“Ich habe dir ja schon angedeutet, dass wir auf unserem Heimatplaneten schon sehr lange Erfahrung mit einer Technologie auf biologischer Basis haben.” Sie stellte die Nierenschalen und die Flasche neben den Zylinder auf den Schreibtisch.
Er schluckte schwer.
“Da ich hier mit der elektronischen Technik nicht weiterkomme”, sie hob ihren Zeigefinger, “obwohl ich sie schon optimiert habe, werde ich es nun mit unserer alten Technik versuchen.” Sie schüttete die Hälfte der grünen Flüssigkeit aus der Flasche zu dem Organ in den Zylinder, woraufhin das Organ anfing heftig zu zucken.
Martin wich einen weiteren Schritt zurück und stand mit dem Rücken an der Wand.
“Wo habe ich denn nur…”, Lea blickte suchend zwischen den Kabeln herum, “ah, da ist es ja.” Sie holte eine kleine, viereckige Plastikdose aus dem Kabelgewirr hervor. Aus der einen Seite kam ein Bündel Drähte, auf der anderen Seite waren mehrere kleine Vertiefungen. Sie öffnete die Dose, prüfte ihren Inhalt und schüttete dann auch hier ein wenig von der grünen Flüssigkeit hinein. Dann nahm sie mehrere dünne, weiße Fäden aus der einen Nierenschale, schob die Enden durch die Vertiefungen an der Seite in die Plastikdose und verschloss sie wieder.
“Das hier”, sie deutete auf das Organ in dem Zylinder, dessen Bewegungen sie sehr kritisch beobachtete, “ist ein biologisches Interface und die grüne Flüssigkeit, die ich eben in den Behälter gegossen habe, ist eine Nährlösung mit speziellen Botenstoffen, um es zu aktivieren. Also so eine Art Benzin für das Interface”, erklärte sie ohne aufzublicken. “Wir nennen es Aktralin.”
Martin presste sich mit dem Rücken fest an die Wand.
“Und dies hier”, sie strich über die weißen Fäden, ohne das zuckende Organ aus den Augen zu lassen, “sind so eine Art Nervenfasern, die zur Verbindung der einzelnen Komponenten dienen.” Sie hängte die anderen Enden der Nervenfasern in den Zylinder. Sofort bewegten sie sich auf das Organ zu und heften sich an den Teil, der wie Gehirn aussah, an. Nachdem sie die Anschlussstellen genau überprüft hatte, erklärte sie zufrieden nickend, “wie du siehst, wird die Verbindung von selbst hergestellt, ohne Schraubenzieher oder Lötkolben.”
In Martins Blick spiegelte sich Entsetzen.
Sie griff in die andere Nierenschale und holte eine Plastikhaube, die mit einem durchsichtigen Gel gefüllt war, heraus. Aus dieser Haube kamen mehrere Nervenfasern heraus, die sie ebenfalls in den Zylinder tauchte. Auch diese verbanden sich sofort mit dem Organ. “Und darauf sind wir besonders stolz”, ein Lächeln umspielte ihren Mund, während sie die Haube aufsetzt. “Diese Haube kann sozusagen Gedanken lesen. Dadurch ist es möglich unser Gehirn quasi direkt mit allen möglichen”, sie suchte nach einem geeigneten Wort, “ich nenne es jetzt mal Computern, zu verbinden.”
Damit schloss sie die Augen. Im Gel bildeten sich sofort grüne Schlieren, die in der ganzen Haube umher flossen. Die Schlieren wurden breiter, die grüne Farbe wurde immer intensiver und auf allen Monitoren begannen lange Zahlenkolonnen rasend schnell durchzulaufen.
Martin war starr und begann zu schwitzen. Nach einer Weile öffnete Lea wieder die Augen und sah ihn an. “Was ist denn mit dir los?”, meinte sie und nahm die Haube ab.
“Lass mich in Ruhe”, sagte er tonlos und lief aus dem Zimmer. Sie folgte ihm und sah ihm kopfschüttelnd dabei zu, wie er an der Wohnungstür rüttelte, die sie abgeschlossen hatte. Als sie auf ihn zuging, wich er zurück. Das Badezimmer war offen. Schnell ging er hinein, schloss die Tür und verriegelte sie von innen.
Lea holte tief Luft. “Mist.” Vorsichtig klopfte sie an.
“Martin?”
Keine Reaktion.
“Martin? Ganz ruhig. Keine Angst. Ich will dir nichts tun, wirklich.”
Kein Laut kam aus dem Bad.
“Martin? Komm, mach die Tür auf und lass uns über alles reden.”
Nichts passierte.
Sie trat einen Schritt zurück, atmete zwei, drei mal kräftig aus, sprang hoch und zersplittert das Holz um das Schloss der Badezimmertür durch einen kurzen, harten Kick ihres rechten Fußes.
Martin schrie auf, drückte sich in die Ecke neben die Badewanne und hob die Hände. Lea stand in der Tür und hatte die Handflächen flach aneinander gelegt. Sie versuchte ganz ruhig auf ihn einzureden.
“Martin.”
“Lass mich bloß in Ruhe”, rief er und fuchtelte mit seinen Händen abwehrend herum.
“Jetzt hör doch erst mal zu.”
“Nein”, seine Stimme wurde schriller. “Geh weg!”
“Martin”, sie machte einen Schritt auf ihn zu.
Er quiekte wie ein kleines Ferkel, griff nach dem Duschkopf am Wasserhahn der Badewanne und schlug damit in ihre Richtung. “Bleib mir bloß vom Leib, verschwinde.”
Lea ließ ihre Arme sinken und sah ihn an. Dann drehte sie sich um, ging betrübt zum Telefon und suchte die Nummer ihrer Eltern.
Kapitel 4
Grünlich weißes Licht durchflutete den sechseckigen Raum. Aus einer Wand ragte ein Labortisch. Auf ihm standen nebeneinander in bizarrer Anmut getrocknete Organe, Wärme abstrahlende Kristalle und wild auf der Platte herumpatschende Extremitäten von Tieren, die aus merkwürdigen Gefäßen wuchsen. Gleich gegenüber war ein riesiges Regal mit unzähligen Glasbehältern, in denen die unterschiedlichsten Organe schwammen.
Im Zentrum des Raums flammte plötzlich ein greller Lichtkegel auf, in dem sich ein kleiner Mann über einen OPTisch beugte. Durch seinen roten Overall und seinen beachtlichen Körperumfang erinnerte er eher an eine reife Tomate als an einen Chirurgen. Er malte einen schwarzen Strich rund um den kahlen Kopf des riesigen, nackten Mannes vor ihm auf dem Tisch. Nachdem er den Strich auf der Stirn geschlossen hatte, nahm er sich eine Handkreissäge von einem Beistelltisch mit medizinischen Werkzeugen und schaltete sie an. Das laute Surren drängte das gleichmäßige Geräusch der Körperteile auf dem Labortisch sofort in den Hintergrund. Augenblicklich öffnete der nackte Mann die Augen und blinzelt in das grelle Licht.
“Ich weiß nicht, Chef”, stöhnte er mit seiner tiefen Stimme.
Der Mann im roten Overall reagierte nicht.
“Chef?”
Immer noch keine Reaktion.
“David?”
David seufzte.
“Glaubst du wirklich, dass das nötig ist?” Davide macht die Handkreissäge aus und das Patschen war wieder zu hören.
“Hans”, sagte er mit einem weiteren tiefen Seufzer, als habe er diese Diskussion schon zu oft geführt. “Ein so komplexes System wie deins muss regelmäßig gewartet werden. Das pflegt sich nicht von alleine.”
“Ja, weiß ich, Chef.” Hans sprach langsam. “Aber ich fühle mich wohl, so wie ich bin - eigentlich.”
Neidisch blickte David auf Hans’ athletischen Körper. Dann schüttelte er den Kopf. ” Deine intellektuellen Fähigkeiten lassen aber noch einiges zu wünschen übrig. Ohne meine Hilfe wirst du da nicht weiterkommen. Im Gegenteil. Irgendwann wird dein Kopf so zugemüllt sein, dass bei dir überhaupt nichts mehr funktioniert.”
“Wenn du meinst.”
“Der Tag, an dem ich in deinen Kopf sehe und feststelle, dass sich dein System selbstständig weiterentwickelt hat, wird mein letzter Tag in diesem Labor sein. Aber das wird garantiert nie passieren. So, und jetzt entspanne dich und lass mich mal machen.” Er drückte auf den Knopf und das furchtbare Surren erfüllte wieder den Raum.
Hans