Ich setze mich zu ihm auf die Couch und beobachte, wie er den Korken zieht, den Wein in die Gläser füllt und mir eines reicht.
„So ..." Er sieht mich erwartungsvoll an.
Ich schwenke den Wein in dem Glas, beobachte, wie die Flüssigkeit am Rand hoch und runter schwappt, eine leicht durchsichtige Spur hinterlässt. „Du hattest Recht", fange ich leise an. Sofort kommt mir wieder dieses Bild von Aiden und Angie in den Kopf, wie sie auf ihm sitzt. Meine Kehle schnürt sich sofort wieder zu. „Er hat mich betrogen." Meine Stimme ist kaum noch ein Krächzen.
Wie kann ich nur so viel weinen?
Schluchzend lasse ich meinen Kopf auf Alecs Brust fallen und kralle mich in seinem schwarzen Pullover fest, achte dennoch darauf den Wein nicht zu verschütten.
„Shh", macht Alec leise und streichelt mir über den Kopf. „Alles wird gut."
„Nichts wird gut", weine ich jämmerlich. „Gar nichts wird gut! Ich habe ihn verlassen und jetzt ist alles am Ende ... Ich liebe ihn so sehr, Alec ... Ich liebe ihn so sehr."
„Ich weiß, Ly, ich weiß." Er legt seinen Kopf auf meinem Kopf ab. "Wie, ähm, wie hast du es herausgefunden?"
Ich wische mir mit dem Handrücken die Tränen von der Wange und richte mich etwas auf. „I-Ich habe sie erwischt. Bei ihm im Büro ... S-Sie war - und er war – u-und –"
„Du musst es nicht aussprechen", besänftigt Alec mich und wischt mir liebevoll eine weitere Träne von der Wange.
„Ich will bei ihm sein", schluchze ich. „Ich will zurück zu ihm."
„Ich weiß", sagt Alec leise und hebt den Arm an, damit ich mich wieder an seine Brust lehnen kann. Als ich mich an ihn lehne, streicht er mir durchs Haar und trinkt ein Schluck Wein. „Das ist so ... unvorstellbar. Er kam mir immer so – so rein vor. So perfekt und schlau genug, um so etwas niemals zu tun."
Ich trinke ebenfalls einen großen Schluck von dem süßen Wein und schlucke gleichzeitig den dicken Kloß in meinem Hals herunter. „Aber er hat es getan ... Er hat es einfach getan."
„Glaubst du, du kannst ihm je verzeihen?"
„Nein ... Ich kann ihm nie verzeihen. Dafür ... Dafür ist der Schmerz einfach zu groß. Und das Vertrauen zu missbraucht." Eine Stumme Träne fließt wieder über meine Wange, bei dem Gedanken, was er wohl gerade macht
Leidet er genauso wie ich? Weint er vielleicht auch gerade, betrinkt sich? Er sah so zerbrochen aus, als ich gegangen bin. Er sah ehrlich zerbrochen aus. Es wäre noch trauriger, wenn er nicht leiden würde. Doch trotzdem musste er nicht sehen, was ich sah, er muss nur damit leben, dass ich nicht mehr da bin. Ich muss damit leben, dass er mich belogen und hintergangen hat, während ich ihm versucht habe, ihm meine Liebe zu schenken.
Wahrscheinlich überspielt er seine Trauer, wie er es immer getan hat. Es wird für ihn vielleicht noch für eine kurze Zeit ungewohnt sein, dass ich nicht da bin, aber dann wird er wieder Aiden. Der typisch charmante Aiden.
Der typisch charmante Aiden, der mir mein Herz heraus gerissen hat.
Der typisch charmante Aiden, den ich liebe.
„Aber weißt du was?" Alec sieht mich an. „Egal, was passiert ist, er hat dich geliebt."
Ich schniefe, trinke einen weiteren großen Schluck, starre auf ein Bild an der Wand über dem Fernseher. „Wenn man liebt, hintergeht man den anderen nicht."
„Ly, er hat dich geliebt. Er hat dich angesehen, als wärst du Magie, glaube mir. Auch wenn er dich ... hintergangen hat, bin ich mir sicher, dass er dich geliebt hat."
Ich richte mich auf, trinke mein Glas in einem Zug leer. „Das spielt jetzt sowieso keine Rolle mehr." Voller Trauer und Enttäuschung, wische ich mir eine weitere Träne von der Wange. „Er hat es vermasselt und es ist vorbei. Bekomme ich noch Wein?"
Mit geschürzten Lippen nickt Alec und schüttet mein Glas wieder voll. „Und was hast du jetzt vor? Willst du das alles ohne weitere Diskussion enden lassen?"
Ich sehe ihn an. Die Tränen scheinen kein Ende zu nehmen. Zu frisch sind die Wunden. „Alec. Wozu ein Konflikt? Ich habe ihn gesehen, wie er sie – Eine Auseinandersetzung mit ihm würde zu nichts führen. Er kann es nie wieder rückgängig machen, und ich kann nicht mit einem Mann zusammen sein, dem ich nicht vollkommen vertrauen kann."
Nachdenklich trinkt er einen Schluck, tippt dann auf dem Glasrand herum und starrt darauf. „Ich kann dich verstehen, das kann ich wirklich ... Ich dachte nur, dass es vielleicht – keine Ahnung, was ich dachte. Und was willst du tun? Wirst du wieder zurück nach England gehen?"
Ich sehe ebenfalls auf mein Glas. „Ich weiß es nicht ... Ich kann nicht einfach wieder zurück nach England gehen. Ich bin jetzt nun mal hier auf dem College und ich bin mit dem Risiko, so zu enden, wie ich gerade ende, nach New York gekommen. Jetzt muss ich auch damit leben. Ich war mir einfach zu sicher, dass es nicht so enden wird ..."
„Verstehe ... Du kannst erst mal bei mir wohnen, solange du noch keinen Unterschlupf hast. Ich bin mir sicher, dass mein Mitbewohner nichts dagegen hat."
Ich lächele ihn an. „Danke, Alec. Ich weiß das wirklich zu schätzen."
Er lächelt zurück und streicht mir liebevoll die letzte Träne von der Wange. „Du brauchst mir dafür nicht danken, Große. Du bist meine beste Freundin, für dich würde ich Aiden sogar eine verpassen."
„Das würdest du für mich tun?" Ich lache leicht.
„Es würde mir zwar schwer fallen, aber ja, das würde ich tun. Am besten links, rechts auf seine Grübchen."
Nach einer kurzen Pause, sage ich: „Du bist auch mein bester Freund."
Er grinst breit. „Danke."
Seufzend lehne ich mich zurück, Alec lässt sich neben mich fallen. Gleichzeitig nehmen wir einen Schluck von dem Wein. „Ich muss mir einen Job suchen", sage ich nach einer Weile. „Ich muss jetzt gucken, wie ich um die Runden komme."
Der Gedanke daran, wie abhängig ich von Aiden in so vielen Dingen war, lässt mich sofort wieder schlecht fühlen. Er hatte so viel Einfluss auf mein Leben.
„Du könntest in der Stadtbibliothek arbeiten. Ich habe da selbst schon gearbeitet und du wirst relativ gut bezahlt dafür, dass es nur ums Bücher einräumen und sortieren geht."
„Guter Einfall. Tausend Mal besser als zu bedienen ... Ich weiß gar nicht, wie ich nächste Woche die Prüfungen schreiben soll. Ich bin ein Wrack."
Eigentlich hatte Aiden mir versprochen mit mir zu lernen.
Alec sieht mich an. „Das bekommen wir hin. Du hast hier zufällig einen Profi der englischen Literatur neben dir sitzen. Das schaukeln wir schon. Außerdem haben wir das hier." Er hält die Flasche Wein hoch und schüttet mir und ihm noch einmal nach. „Das ist tausend Mal besser als Energydrinks und macht alles lustiger."
Ich lache leicht. „Ich merke es schon."
„Du auch? Zum Glück. Ich dachte, ich bin der einzige Waschlappen, der keinen Alkohol verträgt."
Gemeinsam kichern wir, dann lehne ich mich wieder an ihn und genieße das Gefühl von Geborgenheit, das er mir gibt. Zwar ist es noch lange nicht so schön, wie in Aidens Armen, doch das versuche ich für einen Moment zu vergessen. Ich weiß, dass niemand Aiden ersetzen kann.
„Ich bin froh, dass du mich mit dem Wasserballon abgeworfen hast", lasse ich Alec schmunzelnd wissen.
„Ich auch." Er küsst mich auf den Kopf. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich ich darüber bin, dass ich endlich eine Verbündete gefunden habe."
Ich sehe ihn für eine Weile einfach nur an. „Du würdest mich nie verletzen oder?"
Aufmunternd lächelt er leicht. „Ich würde dich niemals verletzen, niemals. Dafür liebe ich dich zu sehr