Ich wünsch dir alles Gute. Nicole Beisel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicole Beisel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847679929
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Lesestunde mit vielen Kissen und Wolldecken gemütlich machen. Sie und Till hatten sich immer darum bemüht, nebeneinander zu sitzen und den Erzählungen der Erzieherinnen still zu lauschen. Sarah erinnerte sich sehr gerne an diese Zeit zurück, auch wenn ihr aus dieser Zeit nicht sehr viele Erinnerungen geblieben waren. Aber an einen nicht minder schweren Streit konnte sie sich noch sehr gut erinnern.

      Das war kurz vor dem Ende ihrer Kindergartenzeit, wenige Monate vor ihrer Einschulung. Heute kam es ihr wie eine Kleinigkeit vor, aber damals konnte Sarah es nicht verstehen, dass Tills selbst gemaltes Schmetterlingsbild schöner gewesen sein soll, als ihres. Zumindest war das die Bewertung der Erzieherin gewesen, dabei hatte Sarah sich mit ihrem Bild solche Mühe gegeben gehabt.

      Sie war neidisch auf Till und sprach damals mehrere Tage lang kein Wort mit ihm. Bis er von sich aus wieder auf sie zukam, mit dem typischen Kinderspruch »Sind wir wieder Freunde?« Sarah hatte ihren Freund sehr lieb und der Streit hatte sie sehr traurig gemacht. Ihre Mutter hatte ihr damals erklärt, dass jeder etwas Anderes besser kann als ein Anderer. So war der Vorfall schnell wieder vergessen und beide waren sehr aufgeregt bezüglich der bevorstehenden Schulzeit.

      Während der Ferien unterhielten sie sich über ihre neuen Stifte und Hefte und zeigten einander ihre tollen Schulranzen und Turnbeutel. Wie stolz sie damals gewesen waren… Wenn Sarah nun so durch die Straßen lief, konnte sie kaum glauben, wie viele Jahre das alles schon her war. Nun war sie achtundzwanzig und hatte in der Zwischenzeit viel erlebt und war ihren Weg gegangen. Trotzdem hatte sie ihren Freund Till und ihre Erinnerungen an ihn nie vergessen.

      Sarah lief weiter zu der Grundschule, in die sie beide an einem sonnigen Morgen eingeschult wurden. Sie weiß noch, wie stolz beide Elternpaare auf ihre Kinder waren. Till und Sarah freuten sich zwar einerseits auf die Schule, aber andererseits merkten sie auch schnell, dass Lernen gar nicht so einfach war und dass Hausaufgaben gar keinen Spaß machten. Da die beiden in die gleiche Klasse gingen, machten sie auch ihre Hausaufgaben größtenteils gemeinsam. So machte das Ganze wenigstens halbwegs Spaß und sie konnten so noch ein wenig Zeit miteinander verbringen. Die beiden gewannen in der Schule auch einige neue Freunde, aber das Band zwischen Sarah und Till konnte niemand kappen. Als hätte die beiden schon damals etwas sehr Seltenes und Besonderes verbunden. Aber als Kind machte man sich über solche Dinge noch keine Gedanken. Man hatte einfach einen besten Freund oder eine beste Freundin und freute sich über all die gemeinsam erlebten Abenteuer.

      Streit hatte es während ihrer vierjährigen Grundschulzeit nur wenig gegeben und wenn doch, dann ging es meist um die Schule oder um andere Freunde, mit denen einer von beiden plötzlich mehr Zeit verbringen wollte. Aber Sarah und Till hatten immer wieder aufs Neue zueinander gefunden. Ihre anderweitigen, neu geschlossenen Freundschaften waren nie von sehr langer Dauer gewesen. Ihre gemeinsame Zeit in der Grundschule war für beide recht erträglich gewesen. Sie machten beide gute Fortschritte und hatten nur wenige Probleme mit dem Unterricht oder den Aufgaben, die es sowohl während des Unterrichts als auch zu Hause zu lösen galt. Gemeinsam hatten sie so ziemlich alles bewältigen können. Schließlich stand der Wechsel in die weiterführende Schule bevor.

      Das war die Zeit, als das Band ihrer Freundschaft langsam die ersten Risse bekommen hatte. In den darauffolgenden Jahren war einfach zu viel geschehen.

      Das Ergebnis der Grundschule war der, dass Sarah und Till beide in die Realschule versetzt wurden. Allerdings besuchten sie beide nicht mehr dieselbe Klasse und hatten somit teilweise andere Aufgaben zu bewältigen. Auch waren ihre Schulzeiten nicht mehr die gleichen und so kam es, dass sie nicht mehr jeden Morgen gemeinsam zur Schule liefen, etwa weil einer der Beiden erst zur zweiten Stunde zum Unterricht erscheinen musste. Auch hatte immer mal wieder einer von beiden früher Schulschluss und musste sich somit alleine auf den Heimweg machen. Die Hausaufgaben mittags gemeinsam zu bewältigen, hatte nach einer Weile auch keinen Sinn mehr gemacht, da immer eine Klasse mit bestimmten Themen weiter war, während die andere Klasse noch das vorherige Thema durchnahm.

      Trotzdem versuchten sie, sich in ihrer restlichen Freizeit so oft es ging zu sehen. Sarah war schon froh, wenn sie Till mal nach den Hausaufgaben für ein bis zwei Stunden sehen und sich mit ihm über die Schule und über andere Dinge austauschen konnte. Er fehlte ihr, und ihm ging es ähnlich. Natürlich knüpften sie innerhalb ihrer eigenen Schulklassen weitere Kontakte und Freundschaften, aber nichts kam an ihre langjährige Freundschaft heran. Bis zur sechsten Klasse konnten sie ihre restliche freie Zeit noch recht gut miteinander verbringen, aber ab der siebten Klasse wurde dies zusehends schwieriger.

      Sarah lief über den Hof des großen Schulzentrums, rief sich in Erinnerung, wie überfüllt von Schülern er in den Pausen immer gewesen war, ging zu der Stelle, an der sie sich in den Pausen, soweit möglich, mit Till getroffen hatte und setzte sich dort auf die kleine Mauer, auf der sie mit Till so oft gesessen hatte. Erneut ließ sie den Blick über den leeren Hof schweifen, bevor sich in ihrem inneren Auge ein Bild von Till auftat, so, wie er damals ausgesehen hatte.

      2. Kapitel

      »Hey. Na, wie läuft’s?« Das war sein Standardspruch gewesen, wenn sie sich mittags in den Pausen auf dem Schulhof trafen. »Ach, wie immer. Und bei dir?« »Auch. Was machst du denn am Wochenende? Meine Eltern wollen mit mir auf unseren Campingplatz fahren. Magst du mitkommen?«

      Sarah fand, das war eine gute Idee. Sie würde nachher gleich ihre Eltern fragen, aber sicher würden sie nichts dagegen haben. »Klar. Ich geb dir dann Bescheid.«

      Ihre Gespräche auf dem Schulhof waren immer ziemlich ähnlich verlaufen. Kurz und knapp, eher sachlich und allgemein gehalten. Sarah hatte gespürt, wie Till sich im Laufe der Jahre verändert hatte. Er war älter geworden, irgendwie reifer und erwachsener. Er wirkte cooler und er sah richtig gut aus.

      Auch Sarah hatte sich verändert. Sie wurde weiblicher und ernster, aber sie hatte ihren besten Freund nie aus ihren Gedanken verloren. Er war ihr noch immer sehr wichtig, aber in der Zwischenzeit wusste sie nicht, ob es ihm noch genauso ging oder ob er langsam das Interesse an ihr verlor. Till war für sie noch immer ihr bester Freund, sie verbrachten lediglich weniger Zeit miteinander als vorher, was zwar sehr schade, aber nur verständlich war.

      Till hingegen gingen ganz andere Gedanken durch den Kopf. Er wusste, dass ihre Freundschaft niemals ganz zerbrechen würde. Dafür kannten sie sich einfach schon zu lange. Er war sich sicher, sie beide würden immer befreundet bleiben. Auch wenn sich im Laufe der Jahre nicht nur ihre Freundschaft verändert hatte…

      Sarah war sehr hübsch geworden. Ihr dunkelblondes, glattes Haar hatte sie bis zu den Schultern wachsen lassen und langsam kam sie in ein Alter, in dem Schminke und schicke Klamotten eine immer größere Rolle spielten. Außerdem war sie schlank und war in ihrer Klasse sehr beliebt. Umso erleichterter war er gewesen, dass sie den Kontakt zu ihm nie abgebrochen hatte und noch immer ihre freie Zeit mit ihm verbrachte.

      Es kam tatsächlich so, dass Sarah mit Till und seinen Eltern auf deren Campingplatzfuhr, der an einem wunderschönen See lag, wo sie ein ganzes Wochenende miteinander verbrachten. Sie hatten eine schöne Zeit gehabt, hatten viel über die vergangenen Monate gesprochen und in Erinnerungen an ihre frühen Kindertage geschwelgt. Da hatte Sarah gewusst, dass sie ihren besten Freund nicht verloren hatte, sondern dass ihm ihre Freundschaft noch immer sehr wichtig gewesen war.

      Sie verbrachten das Wochenende am See auf rein freundschaftlicher, aber enger Basis. Sie redeten, philosophierten, erinnerten sich an vergangene Tage und träumten von ihrer Zukunft. Auch, wenn sie viel Zeit miteinander verbracht hatten, wäre keinem der beiden jemals in den Sinn gekommen, dass sich aus ihrer derart engen und langjährigen Freundschaft mehr entwickeln könnte. Sie waren Freunde von Kindesbeinen an und wollten das auch bleiben. Natürlich war das jeweils andere Geschlecht zunehmend interessanter geworden, aber für eine Beziehung oder etwas Derartiges kannten sie sich schon viel zu lange. Außerdem war ihnen beiden die Freundschaft mit das Wichtigste in ihrem Leben und auf keinen Fall wollten sie diese zerstören.

      Sarah lief weiter zu ihrem alten Wohnblock, der in der Zwischenzeit ebenfalls renoviert worden war und viel moderner wirkte, als vor vielen Jahren, als sie und Till Jugendliche waren. Die Bank, die zum