„Danke, Mister Rivers. Ich glaube, die Texaner würden es uns nicht danken, wenn wir die Indianer mit Waffen beschenken“, brummte Mason. „Im Übrigen, Matt, sollen Sie natürlich gegen Banditen vorgehen und Grenzverletzungen durch die mexikanischen Truppen unterbinden. Sofern die texanischen Ranger Sie um Ihre Unterstützung bitten.“
Matt Dunhill grinste. „Kein Problem. Geben Sie mir noch drei Regimenter Infanterie und ein oder zwei Batterien Artillerie und ich werde alles bestens erledigen.”
„Sie sollen keinen Krieg mit Santa Anna provozieren“, hielt der Major lächelnd dagegen. „Auch wenn ich denke, dass es früher oder später dazu kommen wird, möchte ich nicht unbedingt jener Stein sein, der die Sache ins Rollen bringt.“
Matt Dunhill erwiderte nichts. Die Situation mit Mexiko war schwierig genug und der Major stellte ihn vor eine schier unlösbare Aufgabe. Nun ja, es war ja eigentlich nicht der Major. Aber Sam Houston und der Kongress der Vereinigten Staaten hielten ihren Kopf ja am Rio Grande nicht in die Schusslinie.
„Haben die Herren Politiker eine Vorstellung, wie lange ich in dem dortigen Gebiet mit unserer Fahne wedeln soll?“
„Hm, nein, haben sie nicht“, gestand Mason. „Colonel Dodge geht von einem halben Jahr aus. Wenn es aber zu einem Beitritt von Texas in die Union kommt, dann wird die Army sicher ein paar feste Garnisonen am Rio Grande einrichten. Ihr dortiges Lager könnte dann eine der ersten sein, wenn sich Ihre Kompanie dort bewährt.“
Wenn sich Ihre Kompanie dort bewährt… Captain Matt Dunhill verzichtete erneut auf eine Erwiderung. Nicht weil er feige war, sondern weil der Major auch nichts an den Befehlen ändern konnte. „Ich werde eine Menge Vorräte mitnehmen müssen. Proviant, Pulver und Blei sowie Zelte und dergleichen.“
„Und Wasser, Captain“, warf Santiago ein. Er fuhr mit dem Finger über die Karte. „Wahrhaftig, Capitan, wir werden an vielen Flüssen und Quellen vorbeikommen, aber es gibt auch Streckenabschnitte, bei denen wir auf das Wasser angewiesen sind, dass wir mitführen. Und die Männer und Tiere werden bei der Hitze eine Menge Wasser benötigen.“
„Ist ein verdammt weiter und beschwerlicher Weg.“ Rivers wippte leicht auf den Fersen. Schätzungsweise siebenhundert Meilen, hier vom Arkansas River zum Rio Grande. Wir werden recht langsam vorankommen. Ich schätze, wir werden sechs oder sogar sieben Wochen für die Strecke benötigen, und das auch nur, weil wir die Wege kennen und bestehende Trails nutzen können.“
„Sie nehmen zehn der schweren Frachtwagen mit, Matt. Den Rest verstauen Sie auf Packtieren. Fahrer und Treiber werden bei Ihrer Truppe verbleiben und erst mit Ihrer Kompanie ins Camp zurückkehren“, entschied der Major.
Dunhill verlangsamte seinen Marsch nur ungern durch die schwerfälligen Fahrzeuge, doch in diesem Fall gab es keine andere Möglichkeit. Zudem ließen sich die Wagen durchaus als wirksame Barrikade verwenden und der Captain ahnte, dass seine Truppe jeden Vorteil werde nutzen müssen, wenn sie den Rio Grande erreichen und, vor allem, wieder lebend zurückkehren sollte.
Kapitel 3 El Perdido
Presido del Norte lag rund zwanzig Meilen westlich der Einmündung des Rio Conchos in den Rio Grande. Ursprünglich war es ein indianisches Pueblo gewesen. Nicht alle Pueblo-Stämme errichteten ihre Bauten in den Felswänden versteckter Täler. Als das Presido erbaut wurde, lebten dessen Ackerbau treibenden Bewohner in Frieden und nutzten die fruchtbare Ebene am Fluss. Dann kamen die spanischen Eroberer. Die Conquistadores hatten es auf ihrer Suche nach den sieben goldenen Städten sehr eilig und so überlebten einige der Puebloindianer des Presido. Allerdings nicht sehr lange, denn nach den spanischen Invasoren kamen indianische Invasoren. Die Apachen, ursprünglich aus dem hohen Norden Alaskas stammend, erhielten ihren Namen von dem Pueblo-Wort „Apachu“, was nichts anderes als „Feind“ bedeutete. In ihrer Mordlust waren die Apachen weit gründlicher, als ihre spanischen Vorgänger. Rund zweihundert Jahre später würde man sie als die Opfer weißer Expansion darstellen und sich viel Mühe geben, ihre mörderische Rolle zu bagatellisieren. Die Pueblo-Indianer würde das nicht mehr berühren, da ihre kläglichen Reste dann längst von den Apachen ausgerottet waren.
Das Presidio del Norte war von den Chiricahua-Apachen heimgesucht worden. Zu jenem Zeitpunkt gehörte Texas noch zu Mexiko und Mexiko war um Frieden mit den kriegerischen Stämmen bemüht. Man schloss einen Friedensvertrag mit den Apachen und garantierte ihnen die Lieferung von Waren und Lebensmitteln. Als Texas zur Republik geworden war und sich die Grenze verschob, wurde der nahe Rio Grande zum Grenzfluss. Mexikos Staatsgebiet war durch den Abfall von Texas geschrumpft, die Armee hatte Verluste erlitten und der Kampf hatte ein großes Loch in den Staatshaushalt gerissen. Darunter litten die Lieferungen an die Apachen, die sich daraufhin auch ihrerseits nicht an die Verträge gebunden sahen. Es gab ein paar kleinere Gemetzel an mexikanischen Zivilisten, und Scharmützel mit der mexikanischen Armee, dann zogen sich die Indianer in die Berge zurück. Keineswegs weil sie geschlagen waren, sondern vielmehr, weil Presidio del Norte nun von noch größerer Bedeutung für Mexiko war. Der General und Staatspräsident Santa Anna war längst nicht gewillt, seine alte Provinz endgültig aufzugeben und verlegte eine starke Garnison nach Presidio. Santa Anna ahnte, dass die Staatenunion der Yankees nur darauf lauerte, einen Vorwand zu finden, um Texas zu unterstützen. Sobald mexikanische Truppen in die Republik der Aufrührer einrückten, konnte es gut sein, dass sich die U.S.A. auf die Seite der Texaner stellte. Dennoch war der Generalissimo nicht bereit, endgültig auf Texas zu verzichten. Während die mexikanischen Truppen verstärkt und auf einen Krieg vorbereitet wurden, wollte Santa Anna verhindern, dass die Texaner zur Ruhe kamen und ihre Grenze durch Forts sicherten. Das beste Mittel hierfür waren Überfälle, tief auf das texanische Gebiet, und die Aufwiegelung der verschiedenen indianischen Stämme. Letzteres war jedoch schwierig, da die Indianer mit Weißen und Mexikanern gleichermaßen schlechte Erfahrungen gesammelt hatten.
Santa Anna suchte nach einer Lösung und fand sie in El Perdido.
Eigentlich war El Perdido ein brutaler Bandit und die Geißel der kleinen mexikanischen Dörfer, doch er war nach Santa Annas Meinung der richtige Mann, einen tiefen Stachel in das texanische Fleisch zu rammen. Eine Amnestie des Banditen sowie dessen inoffizielle Ernennung zum Colonello, machten aus der starken Bande von El Perdido eine kleine Armee von Patrioten, die ihr Hauptquartier in Presidio del Norte aufschlug.
Inzwischen war aus dem Ort ein kleines Dorf geworden. Zwar überwog die Anzahl der Hühner noch die der eigentlichen Dorfbewohner, aber die hier lebenden Menschen erwirtschafteten einigen Überschuss. Die Ebene war fruchtbar und die Rinderzucht lohnend, da die Anwesenheit von El Perdido die Apachen davon abhielt, sich ein paar saftige Steaks zu besorgen.
El Perdido hatte über zweihundert Männer um sich versammelt und er sah sich tatsächlich als strahlenden Patrioten, denn er und seine Truppe mordeten, vergewaltigten und plünderten ausschließlich jenseits des Rio Grande. Er machte keinen Unterschied zwischen den weißen Texanern und jenen, die mexikanischer Abstammung waren.
Die Bewohner der nordamerikanischen Staatenunion waren „Norte Americanos“ oder „Yanquis“, die von Texas „Tejanos“. Die verächtliche Bezeichnung „Gringo“ würde erst in über zehn Jahren erstmals Einzug in den Sprachgebrauch halten.
El Perdido konnte unbesorgt mit seiner ganzen Horde über den Rio Grande ziehen, denn während seiner Abwesenheit blieb Presidio geschützt. Dort waren inzwischen zweihundert Lanzenreiter der Armee, eine Kompanie Infanterie und sogar eine Kanone stationiert. Die wachsende Truppe wurde durch Wagenzüge aus Chihuahua versorgt, die zugleich wichtigen Nachschub für El Perdido lieferten: Pulver, Blei, Gussformen und Waffen.
Vor zwei Tagen war ein solcher Wagenzug eingetroffen und El Perdidos Männer seitdem dabei, ihre Ausrüstung für einen langen Ritt über die Grenze zu vervollständigen. Die Vorbereitungen waren nun abgeschlossen und El Perdido ritt zum Zeltlager der Armee hinüber, um mit dem dortigen Befehlshaber, Capitan Ruiz de Lopez, zu sprechen. El Perdido bedauerte immer wieder, dass man ihm den Rang eines Colonello nur inoffiziell zustand. Er besaß