Das Doppelkonzert. Arnulf Meyer-Piening. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Arnulf Meyer-Piening
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737575539
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hat noch andere Aufgaben in seiner Firma. Sie wissen: Gute Manager sind sehr begehrt.

      - Ja, ich weiß, aber Sie müssten mir mindestens eine Woche Bedenkzeit geben. Auch die interne Abstimmung erfordert Zeit. Es wäre gut, wenn ich in der Zwischenzeit seine Vita studieren könnte. Dann kann ich mir ein besseres Bild von ihm machen.

      - Isabelle öffnete ihre Aktentasche: Zufällig habe ich hier seine Unterlagen aus einer anderen Bewerbung. Es ging damals um eine weitaus größere Aufgabe. Aber die Angaben über seinen beruflichen Werdegang sind noch immer ziemlich aktuell, soweit ich weiß. Sie werden von seinen Leistungen beeindruckt sein. Sie können froh sein, wenn Sie ihn für diese Aufgabe gewinnen können.

      - Wir wollen den Tag nicht vor dem Abend loben.

      Isabelle, lächelte verständnisvoll und überreichte die sorgfältig gebundenen Unterlagen. Auf feinstem Papier gedruckt. Exemplarisch waren einige anonymisierte und besonders erfolgreiche Aufträge herausgegriffen worden: Farbige Grafiken lenkten die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche: Sinkende Kosten, steigende Umsätze, steigende Gewinne, steigende Börsenkurse.

      - Ingrid betrachtete das offenbar in einem professionellen Studio aufgenommene Foto eingehend: Ein gut aussehender Mann, aber das Foto ist wohl schon etwas älter? Jetzt hat er schon ein paar graue Haare, wie ich mich erinnere.

      - Ich finde, die grauen Haare machen einen Mann ab einem gewissen Alter noch attraktiver. Dieser Mann ist genau in dem richtigen Alter für diese Aufgabe. Er hat inzwischen genügend Erfahrungen gesammelt.

      - Mit einem Anflug von verschämtem Lächeln antwortet sie: Er sieht wirklich gut aus. Wenn ich jünger wäre, dann würde ich mich für ihn auch als Mann interessieren. Aber über das Alter bin ich hinaus. Vielleicht ist er der richtige Mann für Julia, was meinen Sie?

      - Ich denke, Julia wird sich ihren Mann selber wählen.

      Die Ärztin erhob sich und betrachtete sich aufmerksam im Spiegel über dem Waschbecken, das in der Schrankwand versteckt war. Sie ordnete ihr Haar und strich es zurück. Vielleicht war sie doch noch nicht über das Alter hinaus?

      - Er soll mich in den nächsten Tagen mal anrufen, sagte sie unvermittelt. Wir könnten uns zum Essen verabreden.

      Isabelle ließ sie nicht aus den Augen. Sie ahnte, was in ihr vorging. Sie hatte mit dem Leben als Frau noch nicht abgeschlossen, wollte begehrt sein und suchte offensichtlich einen Mann.

      - Ich werde es ihm sagen, sagte sie.

      - Sichtlich bemüht, einen indifferenten Eindruck zu erwecken, sagte Ingrid: Ich denke, dass Sie seine Referenzen gecheckt haben. Für diese Aufgabe ist nicht nur Fachwissen, sondern auch viel Geschick und Fingerspitzengefühl im Umgang mit Menschen erforderlich: Er muss sich in die Gesellschafterstruktur eines traditionsreichenden Familienunternehmens einfügen. Sie besteht aus lauter Individualisten, die unter einen Hut gebracht werden müssen.

      Nach dieser Bemerkung war klar, worauf es ihr ankam: Sie wollte als Gesellschafterin in die Suche nach einem Nachfolger einbezogen sein.

      - Deshalb antwortete Isabelle: Sie werden ihn schon richtig zu behandeln wissen. Gegenüber guten Argumenten hat er sich noch nie verschlossen gezeigt. Ich bin mir sicher, dass Sie ihn auf die richtige Fährte setzen werden.

      - Wir werden sehen, wie er sich einfügt und welche Maßnahmen er ergreift, sagte sie ausweichend.

      Was ging es die Ärztin an, was sie wirklich wollte. Sie würde sich nicht in die Karten gucken lassen, von dieser Frau schon gar nicht.

      - Da seien Sie ohne Sorge, antwortete Isabelle. Er hat schon viele schwierige Aufgaben erfolgreich erledigt. So wird er auch diese Herausforderung meistern.

      - Ingrid zögerte einen Augenblick. Sie tat sich offenbar schwer, zu einem heiklen Punkt mit der Sprache herauszurücken: Da ist noch etwas, das ich mit Ihnen besprechen wollte.

      Es war klar, was nun folgen würde: Der schon angesprochene Kredit. Isabelle konnte Menschen in kritischen Situationen richtig einschätzen.

      - Was bedrückt Sie? Frau Sämann, Sie können ganz offen mit mir reden. Es bleibt alles unter uns.

      - Mit ungewohnter Offenheit kam Ingrids Antwort: Wie ich Ihnen schon sagte, brauchen wir Geld für Investitionen und Produktentwicklung. Vor allem für die Zulassung des neuen Medikaments gegen die Niereninsuffizienz. Davon hängt die Zukunft unseres Unternehmens ab. Die Banken geben uns derzeit nur zögernd und zu ungünstigen Konditionen Kredit.

      - Ja, die Banken. Sie scheuen das Risiko und können das Pharma-Geschäft nicht richtig beurteilen. Vor allem die Chancen neuer Medikamente.

      - Da haben Sie wirklich recht.

      - Geschickt lenkte Isabelle ab, denn sie wollte ihre Karten noch nicht offen auf den Tisch legen.

      - Wir werden das leidige Finanzproblem zu späterer Zeit lösen.

      - Das hoffe ich.

      - Jetzt zu etwas Anderem, das mich persönlich bewegt, sagte Isabelle: Ich hätte nie gedacht, dass Julia bei dem Konzert patzen würde. Sie macht sonst so einen souveränen Eindruck. Sie kam offensichtlich irgendwie aus dem Takt. In einem kurzen Moment waren sich die Geschwister über das Taktmaß nicht einig. Es mangelte an der Führung. Das hat Hinrich verunsichert. Ihm fehlte die Orientierung, die er bisher bei seiner Schwester gefunden hatte. Wissen Sie, was da los war?

      - Ja, Julia wird immer etwas überschätzt, sagte Ingrid, weil sie gut aussieht und selbstbewusst auftritt. Aber sie kann sich nicht unterordnen. Das ist ihr Problem. Zudem hat sie Schwierigkeiten im Umgang mit ihren Mitarbeitern. Sie fordert zu viel und geht nicht auf ihre Bedürfnisse ein. Außerdem hat sie momentan ganz andere Sorgen, die sie belasten.

      - Menschenführung ist nicht leicht, sagte Isabelle mit professioneller Überzeugung. Ein ständiges Abwägen zwischen Härte und Nachgiebigkeit. Eine Frage des Fingerspitzengefühls. Das kann man kaum lernen. Entweder man hat es, oder man hat es nicht.

      - Was Sie sagen!

      - Also zurück zu Ihrem Anliegen: Sie brauchen Geld, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Wie viel ist es?

      - Etwa fünfundzwanzig Millionen werden bis zur Rückkehr meines Bruders ausreichen. Ein Teil des finanziellen Problems liegt bei Julia. Ihr Forschungsinstitut verschlingt große Summen. Die Erfolge lassen auf sich warten. Das liegt wohl auch daran, dass sie in der letzten Zeit viele fähige Mitarbeiter verloren hat. Immer wieder muss sie neue Mitarbeiter einstellen. So kommt sie immer wieder in Zeitverzug.

      - Ich kenne das Problem, weil ich die Kapitalgeber vertrete, die unter anderen auch ihr Institut mit Risikokapital versorgen. Sie warten noch immer auf die seit Jahren zugesagte Rendite.

      - Wir brauchen mehr Zeit, um die Forschungsarbeiten zu beenden und die Tests zu bestehen. Wenn das neue Medikament erst einmal für den Markt zugelassen ist, dann sind wir alle Probleme mit einem Schlag los.

      -.Wann wird das etwa sein? Können Sie wenigstens einen ungefähren Zeitpunkt nennen, damit ich mit meinen Kreditgebern den erforderlichen Kreditrahmen abstecken kann. Außerdem sollten wir uns über die Sicherheiten verständigen.

      - Wir hatten neulich über unsere Familienvilla in Saint Tropez gesprochen, sagte Ingrid. Ich habe hier ein paar Bilder. Sie zeigten eine herrschaftliche Villa im Park von Saint Tropez direkt am Meer.

      - Sehr schön, sagte Isabelle. Sie sind sicher oft dort?

      Wenn es unsere Zeit erlaubt. Im Übrigen: Die Villa von Herbert von Karajan ist nicht weit entfernt, sagte sie nicht ohne Stolz. Auch Brigitte Bardot wohnt in der Nähe. Es handelt sich also um ein ganz besonders wertvolles Objekt, um das sich die Immobilienmakler reißen, aber ich möchte das großzügige Anwesen jetzt nicht verkaufen. Stattdessen möchte ich es beleihen lassen. Wenn Sie Interesse haben, dann sollten Sie sich das Anwesen mal ansehen.

      - Es scheint ein durchaus interessantes Objekt zu sein. Ich würde es tatsächlich gerne mal sehen.

      - Die Ärztin blätterte in dem Album und suchte noch weitere Bilder hervor: Sie werden begeistert