„Du musst dich nicht vor mir verteidigen.“ Nun war Nikolaj es, der sie unterbrach. „Ich will dich bloß verstehen. Du hast also ein paar Details ausgelassen, schön und gut. Hast du sie nur wegen Josh oder besser wegen mir ausgelassen oder auch wegen dir?“
„Wie meinst du das?“
„Ich kann nachvollziehen, dass Josh die Sache ziemlich aufwirbeln könnte – und würde. Weil das für ihn selbstverständlich und natürlich wäre. Aber was ist mit dir? Du hast gestern nicht viel dazu gesagt, dennoch war es nicht zu übersehen, dass dir die Sache mit den beiden ziemlich zugesetzt hat.“
„Na hör mal!“, empörte sie sich. „Jeder Frau würde so ein Überfall an die Nieren–“
„Ich rede nicht von den perversen Absichten der Typen, sondern von der Tatsache, dass sie tot sind. Dass du gesehen hast, wie ich sie getötet habe.“
Gwen war klar gewesen, was er meinte. Dennoch hatte sie gehofft den Fokus irgendwie ableiten zu können. „Nick, wenn du nicht gekommen wärst, hätten diese Kerle mich … Der Kerl wollte dich aufschlitzen, hast du das schon vergessen? Klar geht mir das an die Nieren. Man sieht nicht jeden Tag dabei zu, wie Menschen sterben.“
„Ich dachte, das passiert in Krankenhäusern zwangsläufig das ein oder andere Mal?“
„Das ist nicht lustig, Nick!“, schallt sie ihn.
„Das sollte auch nicht lustig sein. Ich will nur, dass du damit rausrückst, was sich wirklich in deinem Kopf abspielt!“
„Im Moment nicht sonderlich viel. Da herrscht ziemliches Chaos, um ehrlich zu sein.“
Nikolaj taxierte sie mit einem strengen Blick, sodass Gwen rasch nachsetzte: „Ich sehe Menschen nun mal nicht gerne sterben, Nick. Egal, ob im Krankenhaus oder sonst wo. Ich verstehe das einfach nicht. Ich weiß nicht, wie man so etwas tun kann, wie man einen anderen Menschen absichtlich verletzen oder ihn töten kann.“ Sie hielt kurz inne, holte tief Luft. „Was passiert ist lässt sich nicht mehr ungeschehen machen. Du hattest nicht geplant diese Kerle zu töten. Du hast nicht vorsätzlich gehandelt. Du bist mir zu Hilfe gekommen, hast mich gerettet und dann hast du dich selbst verteidigt.“
„Aber dennoch ist es für dich falsch, was ich getan habe, nicht wahr? Es ist und bleibt Mord. Und ich bin und bleibe ein Mörder.“
„Du bist kein Mörder. Du–“
„Du widerlegst gerade deine eigenen Worte, Gweny.“
„Können wir die Sache nicht einfach vergessen?“, bat sie energisch und bittend zugleich. „Nichts lässt sich mehr ungeschehen machen. Ich will nicht, dass dir irgendwas passiert, nur, weil du mir geholfen hast. Ich will nicht, dass das dein ganzes Leben durcheinander bringt. Sie sind tot, Nick, daran wird nichts etwas ändern. Belassen wir es dabei. Außerdem, wer sagt, dass irgendjemand das Recht hat über dich zu richten, dich dafür zu bestrafen?“
Sie atmete tief durch. „Bitte denk daran, wenn du dich mit Josh unterhältst. Denk daran, was ich ihm über die gestrige Nacht erzählt habe.“
Nikolaj kam um die Theke herum und baute sich dicht vor ihr auf. „Und du? Kannst du so einfach vergessen?“
„Ja.“ Ihre Antwort war Entschlossenheit und Wunsch zugleich.
„Macht es Sinn noch weiter mit dir darüber zu diskutieren?“
Sie schüttelte den Kopf.
Nikolaj taxierte sie noch einen Augenblick, dann sagte er mit einem tiefen Seufzen, das wohl auch ein Grollen gewesen sein könnte: „In Ordnung.“
Gwen atmete auf – ein wenig zu früh.
„Eines möchte ich noch wissen. Hat Josh dir deine Geschichte abgekauft? Ich war immer der Meinung, dass Anwälte so was wie einen siebten Sinn für Lügen, ich meine, Aussparungen von Details haben. Hat er keine weiteren Fragen gestellt?“
„Ich bin mir sicher, dass ihm einige Fragen im Kopf herumgegangen sind; das liegt Anwälten im Blut. Ich glaube aber, dass er beschlossen hat, sich mit meiner Aussage zufriedenzugeben. Ich habe ihm gesagt, dass ich dich bei nächster Gelegenheit vorstelle. Wenn du meine Geschichte überzeugend bekräftigst, sollte er zufrieden sein, denke ich.“
Nikolaj nickte. „In Ordnung.“
Erleichtert ließ Gwen die Anspannung aus ihren Schultern weichen. „Okay, ich muss dann jetzt auch wieder los, ehe Josh zurück ist. Sonst kann ich mich mir gleich die nächste Ausrede zurechtlegen.“
„Gweny.“ Nikolaj hatte ihren Arm gepackt. „Es tut mir leid. Das Ganze, meine ich.“
„Du warst nicht derjenige, der mich in eine dunkle Gasse gezerrt hat und sich an mir vergehen wollte. Du warst mein Retter. Außerdem … wer weiß, wie lange ich mir sonst noch den Kopf darüber zerbrechen hätte müssen, wo du bist und wie es dir geht“, erwiderte sie matt lächelnd.
Nikolaj zwirbelte eine Strähne ihres Haares zwischen den Fingern. All die Zeit über hatte sie sich so sehr nach ihm und seiner Nähe gesehnt. Warum nur musste solch ein düsteres Chaos ihr Wiedersehen überschatten?
„Kommst du bei mir vorbei?“, wollte sie mit leiser Stimme wissen. „Ich weiß nicht, wann Josh zurückkommt, deswegen ist es besser, wenn ich gleich wieder zurückgehe, um auf jeden Fall Zuhause zu sein, wenn er heimkommt. Aber du könntest nachkommen? Vielleicht so in einer viertel bis halben Stunde? Falls er auftaucht, kann ich euch bekanntmachen und wenn nicht, haben wir Zeit für uns.“
„Ich werde sehen, was ich machen kann.“
Gwen kniff ihn frech in die Seite. „Gib dich bloß nicht so unnahbar.“
„Ich gebe mich nicht unnahbar, ich BIN unnahbar. Aber für dich mache ich mal eine Ausnahme.“
„Gott, was hab ich für ein Glück!“, gab sie neckend zurück. „Also dann, du weißt ja, wo ich wohne. Bis gleich.“ Sie öffnete die Tür und verschwand nach draußen.
Das Flüstern von Nikolaj konnte sie nicht mehr hören.
Ich hoffe, dass es ein Glück ist, Gweny.
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