Liebe nach Rezept - Insulaner küssen besser. Mira Schwarz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mira Schwarz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745014099
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wurde das Essen dann in gemütlicher Atmosphäre genossen. Auch Firmen nahmen das Angebot gern für ihre Weihnachtsfeiern oder andere Betriebsfeste wahr. Für den Service waren zwei Kellnerinnen zuständig, in der Regel hübsche Studentinnen. Heute waren es Mia und Sophie. Sie schenkten gerade Wein nach. Nicht zum ersten Mal frage sich Luisa, was wohl ihre Großmutter zu dieser Art von Restaurant gesagt hätte.

      Sie hatte ein kleines Lokal in Hamburg-Barmbek geführt, die Gäste waren meist einfache Arbeiter aus der Umgebung gewesen und es war schmackhafte, ehrliche Hausmannskost serviert worden.

      Luisa war quasi in der Restaurantküche ihrer Oma groß geworden, und so hatte es auch niemanden verwundert, als sie später unbedingt Köchin werden wollte. Nein, Oma Josie hätte nur den Kopf geschüttelt über Leute, die – obwohl sie hoch aufgerüstete Küchen mit den teuersten Geräten ihr eigen nannten – ihre armen Gäste in angemietete Küchen schleppten, damit diese dort ihr Essen selbst kochten.

      Ja, die Zeiten ändern sich, Omilein, dachte Luisa und blickte sich suchend nach Enno um. Die moderne Küchenzeile wurde nur durch eine Theke von dem großen Gastraum mit den hohen Decken und den bodentiefen Fenstern getrennt. Gleich dahinter stand ein sehr langer, rustikaler Holztisch, an dem die Gäste saßen. Und dort, am Tischende, stand Enno und unterhielt sich mit dem Geburtstagskind, während er Wein nachschenkte.

      Mein Gott, er sieht so gut aus, dachte sie und ihr Herz machte einen freudigen Hüpfer. Enno war nämlich nicht nur ihr Chef, sondern auch ihr Verlobter. Manchmal konnte Luisa es gar nicht glauben, dass sie mit so einem tollen Mann zusammen war. Sie grinste in sich hinein. Es gab Zeiten, da wurden diese kleinen Disney-Fantasien von Mädchen halt doch wahr.

      Gut, anstatt einer Prinzessin war sie Köchin, das Schloss war auch gerade einmal eine gemütliche Altbauwohnung in der Speicherstadt, magische Kräfte konnte sie auch nicht ihr eigen nennen, aber den Prinzen … den hatte sie bekommen. Samt Leben, was zwar hart war, aber sie zufrieden stellte.

      Er kam aus einer sehr reichen, echt hanseatischen Familie aus Hamburg-Blankenese, sah umwerfend aus (auch wenn ihre beste Freundin Adriana behauptete, dass er in letzter Zeit etwas Fett angesetzt hatte) und war zudem auch sehr erfolgreich (was er laut Adriana hauptsächlich seiner reichen Familie zu verdanken hatte, aber Luisa wusste nur zu gut, wie hart Enno arbeitete).

      Sie selbst fand sich im allgemeinen und besonders an guten Tagen zwar auch ganz passabel, aber mit mittlerweile fast dreiunddreißig Jahren und dem einen oder anderen Pfündchen zu viel – wenn auch an den richtigen Stellen, wie Enno nicht müde wurde zu betonen - kam ihr Selbstbewusstsein doch schon mal ins Wanken.

      Nur bei ihrer geliebten Kocherei zweifelte sie nicht an ihren Fähigkeiten. Sie wusste, dass sie gut war in ihrem Job. Luisa beobachtete, wie Enno an dem langen Holztisch entlang ging, hier und da nachfragte, ob alles in Ordnung sei, etwas Wein nachschenkte und ganz einfach ein perfekter Gastgeber war.

      Dieser Mann war so selbstsicher!

      Es entging ihr nicht, wie die Frauen auf ihn reagierten, ganz automatisch flirteten sie mit ihm.

      Tja Ladies, Pech gehabt, dieser Mann gehört mir, frohlockte sie und begann, ihren Arbeitsplatz aufzuräumen. Um den Abwasch konnten sich Mia und Sophie ausnahmsweise nachher alleine kümmern, wozu war man schließlich die Freundin ... pardon, Verlobte des Chefs? Auch daran musste sie sich noch gewöhnen.

      Luisa sehnte sich nach ihrer Couch, einem guten Glas Wein und Enno an ihrer Seite. Sechs Koch-Events an sechs Tagen in Folge waren einfach zu viel. Sie strich sich gerade ihre blonden Locken von der Stirn, als sie eine Hand auf ihrer Hüfte spürte.

      „Na mein Engel, das hast du wieder großartig hingekriegt mit diesen verwöhnten Großstadt-Tussies“, raunte ihr Enno ins Ohr.

      „Ja, einfach war es heute wirklich nicht“, stimmte Luisa ihm zu und drückte seine Hand. „Lass uns heute etwas früher schlussmachen. Ich bin total kaputt.“

      „Okay“, antwortete Enno, „dann sehe ich mal zu, dass ich hier fertig werde. Ich gehe schnell raus zum Lieferwagen und hole die restlichen Kisten vom Großmarkt.“ Er gab ihr noch heimlich einen leichten Klapps auf den Allerwertesten und verschwand durch den Hinterausgang nach draußen.

      Routiniert und konzentriert fuhr Luisa mit ihrer Arbeit fort, legte die Kochutensilien wieder an Ort und Stelle und ging den Menüplan für Freitag durch. Morgen hatten sie zum Glück keine Buchung reinbekommen. Paul war zurzeit im Urlaub, daher musste sie seine Schichten übernehmen und freute sich umso mehr über einen freien Tag. Sie sah hinüber zu der Geburtstagsgesellschaft. Mit jedem neuen Glas Wein wurde das Stimmengewirr lauter und die Stimmung ausgelassener.

      Sie blickte auf die Uhr: Zeit fürs Dessert. Luisa öffnete den Kühlschrank und holte die kleinen Schälchen mit der Mousse au Chocolate heraus, welche selbstverständlich auch von den Gästen zubereitet worden war.

      „Sophie, Mia, ihr könnt jetzt das Dessert servieren“, rief sie und begann, die Schälchen auf drei Tabletts zu verteilen. Mit hochrotem Kopf kam Sophie an die Theke.

      „Ihr? Ich bediene hier seit mindestens zwanzig Minuten alleine. Mia wollte nur mal kurz aufs Klo. Ich habe keine Ahnung, wo sie bleibt!“ Wütend knallte sie ein Tablett mit gebrauchtem Geschirr auf den Tresen.

      „Vielleicht ist ihr nicht gut? Ich schaue gleich mal nach ihr“, antwortete Luisa und schnappte sich eines der Tabletts mit dem Nachtisch und ging hinüber zum Tisch. Sophie folgte ihr mit einem weiteren Tablett.

      „Meine Damen!“, rief sie. „Es ist Zeit für das Dessert! Die Gruppe Nummer 5, welche für das Dessert zuständig war, hat eine perfekte Mousse au Chocolate gezaubert. Guten Appetit!“

      Unter Applaus und lautem Gejohle wurde der Nachtisch in Empfang genommen. Sie feierten sich, als ob sie ein Mittel gegen eine seltene Krankheit gefunden und nicht etwa bloß Eier, Milch und Schokolade miteinander verrührt hatten. Luisa schaffte es, sich umzudrehen und erst dann die Augen zu verdrehen. Sie bat Sophie, den Kaffee zu servieren und machte sich auf den Weg in die Damentoilette, um nach Mia zu schauen.

      Der Waschraum war leer und die beiden Türen zu den Toiletten standen offen. Hier war Mia definitiv nicht. Vielleicht war sie kurz vor die Tür gegangen? Wie aus dem Nichts beschlich Luisa plötzlich ein ungutes Gefühl und ihr Magen krampfte sich zusammen. Wo war Enno eigentlich? Sie war so vertieft in ihre Arbeit gewesen, dass sie gar nicht bemerkt hatte, dass er noch nicht zurückgekommen war.

      Wie lange konnte es denn dauern, die paar Kisten aus dem Lieferwagen zu holen? Zögernd ging sie zum Hintereingang. Was soll der Quatsch, versuchte sie sich zu beruhigen, es gibt bestimmt eine ganz normale Erklärung. Du siehst Gespenster, die arme Mia brauchte bestimmt nur frische Luft. Luisa öffnete die schwere Tür, ging nach draußen und sah sich um.

      Vor dem Hintereingang war niemand zu sehen. Langsam ging sie in Richtung Lieferwagen. Die beiden Hecktüren waren nur angelehnt. Sie blieb stehen und horchte.

      Nichts.

      Doch, da, ein unterdrücktes Kichern kam aus dem Inneren des Wagens. Luisa wurde schlecht. Mia hilft ihm bestimmt nur, bitte lieber Gott, mach, dass Mia ihm nur beim Ausladen hilft, dachte Luisa verzweifelt. Sie musste sich zwingen, die letzten Schritte zum Wagen zu gehen. Langsam öffnete sie eine der Hecktüren. Im Schein der Straßenlaterne konnte sie erst nicht viel erkennen, doch dann sah sie etwas Helles aufblitzten – das blanke, wohlgeformte Hinterteil von Mia!

      „Nein!“, rief sie und ihre Stimme hallte über den leeren Hinterhof. Mia fuhr mit einem Schrei herum, hinter ihr kam Enno zum Vorschein. Er taumelte und riss einen Pappkarton voller Tomatendosen mit sich zu Boden.

      Die extra fein pürierten, dachte Luisa noch. Es schepperte ohrenbetäubend.

      „Luisa!“ rief Enno. „Luisa, warte!“

      Doch sie hatte sich bereits umgedreht und sich die Schürze mit der Aufschrift „Kochen chez Enno“ vom Leib gerissen. Dann rannte sie los, hinein in die dunkle Nacht.

      Kapitel