Schattenspiele. Klara Kraus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Klara Kraus
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738042337
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schließen, auf Weltpolitik hatte Sie gerade keine Lust, als Ihr Blick auf eine Schlagzeile fiel:

       Hochzeit des Industriellen Henrik Jacobsen, großes, Ereignis in der feinen Gesellschaft.

       Am gestrigen Mittwoch hat der Industrielle Henrik Jacobsen, die Mutter seines Sohnes Jonas, Sabine Sommer, vor dem Standesbeamten der Stadt das Jawort gegeben. Die anschließende Feier auf Schloss Hohenstein hatte unter strengem Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden. Laut Presseabteilung des Unternehmens war viel Prominenz unter den geladenen Gästen……..

      Darunter ein großes Foto des glücklichen Paares mit dem einjährigen Sohn Jonas.

      Judith spürte einen alt bekannten Druck in der Magengegend. Sie konnte dieses Gefühl nicht beschreiben, es war kein Hass, es war keine Wut, es war ein dumpfer Schmerz, der sie ergriff.

      2

      Judith hatte ihr Abitur in der Tasche und sie fühlt sich, als würde ihr die Welt zu Füßen liegen.

      Wenn ihr Vater auch ihren großen Wunsch nach einer Reise durch fremde Länder und Kulturen nicht erfüllte.

      Judith und ihre Schwester Marion erlebten eine wunderschöne Kinder -und Jugendzeit.

      Ihr Vater, Hans Kühnen, Professor für Biologie an der Uni, ein großer schlanker Mann, dessen volles, graues Haar sich in störrischen Locken um sein Gesicht legte, pflegte einen liebevollen wenn auch strengen Erziehungsstil.

      Ihre Mutter Anna Kühnen, eine kleine zierliche und sehr hübsche Frau mit italienischen Vorfahren, war die heimliche Herrscherin in der Familie. Sie versorgte die Kinder, hielt das Haus in Ordnung und führte die Haushaltskasse.

      Die Familie wohnte in einem Haus welches um die Jahrhundertwende erbaut wurde und direkt am Neckarufer stand. Eine große Wohnung mit 5 Zimmern und einer Wohnküche, in der sich das Leben der Familie abspielte, bot genügend Platz um jedem Bewohner seinen eigenen Freiraum zu lassen.

      Aus der Küche trat man auf eine große Terrasse mit einer massiven Steinbrüstung und freiem Blick auf den Fluss. Die Einrichtung der Zimmer war sehr individuell. Die große Küche, Anna Kühnens Reich, war mit einem großen Herd, der eine richtige Feuerstelle barg aber auch einen Gasanschluss besaß, ausgestattet. Ein schwerer Tisch mit sechs Stühlen stand in der Mitte und bildete das Herzstück des Raumes. An diesem Tisch wurde diskutiert, gefeiert, gelacht, geweint, Schulaufgaben gemacht und die Mahlzeiten eingenommen.

      Hans Kühnens Arbeitszimmer war heilig und durfte nur betreten werden wenn man vorher anklopfte. Ein schwerer Schreibtisch stand am Fenster, mit Blick auf die Neckarwiesen. An den Wänden standen Bücherregale die vom Boden bis an die Decke reichten. In der Mitte des Raumes lag ein dicker Teppich auf dem ein großer Ohrensessel stand und „die Raucherecke“ genannt wurde, hier und nur hier durfte geraucht werden. Hans Kühnen genoss dieses Privileg und nutzte sein Arbeitszimmer als Rückzugsort wenn Annas italienisches Temperament durchschlug und in der Küche die Stimmung am Überkochen war.

      Das Wohnzimmer wurde meist nur an Festtagen benutzt und war ganz nach Annas Geschmack eingerichtet. Große schwere Sessel mit Bezügen aus Gobelin, ein rechteckiger Tisch, schwere Teppiche, eine Glasvitrine mit den guten Gläsern und dem guten Geschirr sowie ein altes Klavier, auf dem Anna schon in ihrer Kindheit gespielt hatte. Auch von diesem Zimmer aus konnte man auf den Balkon und hatte Blick auf die vielen Kübelpflanzen, die Anna mit Hingabe und Liebe pflegte.

      Während der Schulferien verbrachten Judith und ihr Vater viel Zeit in dem Schrebergarten, den die Eltern angemietet hatten.

      Ein kleines Blockhaus bot auch an regnerischen Tagen Schutz und man vertrieb sich die Zeit mit Spielen, Lesen und Gartenarbeit.

      Hans Kühnen war ein begeisterter Rosenzüchter und Judith teilte diese Begeisterung mit ihm. Bald hatte sie ihren Vater an Fachwissen eingeholt und bekam ihren eigenen Rosengarten vom Vater zugewiesen. Unter Vater und Tochter entbrannte bald ein Wettstreit wer die schönsten Rosen hatte. Judith war ihrem Vater, zu dessen Leidwesen, oft ein wenig voraus.

      Anna und Judiths Schwester kümmerten sich um den Kräuter- und Gemüsegarten. Anna verstand es, aus all den herrlich frischen Dingen, die im Garten angebaut wurden, wunderbare Gerichte zu zaubern. Genau so, wie sie das von ihrer italienischen Großmutter gelernt hatte. Was nicht sofort verbraucht werden konnte, wurde entweder eingedünstet, oder getrocknet und bereicherte in den Wintermonaten den Speiseplan.

      Judith erinnerte sich in späteren Jahren immer gerne an ihr Zuhause. Die Erinnerungen wurden von einem ein Gefühl der Geborgenheit und Vertrauen begleitet.

      Sie hatte sich entschieden, Kunstgeschichte und Malerei zu studieren. Unter anderem hatte sie sich um einen Studienplatz in München beworben und hoffte sehr auf eine Zusage, da München die Stadt war, in der sie sich gut vorstellen konnte zu leben. Die Nähe zu den Bergen und den Seen fand sie sehr reizvoll.

      3

      Zum Wintersemester 1987 kam die Zusage aus München. Die Vorstellung, die Heimatstadt und das Elternhaus zu verlassen, machte ihr Angst. Nie war sie wirklich länger von ihrer Familie getrennt und der Gedanke nicht mehr auf die Schnelle den Rat des Vaters einholen zu können, das eine oder andere Problem mit der Mutter oder der Schwester bereden zu können, war ihr unheimlich.

      Judith sollte fürs Erste bei der Schwester Ihres Vaters wohnen, die ein Haus am Stadtrand von München bewohnte.

      Mitte September zog sie bei ihrer Tante ein und hatte so noch etwas Zeit um die Stadt kennen zu lernen. In den ersten Tagen ihres Aufenthaltes kümmerte sie sich um die Formalitäten, die an der Uni zu erledigen waren, besorgte sich ein Ticket für die S-Bahn und streifte durch die Stadt, besuchte Museen, Ausstellungen und verbrachte viel Zeit im Englischen Garten. Das Wetter war noch sehr schön, die Tage warm und Judith genoss es am Strand der Isar zu liegen und das Treiben der Badenden zu beobachten.

      Die Tante nahm Ihre Pflichten als Aufsichtsperson sehr ernst.

      „Ich habe deinem Vater versprochen auf dich aufzupassen und ich möchte mir im Bezug auf meine Aufsichtspflicht keinen Fehler erlauben.“

      Judith versuchte sich anzupassen, pünktlich zu den Mahlzeiten zu Hause zu sein um keinen Unmut bei der Tante aufkommen zu lassen. Ihr war bewusst, dass diese Unterkunft ein Glück für Sie war. Sie hatte sich mit einigen anderen Studenten der Erstsemester an der Uni unterhalten die noch immer auf der Suche nach einer Unterkunft waren oder die nur für kurze Zeit eine Zusage für ein Zimmer im Studentenwohnheim hatten und dann wieder nicht wussten wohin.

      Das Semester begann und Judith war damit beschäftigt sich in den Unibetrieb einzufinden.

      Am Abend fiel sie todmüde ins Bett. Doch bevor sie sich in ihr Zimmer zurückziehen konnte war Abendessen mit der Tante Pflicht.

      „Ich habe heute mit deinem Vater telefoniert und mache mir etwas Sorgen, er schien mir etwas abwesend und ich hatte das Gefühl, dass er dem Gespräch nicht wirklich folgen konnte. Wann hast du das letztemal mit deiner Mutter telefoniert?“

      „ Vor zwei Tagen, sie hat nicht erwähnt, dass es Vater nicht gut geht. Sicher hast du dich getäuscht. Vielleicht war er nur müde.“

      Sie nahm sich vor, die Mutter beim nächsten Telefonat darauf anzusprechen.

      Tante Marie war Witwe und kinderlos. Ihr Bruder Hans und dessen Familie waren die einzigen Menschen die ihr nahe standen.

      Nach einigen Wochen hatte Judith sich gut orientiert, nette Bekanntschaften gemacht und es stellte sich Routine ein.

      Sie hatte sich mit einem Mädchen aus ihrem Semester angefreundet. Rosalie, eine Italienerin, die ihr italienisches Temperament oft nur schwer unter Kontrolle halten konnte. Sie erinnerte Judith an ihre Mutter und sie empfand gleich Sympathie für Rosalie. Sie hatte feuerrote Haare die ihr kreuz und quer vom Kopf abstanden und war unentwegt am reden.

      Judith,