- Sofort erkannte Isabelle ihre Chance und dankte für das Bild: Das Anwesen würde mich durchaus interessieren, sagte sie. Ich habe viele potentielle Interessenten für so ein exklusives Anwesen. Welche Preisvorstellung haben Sie?
- Die Ärztin zögerte und setzte ihr Pokerface auf: Der Wert des Objekts wird derzeit auf weit über dreißig Millionen Dollar geschätzt. Ich habe hier eine Expertise. Die Preise werden schnell steigen, wenn die wirtschaftliche Krise vorbei ist. Für fünfundzwanzig Millionen biete ich sie Ihnen an, wenn Sie sich schnell entscheiden, und wir sofort über das Geld verfügen könnten. Natürlich muss ich meinen Bruder vorher fragen. Sie sollten das Anwesen zuvor besichtigen. Wenn Sie wollen, können Sie noch diese Woche an die Côte fahren. Das Haus steht im Augenblick leer. Deshalb könnten Sie es für ein paar Tage kostenlos benutzen. Ich habe keine Zeit, und Wolfgang ist derzeit nicht in der Lage, dort hin zu fahren. Und seine Kinder haben jetzt ganz andere Sorgen, als Urlaub zu machen.
- Isabelle wollte nichts überstürzen. Sie beherrschte die Situation und wusste, dass ihr die Zeit in die Hände spielte. Der Fisch musste noch etwas an der Angel zappeln: Ich werde mal sehen, wie ich es einrichten kann. Ich habe einen vollen Terminkalender. Ich werde mich bemühen, möglichst bald eine Reise nach Südfrankreich einzuplanen.
- Lassen Sie es mich rechtzeitig vorher wissen. Ich müsste dem Verwalter Bescheid geben, damit alles für Ihre Ankunft hergerichtet ist. Ohne Anmeldung kann man das Grundstück nämlich nicht betreten. Es ist rundum mit elektrischen Zäunen und versteckten Kameras gesichert.
- Beim Hinausgehen sagte Isabelle wie beiläufig: Sobald ich einen Überblick über meine aktuelle Terminsituation habe, rufe ich Sie an. Wir müssen uns über das Objekt und seinen Preis einig sein, bevor wir mit den Verhandlungen über den Anstellungsvertrag mit Herrn Konselmann beginnen. Ohne den Kredit sind Sie in Kürze zahlungsunfähig, und alle weiteren Gespräche würden keinen Sinn mehr machen. Ich glaube, das ist Ihnen klar.
- Jovial antwortete die Ärztin: Wir werden uns schon einig.
- Wir werden sehen. An meinem guten Willen soll es nicht fehlen. Zunächst wäre es von Vorteil, wenn ich die Grundbuchauszüge für das Objekt einsehen könnte. Können Sie mir diese möglichst schnell besorgen? Dann hätte ich auch gern das Original der Objekt-Bewertung. Ich könnte es prüfen lassen.
- Die Ärztin ging zu ihrem Aktenschrank und suchte die gewünschten Unterlagen. Sie legte die Akte Saint Tropez auf den Tisch und suchte das Bewertungsdokument: Hier ist, was Sie haben möchten. In der Tasche befindet sich auch der Grundbuchauszug.
- Isabelle blätterte die Mappe flüchtig durch: Wie ich sehe, gehört das Objekt Ihrem Bruder und Ihnen je zur Hälfte. Die Wertermittlung geht von einem unbelasteten Anwesen aus. Um es beleihen zu lassen, müssten Sie und Ihr Bruder zu einem Notar in Saint Tropez gehen, und eine Hypothek zu meinen Gunsten im Grundbuch eintragen lassen. Vorher kann ich nichts für Sie tun.
- Wir müssten dann warten, bis mein Bruder wieder so weit hergestellt ist, dass er die Unterschrift vor einem Notar leisten kann. Anschließend müssten wir eine Reise nach Frankreich unternehmen. Das wird seine Zeit dauern.
- Ich kann es nicht ändern. Sorgen Sie dafür, dass er schnell wieder gesund wird, dann reden wir über das weitere Vorgehen. Bevor das nicht geregelt ist, kann der Kredit nicht zur Auszahlung kommen.
- Das wird uns in erhebliche zeitliche Bedrängnis bringen.
- Was glauben Sie, wie lange Ihr Bruder noch in Krankenhaus bleiben muss?
- Das kann ich noch nicht sagen. Er erholt sich nur langsam. Es kann Wochen oder sogar Monate dauern.
- Sie werden sicher alles tun, damit Ihr Bruder schnell wieder auf die Beine kommt. Ich hoffe sowohl für ihn als für die Firma, dass es schnell geht.
Isabelle bat um die Unterlagen, die sie ihrem Kreditgeber zur Prüfung übergeben wollte. Die Prüfung und die Eintragung der Hypothek konnten viel Zeit in Anspruch nehmen. Man müsste das Verfahren abkürzen, dachte sie, jedenfalls soweit es in ihrer Macht stand. Daher entschloss sie sich, es vorerst mit einem persönlichen Schuldschein bewenden zu lassen.
- Mir ist klar, dass die Sache drängt. Ich möchte Ihnen helfen, so gut ich kann. Deshalb könnten wir es einstweilen mit einem persönlichen Schuldschein bewenden lassen, denn ich vertraue Ihnen. Er müsste zu gegebener Zeit auch von Ihrem Bruder unterzeichnet werden. Ich werde schon mal den Kreditvertrag entwerfen. Und in der Zwischenzeit könnten Sie den Schuldschein ausstellen.
- Wie Sie wissen, habe ich eine Vollmacht von meinem Bruder. Wir hatten kürzlich eine Gesellschafterversammlung, die über die Nachfolge beraten sollte. Aber wir kamen zu keinem Ergebnis. Zu unterschiedlich waren die Positionen. Es wurde aber beschlossen, mit den Banken über einen neuen Kreditvertrag zu verhandeln.
- Ist Ihre Vollmacht auch für Immobiliengeschäfte gültig, wollte Isabelle wissen.
- Ich werde das von meinem Anwalt prüfen lassen. Vielleicht genügt es, wenn ich auch im Namen meines Bruders unterschreibe. Ich werde Ihnen umgehend Bescheid geben.
Das Problem war einstweilig ungelöst. Isabelle verließ das Krankenhaus auf dem schnellsten Weg. Eines war ihr klar: So lange der Patriarch noch auf der Intensivstation lag, konnte kein Vertrag mit Konselmann abgeschlossen werden. Sie mussten warten, aber vielleicht war es dann auch schon zu spät. Möglich, dass in der Zwischenzeit das Insolvenzverfahren über die Firmengruppe wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet werden müsste. Dann wäre alle Mühe umsonst gewesen.
Die Zeit drängte und duldete keinen Aufschub.
Abgestimmtes Vorgehen
Ein paar Tage darauf rief Frau von Stephano Herrn Konselmann in seinem Büro an:
- Guido, ich muss dich dringend sprechen. Ich habe vor kurzem mit Ingrid Sämann gesprochen. Es geht ihrem Bruder noch nicht gut. Er muss noch ein paar Wochen im Krankenhaus bleiben.
- Der Berater hatte den Anruf erwartet und wusste, worum es ging: Kommen wir also gleich zum Kern der Sache: Die Firma Sämann steht kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Die Banken zögern mit der Kreditvergabe, weil die Nachfolge für den Senior nicht geklärt ist. Und ich soll es richten. Ist es so?
- Ja, genau so ist es. Die Sache drängt. Wir dürfen keine Zeit verlieren, sagte sie.
- Wir sollten uns so schnell wie möglich treffen.
- Kannst du morgen Abend bei mir sein?, fragte sie.
- Ja. Ich werde bei dir sein. Dann sprechen wir über alles.
Kurz entschlossen warf er alle Termine über den Haufen und machte sich auf den Weg nach Frankfurt. Sie erwartete ihn in ihrer Wohnung. Er umarmte sie und drückte sie fest an sich. Er spürte ihre Wärme und verspürte ein heftiges Verlangen. Er wollte sie besitzen, nicht nur für einen kurzen Moment sondern für immer. Jetzt aber gab es noch Wichtigeres zu besprechen.
- Schwungvoll warf er seine Aktentasche auf das Sofa und ließ sich daneben nieder: Die Sache ist nur deshalb so schwierig, sagte er, weil die Zeit drängt. Ich kann bei mir nicht alles stehen und liegen lassen.
- Sie setzte sich auf den schwarzen Ledersessel und schlug die Beine übereinander: Die Unsicherheit in der Firmenleitung wird sich noch eine Weile hinziehen, sagte sie. Es muss sich erst herausstellen, ob er seinen Schlaganfall unbeschadet überwinden wird. Die Chancen für eine vollständige Wiederherstellung stehen nicht schlecht. Aber man weiß es nicht.
Sofort war Guido klar, dass sich hier eine große Chance für ihn auftat, wenn sie eng zusammenarbeiteten. Isabelle brauchte ihn, und er brauchte sie. Wenn die Sämanns nicht bald die Führungsfrage klärten, dann trieb die Firma als führerloses Schiff durch die Weltmeere. Das konnte nicht lange gut gehen.
- Ich