"Ich habe gute Neuigkeiten. Meine Freundin, Dr. Aleks Totter, hat deinen Fall dem Chefarzt vorgestellt. Er meinte, er würde es für möglich halten, das ganze minimalinvasiv vorzunehmen, damit sinken die Risiken enorm."
Fabio horchte auf. Sollte der Thorax nicht, wie in Deutschland geplant, geöffnet werden müssen, würden die Risiken wirklich enorm sinken.
Dave sagte ihm alles, was er von Dr. Totter gehört hatte. Es klang wirklich gut. Natürlich würden noch Restrisiken, wie zum Beispiel die normalen Narkoserisiken, bleiben, aber es war bei weitem nicht so schlimm wie die komplette Öffnung des Thorax. Dave nahm sich viel Zeit, um mit Fabio zusammen alle Informationen durchzugehen und die Erläuterungen anhand der Befunde zu analysieren.
Zum Schluss rief er noch bei seiner Freundin an und vereinbarte über sie einen Termin mit dem Chefarzt in vier Wochen, da dieser ziemlich ausgebucht war.
Fabio bedankte sich und verabschiedete sich von Dave. Dann fuhr er guter Dinge zurück zu Sky.
Natürlich brannte sie auf Neuigkeiten und war ganz aus dem Häuschen, als Fabio ihr von dem Angebot erzählte. Auch für ihn klang es nicht schlecht. Gut sogar, wenn er ehrlich zu sich war. Aber war es wirklich das, was er wollte?
Unter Skys Euphorie fühlte er sich erdrückt und gedrängt. Es fühlte sich an, als hätte ihn jemand einen Schritt näher an die Schlucht geschoben und versuchte, seine Entscheidung zum Sprung zu erzwingen.
Aber die Frage blieb noch immer. Sollte er springen und das Risiko eingehen, nie auf der anderen Seite anzukommen?
Zusammen mit Ella schien ihm das Leben auf dieser Seite gar nicht so schlimm zu sein. Sie war bei ihm, schaffte es, dass er sich unglaublich gut fühlte. Schaffte es sogar, dass er Sky fast völlig aus seinen Gedanken verdrängte.
Sky war nicht mehr viel mehr als eine gute Freundin. Es tat nicht mehr weh, sie zusammen mit Ryan oder Marry zu sehen. Wenn er abends im Bett lag, dachte er nicht mehr an Sky, sondern an Ella. Seine Ella. Gutmütig, sanft, voller Mitgefühl und unglaublich empathisch.
Ella mit ihren weichen Kurven, dem schönen Gesicht und den perfekten Augen. Er dachte an Ellas weiche Lippen, die sich so unglaublich gut auf seinen anfühlten. Ihren immer süßen Geschmack und die feinen Hände, die so zärtlich über ihn glitten.
Sollte er das alles für einen kleinen Sprung riskieren? Nach Jahren war er endlich wieder glücklich, wie konnte er das aufs Spiel setzen? Fabio schob den Gedanken von sich. Bevor er mit dem Chefarzt gesprochen hatte, brauchte er sich keine Gedanken darüber zu machen.
ELLA
Fabio war den ganzen Vormittag über sehr ausgelassen. Er hatte ihr von dem Gespräch mit seinem Freund erzählt und klang dabei ziemlich begeistert, aber irgendetwas stimmte nicht.
In ihrer Mittagspause entschied sie sich, neben Max einen weiteren ruhigen Hund mitzunehmen, damit sie in Ruhe mit Fabio sprechen konnte.
Mit ineinander verschränkten Fingern liefen sie die Straße zum Imbiss hinunter.
"Und was genau hindert dich dann an dieser Operation?", fragte sie und sah dabei angestrengt auf den Boden.
Diese Frage kam ihr irgendwie zu persönlich vor, als hätte sie nicht das Recht, in sein Innerstes zu sehen.
Eine ganze Weile lang schwieg er. Seine Hand fühlte sich angespannt an und sie konnte die Rädchen in seinem Kopf arbeiten hören.
"Ich habe Angst."
Sein Geständnis kam quasi aus dem Nichts. Er hatte so glücklich geklungen, woher kam dieser Wandel?
"Warum?"
"Natürlich ist das Risiko gering … aber es gibt ein Risiko. Ich kann mir nichts vormachen. Ich meine … ich bin sehr zufrieden im Moment, sollte ich wirklich alles wegen dieser OP aufs Spiel setzen? Mir geht es gut, ich kann fast alles machen."
Sofort erschienen sämtliche Horrorszenarien in Ellas Kopf. Sie stellte sich vor, wie sie zu Hause saß und die Nachricht erhielt, dass Fabio die OP nicht überstanden hatte.
Ihr Herz krampfte sich zusammen. Der Rest ihres Körpers tat es ihm gleich. Der Gedanke, ihn zu verlieren, zog ihr den Boden unter den Füßen weg und ließ sie taumeln.
"Ella?" Fabios besorgte Stimme ließ sie aufsehen. Besorgt musterte er sie. "Was ist los?"
Sie biss sich auf die Unterlippe. Es war seine Entscheidung, sie durfte sich nicht einmischen.
Sanft streichelte er über ihre Wange. Sein Blick war voller Sorge, was ihr Herz nur noch schwerer werden ließ.
"Was ist los, Ella?", fragte er noch einmal.
"Ich habe auch Angst", sagte sie leise. Sie sollte ihm das nicht sagen, sollte es ihm nicht noch schwerer machen, es war sein Leben.
Er küsste sie unglaublich zärtlich, dann streichelte er sanft mit dem Daumen über ihre Unterlippe.
"Ich werde nichts überstürzen, Ella. Ich habe viel zu verlieren. Mehr als ich mir lange Zeit habe vorstellen können. Ich werde mir anhören, was der Chefarzt zu sagen hat, aber ich habe nicht vor, meine Zeit, die ich mit dir verbringen könnte, fahrlässig aufs Spiel zu setzen."
Ihr wurde warm ums Herz und sie spürte, wie die Erleichterung ihren Körper durchflutete.
Sie reckte sich auf die Zehenspitzen und ihre Hände verkrallten sich in seiner Jacke. Dann küsste sie ihn stürmisch.
Fabios Arme schlossen sich fest um ihre Mitte, als er sie an sich presste und den Kuss genauso gierig erwiderte. Sie liebte seine Lippen, die Art, wie er sie küsste. Sie liebte es, seine Arme um sich zu spüren, als wäre sie etwas Kostbares, das er festhalten musste. Sie liebte seinen klugen Verstand und seine einfühlsame Art.
Sie liebte ihn.
Diese Erkenntnis ließ ihr Herz einen Moment lang aussetzen, nur um es dann doppelt so schnell weiterschlagen zu lassen.
Sie beendete den Kuss und barg ihr Gesicht an seiner Brust. Diesen Gedanken, diese Gefühle, musste sie erst einmal verdauen.
Es war viel zu früh, sie sollte sich nicht so überstürzt auf ihn einlassen.
Was würde passieren, wenn er wieder ging? Zurück nach Hause? Sie müsste hier bleiben und mit einem gebrochenen Herzen allein klarkommen.
Etwas, das sich nicht durch eine OP beheben ließ.
FABIO
Nachdem Ella so erleichtert auf seine Entscheidung reagiert hatte, war irgendetwas an ihr anders geworden.
Sie war ruhiger am Nachmittag, erzählte ihm nicht so viel wie sonst. Es schien, als würde etwas sie ziemlich beschäftigen.
Gedankenverloren stand sie vor einem der Kleintierkäfige und starrte seit Minuten hinein.
Fabio trat hinter sie und stützte die Hände links und rechts von ihr am Regal ab.
Dann vergrub er seine Nase in ihrem Nacken und atmete ihren süßen Duft ein.
Alles an Ella war süß. Ihre Art, ihr Aussehen, ihr Gesicht, ihr Geruch und ihr Geschmack. Seine süße Ella.
Er empfand weit mehr für sie, als er sich hätte vorstellen können. Das war gut so. Ella hatte ihm ein neues Ziel gegeben, etwas, für das es sich zu leben lohnte.
"Alles klar, Süße?", fragte er und küsste sie sanft auf den Nacken.
Von dem Gefühl ihrer weichen Haut unter seinen Lippen konnte er nicht genug bekommen.
Sie drehte den Kopf und lächelte ihn an. Was fehlte, war das übliche Funkeln in ihren schönen Augen. Also versuchte er, sie aufzuheitern.
"Du musst dir keine Sorgen wegen heute Abend machen, Rotkäppchen. Ich bin nicht der böse Wolf und ich werde deine Granny nicht fressen."
Es