Da ich ein Restvertrauen in unsere demokratische Grundordnung behalten habe und ich täglich von Menschen lesen oder sie im Fernsehen sehen und hören kann, denen es so geht wie mir, sprich, die über Informationen, Fakten, Erfahrungen und Konsequenzen nicht mehr hinwegsteigen können, veröffentliche ich meine Bücher zur Heillosen Kultur, in der Hoffnung, das Verhältnis, wie der Mensch zum Menschen steht, mit in eine positivere Richtung verändern zu können: dazu sind Ungleichbehandlungen im System zu betrachten, und gleichfalls Orientierungen an Mensch und Seele, die in unserer Gesellschaft zu kurz kommen.
Wort- und Gefühlfindungen
Manche Sachverhalte lassen sich nicht oder kaum in Worte fassen. Und das liegt nicht an Wortfindungsstörungen oder dem Mangel an Ausdrucksmöglichkeit.
Es liegt an emotional-physischen Reaktionen auf Informationen in unserer Kultur – Kultur verstanden als die Gesamtheit aller geistigen, künstlerischen, sozialpolitischen und psychoökonomischen Lebensäußerungen. Sie verschlagen einem buchstäblich die Sprache. Man fühlt sich hilflos, denkt: „Das gibt’s doch gar nicht ...“ Man fragt sich, in was für einer Welt man gelandet ist …
Stellt sich so eine Reaktion ein, sind Menschen noch im Kontakt mit Instinkten und Gefühlen. Gott sei Dank. Denn wir brauchen Gefühle in Deutschland, um Probleme zu lösen und Missstände zu beseitigen.
Die in unserer Kultur erzeugte Hilflosigkeit ging und geht auch nicht an mir vorbei und löste im Sommer 2005 einen Impuls in mir aus, der wie eine Fliege an ungeschützt offen stehendem Kuchen an Neuigkeiten klebte: Ich las Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, sah entsprechende Sendungen im Fernsehen. Das Schreiben dieses Buches ist ein Weg aus der Hilf- und Sprachlosigkeit heraus. Ich hatte meinen angefeuchteten Finger in die Luft gehalten und mich gefragt, woher der Wind plötzlich in Deutschland weht... Etwas veränderte sich rasant und ich wollte gerne wissen, was...
So kam es, dass ich las und schrieb ohne Konzept noch Hypothese, folgte einfach nur meinen Gefühlen, mich mit den Vorgängen in unserer Gesellschaft schleunigst beschäftigen zu müssen. Am Anfang wusste ich noch nicht einmal, dass ich anfing, ein Buch zu schreiben! Ich dachte, es wäre einfach nur ein „Frust raus schreiben.“ Für mich ganz allein. Freunde ermunterten mich, weiter zu schreiben. Als es fertig war, hörte ich auch die Frage, ob ich mich unglücklich machen wolle? Ich war im Zweifel, ob ich missverstanden werden könnte, was mir am Herzen, im Sinne des Menschen und für Menschen allgemein, lag.
Unmissverständliches Ziel des vorliegenden Buches ist es, menschliches Wesen, Selbstwert und Heilungsprinzip an die Spitze der Kultur schreiben zu wollen oder einen Beitrag dazu zu leisten. Nach zwei Monaten Bedenk- und Reflexionszeit fand ich, dass Band 1 so, wie er ist, sich für mich richtig anfühlt.
Die obige, an Wissenschaft orientierte Einordnung nahm ich jetzt nachträglich vor. Das eine oder andere habe ich darüber hinaus noch ergänzt, wie jetzt diese Zeilen. Wenn generell Menschen aus der Wirtschaft oder der Politik sich nicht gesehen oder verstanden fühlen sollten, liegt es an der moralisch, ethischen Spaltung in der Kultur, die ich hier nun anhand von Nachrichten in den Medien reflektiere, und die unterschiedliche persönliche Identifizierungen hinsichtlich der Ziele provozieren.
Deshalb möchte ich ausdrücklich hier mitteilen: Für keine einzige Hiobsbotschaft und, Entschuldigung, Schweinerei, in dieser Kultur bin ich verantwortlich. Aber ich erlaube mir, sie wahrzunehmen und eben nicht darüber hinweg zu gehen oder zu sehen, sondern darüber zu schreiben. Meine Beteiligung an dieser Kultur findet sich immer noch im Gesundheitswesen, deren alten, hehren Wert, die Heilung von Menschen, ich herauskristallisiere und für den ich eintrete, und zwar egal, aus welcher Schicht ein Mensch zu mir kommt: Mensch ist Mensch.
So geht es mir auch mit der Beschäftigung mit den Fakten und Vorkommnissen in Deutschland, denen ich mich hier in den Büchern widme. Meiner Ansicht nach braucht die Kultur eine neue Metaebene, auf der tatsächlich ideologiefrei reflektiert werden kann, wie man aus gegenwärtigen Miseren zu intelligenten und menschenwürdigen Lösungen gelangen kann. Allerdings kann man nicht zu Lösungen gelangen, wenn man die Dinge besser nicht ansprechen sollte, die unabdingbar reflektiert und verändert gehören! Wenn man sich mit den Ereignissen in der Kultur so beschäftigt, wie ich es getan habe und ohne Handschuhe mit den Fakten, die aufzeigen, wie Menschen zerstört werden, beschäftigt, dann kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, man habe etwas damit zu tun. Dieser Eindruck ist insofern richtig, als man sich dann abwendet und nichts tut! Weil, was will man schon tun können? Außer dem, was man sonst auch schon getan hat. Aber das war mir zu wenig; obwohl die tägliche Arbeit mit Patienten schon als Stern am Himmel in unserer Kultur zu werten ist, wenn sie mit dem Ziel, Menschen zu Gesundheit verhelfen zu wollen, vollzogen wird. Denn es reicht heutzutage nicht, zu sagen: „So geht das nicht.“ Man sieht ja täglich, dass es genauso schlecht wie vorher weiter geht! Mein Beruf wird zunehmend mehr mit eigentlich nicht zur Berufsausübung zählenden Aufgaben aus bürokratischer Sicht, und aufgrund der Missstände in der Gesellschaft, überfrachtet. Ungefragt übernimmt man Sozialarbeiterhilfsfunktionen oder verweist auf Rechtsanwälte, ruft die Staatsanwaltschaft an, um für Patienten Sachverhalte zu klären und arbeitet sich in unterschiedliche Wertesysteme und deren Lebensrealitäten ein. Nicht, weil man sich in unserem Fachbereich darum reißt, sondern weil die Notwendigkeit besteht. Insofern kann nachvollzogen werden, dass es kein großer Schritt war, als ich mich an den Computer setzte und zu schreiben begann. Es war lediglich eine Erweiterung, aber keine grundsätzlich neue Beschäftigung.
Ich fand Worte, fasste die Phänomene in unserer Kultur zusammen. Das vorliegende Buch zeigt im Ergebnis die generelle und weltweite Abschaffung des Heilungsprinzips anhand politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen in Deutschland auf. Kapitalistischer Wettbewerb und Heilungsprinzip schließen sich demnach aus: Selbstwert und Mehrwert stehen sich unvereinbar gegenüber. Mehrwert oder Profitsucht dirigiert alle Werte. Und das heißt, Mehrwert dirigiert Menschen – statt dass Menschen vor Selbstwert strotzen und Wirtschaft, orientiert am menschlichen Wesen, dirigieren.
Damit verlieren Bedürfnisse von Menschen, Menschen generell und das Leben an sich immens aufgrund des ethischen Werteverfalls an Bedeutung. Mein Anliegen ist es, so nah, und damit so emotional wie möglich an diese Themen heranzukommen und dran zu bleiben. Alles andere wäre in der derzeitigen kulturellen Situation völlig fehl am Platze – denn die meisten Menschen in Deutschland wissen und fühlen gar nicht mehr richtig, wo ihr Platz ist und auf welchem Boden sie stehen. So wenig wie ich meinen Platz und den Boden unter meinen Füßen als Fachärztin für Psychotherapie innerhalb der Kassenärztlichen Vereinigung und differenziert als Psychologische Psychotherapeutin in Deutschland klar benennen könnte. Viele Unternehmer haben längst den Standort gewechselt, innerlich und äußerlich, und Politiker sind so weit Oben, dass die Vorgänge und Bedürfnisse im Leben der Menschen offenbar nur verfremdet und verzerrt wie im Kinderspiel „Stille Post“ bei ihnen ankommen oder sie inhaltlich schon gar nicht mehr interessieren – schließlich könnte es das Gewissen belasten. Sie leben selbst innerlich und äußerlich ja ganz woanders, in einem völlig anderen Leben. Festzustellen bleiben völlig konträre und widersprüchliche Sichtweisen auf das sich verändernde Leben der Menschen im Land. Es wachsen völlig unterschiedliche Lebensformen mit unterscheidbaren Stufen, die durch Skalen der Bedürfnisse gebildet werden. Aus ihnen sind unterschiedliche Lebensinhalte und Lebensziele zu entnehmen. Letztlich ist es die Einkommenshöhe, die bestimmt, auf welchem Niveau sich das Leben der Menschen abspielt. Die geschaffenen Mauern und Grenzziehungen durch die politisch-wirtschaftlich als notwendig ausgewiesene Zweiklassengesellschaft spielten sich im Wesentlichen in den letzten Jahren unsichtbar ab, befinden sich im Inneren der Menschen und schränken sie in ihren vitalen Lebensimpulsen ein. Aber sie treten nun unverblümter in großen Städten und deren Stadteilen zutage.
Ich habe mich gefragt, wie es möglich ist, das zig kleine Einzelentscheidungen und gesetzliche Verordnungen eine Realität hervorbringen, die einen kleinen Teil der Bevölkerung in grenzenlose materielle