in Zukunft einigen Ärger einbringen. Auf jeden Fall bleibst du für immer ein Junggeselle, wenn du nicht an deinen Umgangsformen arbeitest.“

      Maries Lachen verstärkte sich und Baldur hätte in diesem Augenblick geschworen, nie eine schönere Frau gesehen zu haben.

      „ Lass uns erst essen, dann werde ich deine Fragen beantworten. Doch eines möchte ich gleich richtig stellen: Ich bin keine Hexe!“

      Die folgende Stunde verbrachte Baldur an Maries Seite, ständig damit beschäftigt seinen Teil des köstlichen Bratens zu verzehren, nicht zu viel von dem vergorenen Traubensaft zu trinken und ununterbrochen die Anmut seiner Tischgefährtin zu bestaunen. Als die Nacht weit fortgeschritten und der Hunger gestillt war, nahm Marie den Jungen zur Seite.

      „ Ich glaube, wir sollten uns nun ein wenig unterhalten. Zunächst einmal nehme ich an, dass die beiden Tanten, mit denen du unterwegs warst, auf die Namen Rosa und Hilda hörten.“

      Baldur konnte nicht anders, er nickte.

      „Gut! Wie kommt es dann, dass du hilflos und verloren hier auftauchst? Ohne die beiden mächtigsten Hexen, die je gelebt haben?“

      Marie sah tief in Baldurs Augen und ohne an Hildas Warnung zu denken, sprudelte die ganze Geschichte aus ihm heraus, angefangen bei Freyas Alptraum bis hin zu Rosas Tod und Hildas vermutlich letztem Kampf.

      Als er geendet hatte, herrschte für eine geraume Zeit Schweigen. Marie starrte in die Flammen des Feuers und schien über das Gehörte nachzudenken. Baldur sah auch in die Flammen. Er war entsetzt, wie schnell er Hildas Warnung vergessen und einer Wildfremden alles erzählt hatte. Als er seine Augen auf Marie richtete, sah er sie lächeln.

      „ Mach dir keine Sorgen, zu viel gesagt zu haben. Niemand vermag, mir zu widerstehen. Es ist eine Gabe, ähnlich der Kunst der Hexen. Wer mir in die Augen schaut, redet die Wahrheit, ob er will, oder nicht. Deine Geschichte ist bei mir sicher, obschon ich gestehen muss, dass sie mich schockiert hat. Rosa tot und Hildas Schicksal ungewiss, die Traumfänger wieder unter uns und du bist vom Weg abgekommen. Das mag sich als schlimm erweisen!“ Nachdenklich sah Marie zum Waldrand und als Baldur ihrem Blick folgte, glaubte er am Rande des Lichtscheins einen gewaltigen Bären zu sehen. Doch da Marie keine Anstalten machte, in Panik zu verfallen, zuckte Baldur nur mit den Schultern und sah in eine andere Richtung.

      „Darf ich dir eine Frage stellen?“

      „ Nur zu“ antwortete Marie lächelnd.

      „ Wido erzählte mir, dieses Dorf sei unauffindbar, ebenso, wie er unsichtbar wäre. Ist er verrückt, oder ist das wieder so ein Geheimnis, das ich noch nicht erfahren darf, weil ich noch ein Kind bin?“

      „Nein und ja“

      „Ist das ein Rätsel?“

      „Nein. Wido ist mitnichten verrückt, doch ist das Geheimnis unseres Dorfes nicht für fremde Ohren bestimmt. Wärst du allein hierhergekommen, hättest du das Dorf nicht gefunden. Übrigens finde ich den Gedanken witzig, dass Wido verrückt sein könnte. Du musst wissen, dass er mein Gemahl und Simon