Die Marketenderei begann sich mit anderen Soldaten zu füllen. Schmitt blickte zur provisorischen Kommandantur. Eben setzte ein Hornist sein Horn an und blies den Offiziersruf. Der Corporal stieß ein missmutiges Knurren aus. Offensichtlich versammelte der Major erst die Offiziere. Wahrscheinlich wollte er den Inhalt der Depeschen mit ihnen besprechen. Es würde wohl noch eine Weile dauern, bis er Schmitt zu sich beorderte.
Die anwesenden Offiziere strömten zum Zelt des Majors und es dauerte eine gute Stunde, bis sich die dortige Versammlung wieder auflöste. Inzwischen wurde es Zeit für den Abendappell. Die Arbeitskommandos rückten ein, die Soldaten überprüften ihre Uniformen und folgten dann dem Signal zum Antreten. Nachdem das Sternenbanner eingeholt worden war, kam ein Sergeant zu Schmitt und teilte ihm mit, dass der Major ihn nun erwarte.
Friedrich überprüfte nochmals die eigene Uniform und trat dann zum Zelt des Kommandeurs. Der Posten stampfte kurz mit dem Stiefel auf und von drinnen kam die Aufforderung einzutreten.
Zu Schmitts Überraschung saßen nicht nur der Major und Adjutant Holmes an dem kleinen Kartentisch, sondern auch Schmitts Kompanie-Führer Captain Dunhill und der Captain der neu eingetroffenen Kompanie.
Schmitt machte seine Meldung, wobei sich der Major vor allem für einen einzigen Umstand interessierte. „Sie sind sich sicher, Corporal, dass der Meldereiter durch einen Unfall ums Leben kam?“
„Ja, Sir. Hat sich den Hals gebrochen, als der Gaul stürzte.“
„Es gab definitiv keine Anzeichen äußerer Einwirkung?“
„Äh, nein, Sir. Keine erkennbaren Wunden, Sir. Sofern sich das beim Zustand des Toten noch feststellen ließ.“
„Verstehe. Danke, Corporal. Das wäre es. Sie können wegtreten.“
„Sir.“
Schmitt trat ab und Major Mason wartete, bis sich die Schritte des Corporals entfernt hatten. Dann lehnte er sich in seinem Klappstuhl zurück und schien einen Moment zu überlegen, bevor er das Wort an die anderen Offiziere wandte.
„Nun, Gentlemen, diese Depeschen haben uns ein paar überraschende Neuigkeiten beschert. Zunächst zu der Erfreulichen: Ab sofort sind wir offiziell das First Regiment of United States Dragoons. Was bedeutet, dass der Kongress endlich die Aufstellung des zweiten Dragoner-Regiments bewilligt hat. Die Rekrutierungen und Ausbildungen in Leavenworth laufen bereits.“
„Bravo“, sagte Captain Dunhill erfreut.
Mason sah ihn seufzend an. „Nicht unbedingt ein Grund zur Freude, Matt. Leavenworth schreit händeringend nach erfahrenen Offizieren und Unteroffizieren, um ein stützendes Korsett für das neue Regiment zu bilden.“
„Verdammt“, brummte Dunhill prompt. Er zwirbelte eine Spitze seines schneidigen Dragonerbärtchens. „Wir haben doch selbst kaum genug Leute. Das Fieber im letzten Jahr hat uns mächtig zugesetzt. Dazu die Verluste dieses Jahres. Wir sind noch längst nicht auf Sollstärke. Meine B-Kompanie hat gerade Mal siebenundfünfzig Mann, alle Offiziere eingeschlossen. Das sind vierzehn Mann, die mir fehlen, Sir.“
„Jammern nutzt uns nichts, Matt. Es geht allen Kompanien so.“ Mason wandte den Blick zu der schweigsamen Ordonanz im Hintergrund. Ein verlässlicher Dragoner, der über alles, was er hörte oder sah, strengstes Stillschweigen bewahren würde. „Joe, seien Sie so freundlich und schenken Sie den Gentlemen und mir einen Port ein.“
Mason schätzte auch harte Drinks, aber bei dem, was sie zu besprechen hatten, galt es klaren Kopf zu bewahren und so schenkte die Ordonanz einen leichten Portwein ein.
„Also, es gibt ein zweites Regiment, das aber wohl erst im kommenden Jahr einsatzbereit sein dürfte. Bis dahin liegt es an uns, die Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten. Siedlertrecks und Frachtzüge eskortieren, marodierende Banditen und Indianer im Zaum halten und den Frieden mit den anderen Stämmen zu gewährleisten. Dazu Streifendienst und das Kartografieren unseres Bereiches. Eine Menge Arbeit für unsere geschwächten Kompanien. B, C, D, H und I haben wir hier im Camp, A ist im Hauptquartier in Leavenworth und bildet die Männer der Zweiten aus, E und F sind am Mississippi und K in unserem alten Stützpunkt, Fort Gibson. Von dort kommt ja G zu uns, die man dankenswerterweise zu uns abgestellt hat.“
Captain Walters, Befehlshaber der neu eingetroffenen G-Kompanie nickte mit einem freundlichen Lächeln. „Ist mir eine Ehre, Sir.“
Dunhill hob eine Augenbraue und versuchte den anderen Captain einzuschätzen. War dieser einfach nur höflich oder versuchte er guten Wind beim Major zu machen? Aber für so etwas war Mason nicht empfänglich. Der war ein Gentleman und ein harter, aber sehr gerechter Vorgesetzter.
„Die Verstärkung durch G kommt gerade rechtzeitig“, fuhr der Major fort. „Mit den Depeschen kam auch ein Befehl, der uns eine zusätzliche Aufgabe einbringt. Noch dazu eine recht, äh, heikle Aufgabe. Wie Sie wissen, Gentlemen, ist Texas in diesem Jahr unabhängig geworden. Die Texaner unter Sam Houston haben den mexikanischen Generalissimo de Santa Anna am San Jacinto Fluss geschlagen und eine Republik gegründet.“
„Ja, da war doch diese Schlacht um diese alte Mission, Sir, die das Ganze ausgelöst hat.“
„Alamo, Matt. Nun, jedenfalls ist Texas jetzt eine Republik und die Mexikaner sind darüber nicht sehr glücklich. Sie starten immer wieder Überfälle auf texanisches Gebiet. Sam Houston und etliche texanische Politiker wissen, wie schwierig es wird, den Mexikanern auf Dauer zu widerstehen, denn Santa Anna rüstet mächtig auf. Daher gibt es in Texas Bestrebungen, sich der Staatenunion der U.S.A. anzuschließen.“ Der Major vernahm das überraschte Murmeln der Offiziere und lächelte. „Und damit beginnt unser Problem, Gentlemen. Die Union ist dem Ansinnen von Texas durchaus nicht abgeneigt, aber so ein Prozedere kann sich sehr lange hinziehen und, ganz offen gesagt, ist nicht jeder Texaner für einen Anschluss an die Union. Viele meinen, sie könnten sich den Mexikanern auch weiterhin aus eigenen Kräften, zum Beispiel ihren Rangern, widersetzen. Wie dem auch sei, die Union ist gewillt, eine politische und militärische Geste zu vollziehen. Eine Geste, für die ich lieber drei Kompanien einsetzen würde, für die ich aber lediglich eine zur Verfügung habe.“ Er sah Dunhill ernst an. „Ihre B-Kompanie, Matt.“
Der hob nun beide Augenbrauen an. „Ich weiß zwar noch nicht, um was es geht, Richard, aber ich erinnere vorsichtshalber daran, dass mir ein paar Leute fehlen.“
„Das habe ich nicht vergessen, Matt. Daher wird Captain Walters so freundlich sein, ein paar von seinen Dragonern zu deiner Kompanie abzustellen.“
Nun rutschte eine von Walters Augenbrauen hoch, doch dann nickte der Offiziere. „Selbstverständlich, Sir.“
„Die Männer werden dankend angenommen“, brummte Dunhill. „Aber um was geht es überhaupt?“
„Gut, dass Sie fragen, Matt“, sagte Major Mason ironisch. „Sie werden mit der B-Kompanie nämlich nach Texas marschieren. Wie Sie alle schon gehört haben dürften, bildet der Rio Grande die westliche Grenze zwischen der Republik Texas und Mexiko. Eine Grenze, die von Mexiko offiziell widerstrebend akzeptiert wird, die jedoch immer wieder von den Mexikanern überschritten wird. Dabei befindet sich Santa Anna durchaus in einer Zwickmühle. Er will Texas zurück, ahnt aber sicher, dass Texas enge Verbindungen und den Anschluss an die Union wünscht. Um diesen Beitritt in die Union nicht zu beschleunigen und keinen Krieg mit uns zu provozieren, wendet er einen schmutzigen Trick an. Er schickt keine regulären Truppen über den Rio Grande, sondern Gruppen marodierender Banditen. Texas hat sechs Kompanien berittener texanischer Ranger aufgestellt, die damit aber nicht fertig werden, da die Indianer ein weiteres Problem sind.“
„Sir, entschuldigen, wenn ich nun doch eine Frage stellen muss.“ Matt Dunhill nahm einen Schluck Port, um seine Stimmbänder ein wenig zu ölen. „Wir sind eine reguläre Truppe der U.S.-Army. Texas ist hingegen eine unabhängige Republik. Da können wir doch offiziell gar nicht in Texas operieren, oder? Wenigstens nicht, ohne diesen Santa Anna erheblich zu provozieren.“
„Da haben Sie recht, Matt. Daher ist es ihre offizielle Aufgabe, eine Art Forschungsexpedition nach Texas zu führen,