Zigeunerkind. Eva Sereza. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eva Sereza
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847630401
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Verstehen, Eure Freundschaft und Inspiration.

      Meiner Tochter - mein größtes Geschenk. Meiner neuen Familie.

      Ich trage Euch in meinem Herzen und werde immer für Euch da sein!

      Für das große Glück, das ich trotz aller schweren Zeiten hatte, bin ich unendlich dankbar. Dieses Glück möchte ich weiter geben, so gut ich es kann.

       Eva Sereza

       Zigeunerkind – PROLOG

       Erwachen

      Ich wurde in einer Raunacht geboren, der kältesten Zeit des Jahres. Ein Kind der Sünde, wie mein Großvater sagte, Vater des Vaters, ein Fremder für mich. Sein Fluch war gesprochen, der Bann meines Namens, ausgelöscht in seiner Sippe, doch nie vergessen, niemals verschwunden. Den Namen der Menschenmutter trug ich, Eva, das Leben und zugleich die Versuchung, die Erkenntnis bringt, aber auch die Schuld. Meine einzige Sünde war, da zu sein, obwohl es mich niemals geben sollte. Sie waren nicht füreinander bestimmt, meine Mutter und der Zigeunerbaron, der große Magier der Gefühle. Eine andere war es, der er gehörte. Er jedoch erwählte Eos und legte seinen Zauber auf sie, dem sie sich ergab, bevor sie erkannte, welcher Dämon in ihm schlief.

      Meine Augen öffneten sich und sahen hinein in die Welt, tief wie das Meer und so hell wie Feuer. Mit Glasmurmelaugen sah ich sie an, Eos, die mich geboren hatte. Sie war mir so nah und unendlich fern, von sich selbst, vom Leben, das zu viel von ihr nahm. Sie kämpfte gegen den Mann, den sie liebte, dessen Wahn ihn selbst und auch sie verletzte. Mein Vater Proteus, der Herr der Gezeiten, der sie in sein Reich der Leidenschaft holte und mit ihr in die Finsternis sank. Er wurde die Angst in ihr, die blieb, Schriftzug der Seele, bleiern, versteinert. Dennoch wuchs die Kraft, die sie trieb, fort von ihm, von seiner Macht, aus der Dunkelheit ins Licht. Schon bevor ich ihren Leib verließ, widerstand ich dem Zorn, der sie traf, doch auch mich. Die Schläge, die Tritte, die Schreie: „Ich bring dich um!“, während sie verzweifelt versuchte, sich selbst und das Leben in ihr zu retten vor dem Monster, das Besitz von ihm nahm und plötzlich wieder verschwand. Ganz klein wurde ich in ihrem Bauch, zog mich zurück in einen Panzer, wie eine Schildkröte schützte ich mich, bis der Sturm da draußen vorüber war. Danach ihre Tränen und sein Flehen: „Verlass mich nicht, sonst bin ich verloren!“ Die ersten Worte, die mich empfingen, sie waren erfüllt von Wut und Leid.

      Proteus mit den vielen Gesichtern, der Meister der Gestaltenwandlung, er war die Finsternis in mir, die ich nicht begriff – bis ich ihm begegnet bin. Der Schatten, der mir lange folgte, war Fleisch und Blut, vertraute Fremdheit und zugleich unheimliche Nähe. Das Glück, meine Wurzeln zu finden, war stärker als meine Furcht. Flüchtling war ich, Gefangene einst in ihrem Krieg, der sie beide zerstörte. In dem ihr Herz brach, der ihn zurückließ, allein auf den Trümmern seiner Schlacht. Ich bin das Kind, das er ihr entriss, um festzuhalten, was ihm nicht gehörte. Das Kind, in dem er Erlösung suchte, das sein Leben erhellen sollte und ihm doch nicht seine Angst nahm, seine unendliche Traurigkeit. So setzte er alles, auch mich, aufs Spiel. Er verlor - meine Mutter, sich selbst, sein Kind. Tochter der Liebe, Tochter des Schmerzes, eine bittersüße Frucht. Kind der Sturmflut. Zerbrechlich und stark. Das bin ich.

      Ich erhielt die Gabe mit meiner Geburt. Es war das Erbe meiner Ahnen, das die Ursitory, die Schicksalsengel der Zigeuner, mir prophezeiten. Drei Tage, nachdem ich geboren war, kamen sie zu mir, wie die Sage es will und der erste Engel trat vor, um zu sprechen: „Du wirst in die Herzen der Menschen sehen und ihre verborgene Geschichte erzählen. Du wirst den Schmerz von anderen nehmen, mit deinen Worten, mit deiner Berührung. Doch hüte dich vor der Verführung der Macht, denn sie wird dich zerstören, wenn du ihr verfällst. Die Kraft, die dich leiten soll, ist allein die Liebe. Du wirst das Buch der Geschichten füllen, um es ans Feuer des Lebens zu tragen, das die Welt erhellt, das uns Hoffnung schenkt. Das uralte Feuer, nach dem ihr stets sucht, das dennoch in jedem von euch wohnt.“ Dann sprach der zweite Engel zu mir: „Die Götter bringen ihre Botschaft durch die Menschen zu dir. Diese Menschen berühren deine Seele und zugleich wirst du ihnen Antwort geben, denn ihr Schicksal ist stets mit deinem verwoben. So wie wir alle verbunden sind, so wie wir uns nur im anderen erkennen, getrennt voneinander und doch eins.“ Der dritte legte ganz sanft seine Hand auf meine Brust, als wollte er mir seinen Segen schenken, weil er wusste, dass meine Reise lang und meine Einsamkeit groß sein würde: „Dein Leben wird eine Suche sein, nach dir selbst und nach dem Geheimnis der Welt, nach deinen Wurzeln, nach deinem Blut, bis du dort ankommst, wohin dein Herz dich trägt. Es ist deine Bestimmung, die Wahrheit zu finden, auch wenn du selbst durch die Dunkelheit gehst. Du wirst Schmerz erleben und doch viele Wunder, du wirst dich verlieren und neu beginnen. Widerstehe dem Abgrund in dir, der dich ruft, denn der Tod ist dir immer nah. Du wirst ihm in die Augen sehen, doch du kehrst zurück, um dein Schicksal zu erfüllen. Suche stets das Licht, denn es leuchtet in dir, wie das Feuer deiner Ahnen.“

      Die Gabe lenkte meine Hände, wenn ich die Schmerzen der Menschen sah. Meine Berührung drang durch ihre Haut, hinein in ihr Fleisch, weit hinab in die Tiefe. In ihren Seelen verschloss ich die Wunden und zog die Trauer in mich hinein. Bevor ich begriff, dass ihr Schmerz mich verbrannte, dass in mir tausend Geschichten wohnten, war ich auf der Flucht vor mir selbst, vor dem Leben. Ich löste mich los von der Wirklichkeit und versank im schimmernden Glas der Kugel, die ich stets bei mir trug wie einen Schatz, als suchte ich in der gläsernen Tiefe nach der Wahrheit, der Antwort auf meine Träume, die mir Angst machten, die mich doch führten, in meine Zukunft, auf meinen Weg.

       Allein

      Schon damals hatte ich keine Heimat, denn mein Zuhause ist überall. Die Kinder des Feuers wandern einsam, aber meine Reise begann nicht allein. Geboren in derselben Raunacht und in der gleichen Stunde, wurde ein Junge mein Freund und Verbündeter. Er war wie mein Zwilling und mein Begleiter durch den zeitlosen Raum ohne Grenzen. Wir waren ein Geist und eine Seele, zur Welt gekommen mit der Sehnsucht, die Wunder in allen Dingen zu sehen. Deshalb teilten wir diese wortlos, waren verschworene Gefährten. Wir erkundeten verbotene Orte, ohne Angst und voller Glauben an die geheimnisvolle Kraft, die uns miteinander fest verband. Wir erzählten uns Geschichten am Feuer, das nur wir beide kannten - entzündet als Zeichen der Helligkeit, die wir ineinander sahen, auch wenn es um uns dunkel war.

      Das Leben trennte uns, bevor wir bereit dazu waren. Die schmerzliche Einsamkeit war uns vertraut und wir beklagten sie nicht mehr. So nahmen wir hin, was uns keine Wahl ließ, ich ging fort und er blieb zurück. Aus meinem Herzen verschwand er nie, damals nicht und auch nicht später, als er sich abwandte vom Leben. Als er zerbrach und ins Dunkle fiel, in Morpheus‘ Arme, für immer. Der Verlust war ein Schnitt mitten durch mein Herz, ein tiefer Abgrund in meinem Inneren. Ich habe ihm einen Engel gewünscht, auf dem Weg hinaus durch das Tor, durch das er trat, um das Licht zu finden. Seinen Tod hatte ich zuvor geträumt, doch es gab nichts, das ihn am Leben hielt. Er hatte sein Sterben schon längst gewählt, ist gegangen, bevor ich ihn festhalten konnte.

       Sterben

      Als Kind war ich so leuchtend lebendig, aber das Fremde in mir machte mich verwundbar. Die finstere Zeit, die mich gebar, warf ihre Schatten auf mich, so als hätte der Hass zwischen meinen Eltern seine tödliche Saat in mich gelegt. Das Gift trug ich in mir, verborgen und dennoch gefährlich. Es machte mich schwächer, jeden Tag. Das Schicksal forderte seinen Preis, mich leben zu lassen nach all dem Entsetzen, nach meiner Geburt an der Schwelle des Todes. Das vergiftete Fleisch, das man aus mir schnitt, war leblos wie ein Teil meiner Wurzeln. So kämpfte ich ein weiteres Mal um mein Leben, um meinen Platz in dieser Welt. Die Ursitory behielten recht, ich sollte leben, mit aller Kraft - ich wurde gesund, denn ich war stark. Aber Ruhe konnte ich nicht finden, denn es gab keine Rast für meine Mutter und mich. Was vertraut war, verließen wir, ich war nicht willkommen, wohin ich auch kam. Die neue Stadt hatte keinen Raum für mich, die Nomadin, die nicht war wie sie. Eine Fremde, allein und verloren unter vielen, feindseligen Fremden. „Zigeunerin! Hexe!“ schrien die Kinder. „Du gehörst nicht hierher, geh weg von uns!“ Sie fürchteten mich, das konnte ich spüren, sie sahen das Dunkle, Verborgene. Auch später, als ich erwachsen war, wichen viele zurück vor mir, konnten mir nicht in die Augen sehen, als scheuten sie meinen Blick, der