Liebe nach Rezept - Insulaner küssen besser. Mira Schwarz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mira Schwarz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745014099
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      „Hier mein Liebe. Glauben Sie mir, Föhr wird Ihnen gut tun.“ Prüfend schaute sie Luisa an. „Was hat er denn getan?“

      Luisa sah erstaunt auf. „Woher wissen Sie…?“

      Frau Matthiesen lachte. „Dazu muss man nun wirklich kein Hellseher sein. Die jungen Frauen reisen entweder mit ihrem Partner, mit ihrer Familie oder mit Freundinnen. Wenn sie alleine zur Insel fahren, sehen sie fast immer unglücklich aus. Und ich habe gleich gesehen, dass Ihnen nicht nur einfach schlecht ist.“ Sie drückte Luisas Hand, ließ sie dann los, lehnte sich zurück und sah hinaus aufs Meer. „Wissen Sie, mein Mann und ich waren lange verheiratet, fast vierzig Jahre. Vor drei Jahren ist er dann gestorben.

      „Das tut mir leid“, murmelte Luisa.

      „Insgesamt war es eine gute Ehe, das kann ich so sagen“, fuhr Frau Matthiesen fort. „Aber er hat mir auch einmal schrecklich wehgetan. Ich habe mich damals entschieden, bei ihm zu bleiben. Es war sicherlich keine falsche Entscheidung, aber es hätte auch andere Optionen gegeben.“ Eine Zeitlang schauten beide Frauen wortlos auf die Nordsee.

      „Es ist nur, es ist, es tut nur so schrecklich weh“, stammelte Luisa nach einer Weile, und ehe sie sich versah, erzählte sie dieser wildfremden Frau die ganze schreckliche Geschichte. Es sprudelte förmlich aus ihr heraus, sie ließ nichts aus, erzählte von ihrer Beziehung mit Enno, von ihrer Arbeit als Köchin im Chez Enno und den schrecklichen Ereignissen.

      Frau Matthiesen nickte nur zwischendurch oder drückte mitfühlend ihre Hand. Sonst nichts. Es tat unheimlich gut, mal einfach alles erzählen zu können, ohne umgehend gutmeinte Ratschläge zu erhalten.

      „Und nun sitze ich hier auf einer Fähre nach Föhr und habe keinen anderen Plan, als endlos am Wasser entlangzulaufen“, beendete Luisa ihren Bericht.

      „Das ist doch fürs Erste ein sehr guter Plan“, lächelte Frau Matthiesen. „Haben Sie denn schon eine Unterkunft?“

      Luisa schüttelte den Kopf.

      „Na, das wird kein Problem sein“, sagte Frau Matthiesen, „Um diese Jahreszeit gibt sicher noch paar freie Zimmer auf Föhr, selbst um den ersten Mai herum.“ Sie hielt einen Augenblick inne. „Moment, ich habe da doch etwas im Insel-Boten gelesen“, sagte sie und holte eine Tageszeitung aus ihrer Handtasche hervor. „Den kaufe ich mir immer schon am Terminal, dann fängt der Urlaub für mich schon während der Wartezeit an“, erklärte sie lächelnd. „Ich fahre jetzt schon so lange nach Föhr, da interessiert mich alles, was auf der Insel passiert.“ Sie blätterte in der Zeitung. „Ich lese sogar die Todesanzeigen“, bekannte sie, „und die Stellenanzeigen auch, weiß der Herrgott, warum. Und hier“ - sie lege die Zeitung ausgebreitet auf den Tisch, drehte sie so, dass Luisa sie lesen konnte und tippte auf eine Anzeige – „ist das, was ich gesucht habe.“

      Luisa las den Anzeigentext.

      „Restaurant Blaue Kajüte in Fresum sucht Koch/Köchin, Unterkunft kann gestellt werden.“

      Sie sah von der Anzeige auf. „Aber ich suche doch keine Arbeit, nur eine Unterkunft“, sagte sie.

      Frau Matthiesen nickte. „Natürlich, das weiß ich. Ich dachte nur, ich zeige es ihnen trotzdem mal.“ Sie nahm die Seite mit den Stellenanzeigen, faltete sie und gab sie Luisa.

      „Hier, nehmen Sie sie trotzdem. Vielleicht für später, wer weiß.“

      Luisa wollte nicht unhöflich sein, nahm die gefaltete Seite und steckte sie in ihre Jackentasche. Niemals würde sie da anrufen, sie wollte jetzt an sich denken und nicht in irgendeiner Touristen-Bude arbeiten.

      Frau Matthiesen erhob sich. „So jetzt haben Sie es gleich geschafft, wir legen in zehn Minuten an.“

      Luisa erhob sich ebenfalls. Dank der Ablenkung durch Frau Matthiesen hatte sie ihre Übelkeit komplett vergessen. Sie reichte ihr die Hand. „Vielen Dank, Frau Matthiesen, fürs Zuhören und - ja, einfach für alles. Es ist sonst nicht meine Art, Fremden gleich meine ganze Lebensgeschichte auf die Nase zu binden, aber….“

      „Papperlapapp“, unterbrach Frau Matthiesen sie, ignorierte ihre Hand und umarmte sie kurz, aber fest. „Es war nett, Sie kennen zu lernen. Machen Sie es gut, vielleicht begegnen wir uns ja mal beim Strandspaziergang.“ Mit diesen Worten nahm sie ihre Tasche und verschwand ins Innere der Fähre.

      Luisa schaute ihr nach. Was für eine bemerkenswerte Frau, dache sie. In diesem Moment wurden die Passagiere aufgefordert, zu ihren Autos zu gehen und sich für die Abfahrt bereit zu machen. Luisa warf einen letzten Blick aufs Wasser. Sie konnte die Insel schon als diesige Silhouette ausmachen.

      „Friesische Karibik, das ich nicht lache“, murmelte sie, dann verschwand sie ebenfalls im Inneren der Fähre.

      ***

      In Wyk auf Föhr steuerte Luisa erst einmal den nächst gelegenen Parkplatz an. Mit festem Boden unter den Füßen fühlte sie sich gleich wohler und sie spürte, dass sie tatsächlich Hunger hatte. Sie ging zu einer nahegelegenen Imbissbude und bestellte sich ein Portion Pommes Frites und eine Cola. Dann stellte sie sich an einen der Stehtische und sah dem Fährbetrieb im Hafen zu. Es sah alles trist und grau und überhaupt nicht nach Urlaub aus.

      Hoffentlich ist nicht die ganze Insel so zugebaut, dachte sie. Sie hatte sich das alles etwas pittoresker vorgestellt. Na, Westerland auf Sylt war ja auch keine Schönheit. Föhr war groß, da gab es bestimmt auch schöne Ecken, versuchte sie sich aufzumuntern.

      „Einmal Pommes rot-weiß für die Jägersfru“, rief der Imbissbudenbesitzer fröhlich.

      Luisa schaute sich um, außer ihr war kein anderer Gast zu sehen, also war sie wohl gemeint. Mit hochrotem Kopf lief sie zur Theke und nahm die Pommes in Empfang. „Danke“, quetschte sie heraus und verzog sich auf ihren Platz am Stehtisch. Sie kaute gedankenverloren und sah weiter dem Betrieb auf der Hafenmeile zu.

      Zwei Frauen stellten sich an den Tisch neben sie und begannen eine leise Unterhaltung, während sie ihre Bratwürste aßen. Als Luisa fertig gegessen und die Pappschale weggeworfen hatte, hielt sie sich noch ein bisschen an ihrem Rest Cola fest. Was sollte sie denn jetzt machen? Leichte Panik überfiel sie.

      Eigentlich hatte sie ja vorgehabt, zur Touristeninformation zu gehen und sich nach freien Zimmern oder Appartements zu erkundigen. Aber der Gedanke an stundenlange Strandspaziergänge hatte plötzlich seinen Reiz verloren. In ihren Gedanken hatte es nie so ausgesehen, vielleicht mal etwas stürmisch, okay, aber immer war irgendwo die Sonne zu sehen gewesen. Hier hing der Himmel bleischwer über ihr und schien alles erdrücken zu wollen.

      Die vor ihr liegende Zeit breitete sich plötzlich ins Unendliche aus. Was hatte sie sich denn nur dabei gedacht, ans Meer zu fahren, auf unbestimmte Zeit? Um einfach nichts zu tun? Womit sollte sie die Stunden ausfüllen, in denen die Gedanken an Enno kamen? Sie war doch keine viktorianische Lady, die für drei Monate in die Sommerfrische fuhr! Sie war die lebenslustige, zupackende Luisa Gerkens. Die nie gern untätig rumsaß, auch etwas, was sie von ihrer rührigen Oma geerbt hatte, und die ihren Kummer - welcher Art er auch sei – bis jetzt immer mit Arbeit und Beschäftigung bekämpft hatte.

      Warum sollte das jetzt anders sein? Wahrscheinlich hatten Adriana und Ben Recht gehabt und das alles hier war einfach eine hirnrissige, romantische Idee und sie hätte einfach in Hamburg bleiben sollen.

      Nein, dachte Luisa, es war grundsätzlich richtig, dass sie gefahren war, sie wollte und brauchte Abstand zu Enno. Aber sie hätte daran denken müssen, dass sie nicht dafür geschaffen war, wochenlang alleine Ferien zu machen. Im Moment konnte sie sich nicht einmal vorstellen, dass sie das auch nur paar Tage aushalten könnte, jetzt, da sie wirklich hier war.

      Also was tun? Gedankenverloren ging sie zum Imbisswagen und stellte ihr leeres Glas auf die Theke. „Danke und Tschüss“, sagte sie und ging langsam in Richtung Parkplatz.

      „Danke auch und Waidmannsheil!“, rief ihr der Imbissbesitzer gut gelaunt hinterher. Die beiden Frauen am Stehtisch kicherten.

      Jaja, habt ihr