Obwohl es schon spät war, als sie auf die Einfahrt fuhren, war das ganze Haus noch beleuchtet und man konnte deutlich Stimmen und Musik hören.
Dana und Orlando betraten das Haus und sahen unzählige Leute auf der Veranda. Seine Familie gab ein Fest. Vielleicht versuchte sein Vater, neue Geschäftspartner zu gewinnen. Orlando nahm es zumindest an.
Dana blickte ihn grinsend an. „Du hattest keine Ahnung, dass deine Eltern eine Party schmeißen, richtig?“, stellte sie belustigt fest. Dass er sich nicht gewundert hatte, dass sie selbst extra deshalb ein elegantes Kleid trug, weil Bonita sie hierzu eingeladen hatte, zeigte ihr nur, dass er sie nicht wirklich beachtete.
„Ich schätze, ich ziehe mich besser mal um.“, sagte er und musste ebenfalls grinsen. Während Dana nach Bonita suchte, tauschte Orlando seine Alltagskleidung gegen einen Anzug. Er ließ jedoch die Jackettjacke weg und band sich auch keine Krawatte um. Er hasste Krawatten und ließ sie eigentlich immer weg. Nachdem er sich frisch gemacht hatte, ging er zu den Feiernden in den Garten.
Er sah, dass Dana sich seiner Schwester angeschlossen hatte. Bonita unterhielt sich mit einem Geschäftsmann und es war nicht zu verkennen, dass die beiden sich zueinander hingezogen fühlten. Orlando wusste, dass seine Schwester gerne heiraten, aus dem Elternhaus ausziehen und eine eigene Familie gründen wollte. Allerdings musste sie dazu einen Mann finden, der ihr und ihrer Mutter gefiel und genug Vermögen einbringen konnte, damit auch Alejandró der Ehe zustimmte. Bonita erkannte ihn und winkte ihm lächelnd zu.
Er ging zu ihr herüber und wurde ihrem Verehrer, der Konstantin Ockland hieß, vorgestellt.
„Konstantin ist im Vorstand einer großen Pharmagesellschaft.“, erklärte Bonita ihrem Bruder stolz. Ihr gefiel jedoch nicht nur die Tatsache, dass er wohlhabend war. Er war auch gut aussehend, groß und breitschultrig, wenngleich dies im direkten Vergleich mit ihrem Bruder eigentlich nicht mehr auffiel. Und er hatte ein attraktives Gesicht, besonders, wenn er lächelte. Am besten jedoch gefiel ihr, dass er nur Augen für sie hatte.
„Haben Sie auch schon meinen Vater kennen gelernt?“, fragte Orlando und grinste bereits belustigt. Alejandró würde es dem jungen Mann alles andere als leicht machen.
„Noch nicht.“, antwortete Konstantin und wurde etwas verlegen, weil Orlando die Situation sofort richtig eingeschätzt hatte.
„Don Alejandró ist ein netter Mann.“, sagte Dana, um den möglichen Freund ihrer Freundin zu unterstützen.
Während Dana sicht mit Konstantin unterhielt, nahm Orlando Bonita ein wenig zur Seite. „Warum gibt Vater dieses Fest?“, fragte er sie forschend. Orlando nahm an, dass er sich vielleicht die Sympathien der Amerikaner sichern wollte. Bonitas Schwarm war Amerikaner.
Bonita zuckte die Schultern. „Weiß ich nicht genau.“, antwortete sie ehrlich.
„Hat er viele amerikanische Geschäftleute eingeladen?“, fragte Orlando.
Bonita lächelte nickend. Sie setzte das Champagnerglas ab. „Ja, ich denke schon. Mehr als sonst auf jeden Fall.“, antwortete sie ohne jede Skepsis. „Konstantin ist auch Amerikaner.“
„Weiß ich.“, gab er desinteressiert zurück.
„Und gefällt er dir?“, fragte sie und blickte ihn abwartend an. Sie liebte ihren großen Bruder und gab viel auf seine Meinung. Es war ihr wichtig, dass auch er ihn mochte.
Orlando blickte sich forschend um. „Er gefällt dir. Darauf kommt es doch an.“, sagte er und verschaffte sich währenddessen einen Überblick über die Gäste. Er konnte seinen Vater mit ein paar Männern zusammen stehen sehen. Vermutlich unterhielten sie sich nur über Belanglosigkeiten, aber es war durchaus möglich, dass seine Gesprächspartner ebenfalls Amerikaner waren. Offensichtlich versuchte sein Vater, Orlandos Ratschlag so schnell wie möglich umzusetzen.
„Orlando, bitte.“, sagte Bonita drängend. „Würdest du mich bitte ansehen, wenn wir uns unterhalten?“ Es dauerte einen kleinen Moment, aber schließlich kam er ihrer Bitte nach und sah sie an. „Danke.“, sagte sie lächelnd. „Und jetzt sei bitte ehrlich. Findest du ihn gut?“
Orlando beugte sich zu ihr herunter und küsste sie auf die Wange. „Ich halte nichts von Amerikanern, Bonita. Aber ich versuche nett zu sein, wenn du ihn wirklich magst.“
„Und wenn er Spanier wäre und kein Amerikaner?“, wollte sie wissen.
Orlando lachte leicht. „Dann würde ich immer noch sagen, dass er vermutlich nicht gut genug für dich ist, aber ich wäre weniger genervt.“
Sie lachte ebenfalls. „Das sagst du immer.“, behauptete sie. Seiner Meinung nach, war kein Mann gut genug für sie.
„Und ich hab’ immer Recht.“, erwiderte er lächelnd. „Und jetzt kümmere dich wieder um deinen Yankee.“ Damit war das Thema für ihn beendet und er bahnte sich langsam seinen Weg durch die Besucher auf seinen Vater zu, wobei er jedoch immer wieder aufgehalten und in Unterhaltungen verwickelt wurde.
Christina erkannte ihn sofort und wandte ihm sogleich den Rücken zu, damit er nicht auch auf sie aufmerksam wurde. Er sah gut aus, nun da er ein Hemd und eine Anzugshose trug. Sie zog Mladen zu sich heran. „Wer ist der Mann, schräg hinter mir?“, fragte sie ihn leise.
Mladen sah Alejandrós Sohn und lächelte. „Das ist Don Orlando Santiago de Maliñana.“
„Der Sohn des Mafiabosses?“, fragte Christina, die dies noch immer nicht recht glauben konnte. Er hatte sie belogen! Und wenn er ihr schon nicht seinen wahren Namen verraten hatte, war vermutlich auch alles andere, was er je zu ihr gesagt hatte, gelogen gewesen. Wenigstens wusste sie jetzt, dass sie sich auf ihr Gefühl verlassen konnte, denn das hatte ihr von Anfang an gesagt, dass etwas Gefährliches an ihm war.
Mladen nickte bestätigend. „Der einzige Sohn Don Alejandrós und somit sein Erbe.“, erzählte er. „Niemand weiß etwas über ihn, es ist, als würde er nicht wirklich existieren.“
Christina musste grinsen. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, warum niemand etwas mit diesem Namen verbinden konnte. „Verrückt.“, sagte sie und tat, als wolle sie das Thema wechseln. „Kennst du einen gewissen Aden Hall, Mladen?“ Sie drehte ihr Weinglas ruhig in ihrer Hand und sah ihren Freund abwartend an.
Mladen kratzte sich verhalten am Kopf, wirkte alleine bei der Erwähnung dieses Namens unruhig. „Natürlich hab’ ich schon mal von ihm gehört.“, sagte er ausweichend. „Es heißt, dass Aden Hall im Untergrund der Mann ist, den du aufsuchen solltest, wenn du ernsthafte Schwierigkeiten hast. Angeblich hat er für jedes Problem eine Lösung. Soll ein Auftragsmörder sein, aber auch so ein Menschenfreund, der illegale Flüchtlinge rettet.“, erzählte er. „Wenn du mich fragst, gibt es diesen Mann gar nicht. Er ist nur ein Phantom, den sich irgendwer ausgedacht hat, um uns anderen Angst zu machen. Aber ob es ihn nun gibt oder nicht, vor Don Alejandró lässt du diesen Namen besser unerwähnt. Angeblich hat Aden Hall auch schon der Mafia ans Bein gepinkelt.“
„Ja, wenn du das sagst.“, sagte sie und ließ sich nicht anmerken, dass sie irgendetwas mit diesem Namen verband. „Mladen, hör zu, ich muss dich um etwas bitten.“, fuhr sie dann fort. Da Don Orlando und Aden Hall ein und derselbe Mann war, konnte sie es sich nicht leisten, ihn hier anzutreffen. Es würde auch über sie Fragen aufwerfen, auf die sie keine plausible Antwort wüsste. In jedem Fall wäre es eine zusätzliche Schwierigkeit und darauf wollte sie verzichten. Immerhin hatte es einen Grund, warum sie hergekommen war. Sie musste Don Alejandró für sich einnehmen und dabei konnte sie seinen Sohn nicht gebrauchen. Wenn Orlando sie verraten würde, würde sie kein Geschäft abschließen können und hätte nicht nur ihre Zeit verschwendet, sondern ebenfalls verloren, was sie für die Partisanen im Irak dringend brauchte. „Wir müssen die Verhandlungen mit Don Alejandró morgen in deinem Haus führen. Ich bitte dich nur, dem zu zustimmen.“
Mladen blickte sie mit verkniffenen Augenbrauen an. „Bei mir?“, fragte er verwundert. „Darauf wird der Don nicht eingehen, Skylla. Er ist ein Mafiosi. Da kann er es sich doch schon aus Sicherheitsgründen