Liebe nach Rezept - Insulaner küssen besser. Mira Schwarz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mira Schwarz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745014099
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      Kapitel 2 - Aufmunternder Nachtmittagstee

      Luisa schreckte aus einem unruhigen Schlaf hoch. Sie war nach dem Gespräch mit Adriana von deren Bett auf das gemütliche Sofa im Wohnzimmer umgezogen und anscheinend eingeschlafen.

      Es hatte angefangen zu regnen, und man hörte nur die dicken Tropfen gegen die Scheiben prasseln, ansonsten war es sehr still in der Wohnung. Luisa sah auf die Uhr.

      16:15 Uhr. Wo war Adriana? Ach ja, sie hatte zurück ins Büro gemusst. Vorhin hatte sie ihre Mittagspause geopfert, um schnell mal nach ihr zu sehen. Luisa war ihr so dankbar!

      Adriana hatte die halbe gestrige Nacht mit ihr durchwacht, sie getröstet und im Arm gehalten. Luisa kamen wieder die Tränen, als sie an den furchtbaren Abend dachte. Nachdem sie Enno und Mia in flagranti erwischt hatte, war sie ziellos losgelaufen, einfach losgelaufen, nur in ihrem Kochoutfit. Es war empfindlich kalt gewesen, eine Hamburger Frühlingsnacht ist nicht zwangsweise milde. Irgendwann stand sie vor ihrer Wohnungstür in der Speicherstadt des Hamburgerer Hafens, immerhin eine halbe Stunde Fußmarsch vom Chez Enno entfernt. Natürlich hatte sie keinen Schlüssel dabei gehabt, daher klingelte sie bei der alten Frau Müller im Parterre, wo sie und Enno einen Ersatzschlüssel deponiert hatten.

      Es war ihr völlig egal gewesen, dass die arme Frau bereits im Bett gelegen hatte. Ohne großartig eine Erklärung abzugeben, hatte sie nach dem Schlüssel verlangt und war hinauf in ihr gemeinsames Appartement gestürmt. Sie hatte furchtbare Angst gehabt, dass Enno sie hier suchen würde, sie hatte ihm auf keinen Fall begegnen wollen. Schnell hatte sie ein paar Sachen zusammengesucht, alles in ihre Sporttasche gestopft, ein Taxi gerufen und war wieder nach unten gerast.

      Der Wagen hatte sie bei Adriana in Hamburg-Ottensen abgeliefert. Sie hatte Sturm geklingelt, der verblüfften Adriana gesagt, dass sie das Taxi bezahlen solle und sich dann auf deren Bett geworfen. Erst da hatte sie angefangen zu weinen.

      Und nun saß sie hier in dieser leeren Wohnung und war mit ihren quälenden Gedanken allein. Sie sah auf den Anrufbeantworter. Die kleine Lampe blinkte wie wild. Enno hatte sich natürlich gleich gedacht, dass sie zu Adriana geflohen war. Auf ihrem Handy hatte er es sicher zuerst versucht, das lag jedoch noch in ihrer Tasche im Chez-Enno, eingeschlossen in ihrem Spint. Soll er doch warten, bis er schwarz wird, dachte Luisa und stand mühsam auf.

      Sie fühlte sich um hundert Jahre gealtert. Luisa durchquerte den Wohnraum und ging in die offene Küche. Dort schenkte sie sich ein Glas Leitungswasser ein, nahm einen Schluck und lehnte sich an die Küchenzeile. Sie sah sich in der Altbauwohnung um. Adriana hatte wirklich einen tollen Geschmack. Obwohl die Wohnung sehr modern eingerichtet war, strahlte sie eine ungeheure Gemütlichkeit aus. Günstig war das alles sicher nicht gewesen, mutmaßte Luisa. Aber Adriana konnte es sich leisten, sie arbeitete in dem renommierten Architekturbüro Hermanns und Söhne und verdiente wirklich ausgesprochen gut.

      Sie bauten Bürohäuser und ähnliche Ungetüme, und Luisa hatte Adriana bereits einmal auf einer Großbaustelle in Aktion erleben dürfen. Es war herrlich gewesen, die Bauarbeiter hatten beim Anblick dieser hübschen, zierlichen Brasilianerin nicht damit gerechnet, von ihr ordentlich den Marsch geblasen zu bekommen.

      Plötzlich klingelte es an der Tür. Luisa erstarrte. Was, wenn das Enno war? Sie wollte ihn nicht sehen. Es klingelte wieder. Ich mache einfach nicht auf, soll er doch da unten verrotten, dachte sie. Nach einem weiteren Klingeln wurde es ruhig, dann schrillte plötzlich das Telefon. Luisa zuckte zusammen.

      Nach dem fünften Klingeln ging der Anrufbeantworter an. „Luisa, Luisa-Herzchen, bist du da? Hier ist Ben! Luisa, es regnet in Strömen, bitte mach doch auf! Ich habe meine neuen Schuhe an, die sind gleich ruiniert, Luisa bitte!“

      Ben!

      Den hatte sie ganz vergessen. Er hatte ja versprochen, vor seiner Schicht in der Bar noch bei ihr vorbeizuschauen. Adriana hatte ihn angerufen und ihn ausführlich über die Geschehnisse informiert. Sie eilte zur Wohnungstür, öffnete diese und drückte gleichzeitig auf den Summer für die Haustür. Schnelle Schritte waren im Treppenhaus zu hören und dann stand Ben auch schon vor ihr.

      Er sah wie immer entzückend aus.

      Seine großen blauen Augen strahlten in einem überraschend jungenhaften Gesicht, wenn man bedachte, dass er genauso alt war wie Luisa. Seine strohblonden Haare trug er zu einem modernen Undercut geschnitten und gekleidet war er – wie immer – für einen Mann ein bisschen zu gut.

      Perlen vor die Säue, dachte Luisa nicht zum ersten Mal, denn Ben liebte ausschließlich Männer. Was war das bloß für eine Verschwendung! Sie schloss die Tür hinter ihm. Ben breitete die Arme aus.

      „Hier bin ich, wie von dir bestellt, um dich von deinem traumatischen Erlebnis abzulenken. Lass dich mal in den Arm nehmen, Süße.“ Luisa lehnte ihren Kopf an Bens Schulter und er legte die Arme um sie. Sofort fing sie wieder an zu weinen. Es war so schön, dass er da war.

      „Schhhh, Süße, es wird alles wieder gut, das verspreche ich Dir.“ Er führte sie zum Sofa, drückte sie in die weichen Kissen, zog seinen nassen Mantel aus und legte ihn über einen Stuhl. Dann setzte er sich neben sie und nahm sie wieder in den Arm.

      „Weißt du noch, damals in der zehnten Klasse - das war, glaube ich, zu der Zeit, als ich meine Haare pink gefärbt hatte - da warst du mit diesem Boris zusammen, der immer diese furchtbaren Klamotten trug.“

      „Der trug keine furchtbaren Klamotten, der hat sich nur einfach ganz normal angezogen“, murmelte Luisa in seine Schulter hinein.

      „Wie dem auch sei“, entgegnete Ben, „aber als dieser schlecht angezogene Boris mit der magersüchtigen Heidi rumgeknutscht hat, da dachtest du auch, dass die Welt untergehen und du nie drüber hinwegkommen würdest. Und Schwupps, zwei Wochen später warst du mit diesem süßen - wie hieß er doch gleich, diesem schwarzhaarigen …“

      „Marcel.“

      „Richtig, und Schwupps warst du mit Marcel zusammen und verliebt bis über beide Ohren!“

      „Du kannst das alles hier doch nicht mit einer Jugendliebe vergleichen! Mensch Ben, ich wollte Enno heiraten! Mit sechzehn steckt man sowas doch viel besser weg, da verliebt man sich alle naslang in jemand anderen. Aber ich bin jetzt fast zwanzig Jahre älter“. Sie schluchzte. „Ich werde nie wieder jemandem vertrauen können, und falls doch, dann dauert das bestimmt noch Jahre, und dann bin ich vierzig, und dann bin ich richtig alt und Kinder kann ich mir dann auch abschminken.“ Sie schluchzte erneut.

      „Das ist doch Quatsch!“ Ben zog ein Kosmetiktuch aus einer Pappschachtel, die auf dem Couchtisch stand und reichte es ihr. „Man kann doch heute locker mit Anfang vierzig noch Kinder bekommen“, versuchte er sie zu trösten.

      „Das ist mir total egal, ich will einfach keine alte Mutter sein, auch wenn das biologisch oder mit medizinischer Hilfe möglich ist.“ Sie putze sich geräuschvoll die Nase.

      „Süße, könnte es sein, dass du so wahnsinnig an diesem Familiending hängst, weil du ohne Mutter aufgewachsen bist?“

      Ben streichelte ihr über das widerspenstige blonde Haar.

      „Ach Ben, ich war doch erst ein halbes Jahr alt, als sie starb. Ich kann mich doch gar nicht an sie erinnern. Und ich habe im Übrigen auch nichts vermisst, meine Oma war immer für mich da und Paps ja sowieso.“

      „Ich weiß, Oma Josie war schon eine tolle Frau.“ Er lächelte. „Sie war die erste, die gemerkt hat, dass ich anders war als die anderen Jungen.“

      Ben und Luisa kannten sich seit Kindergartentagen, hatten in derselben Straße in Hamburg-Barmbek gewohnt und ihre ganze Schulzeit miteinander verbracht. Einmal hatte es so ausgesehen, als ob Ben sitzenbleiben würde. Luisa hatte nächtelang mit ihm gelernt und dann hatte er es glücklicherweise doch noch in die zehnte Klasse geschafft.

      „Ich meine ja nur“, nahm Ben den Faden wieder auf, „du weißt schon,