Sonntags sowieso nichts.
Dann quietscht es halt.
Die Bekannten aus Enschede erwarten uns. Unser Holländer holt uns an einer Kreuzung ab.
Wir fahren zu „Mutti“ ins Altenheim. Mutti ist 87 und nicht mehr so gut zu Fuß, aber sonst fit. Vati ist vor ein paar Jahren gestorben.
Es gibt Kaffee und Kuchen, die Familienangelegenheiten werden durchgesprochen.
>Nein, übernachten wollen wir nicht. Vielleicht schaffen wir es heute noch bis zur Küste. < Sie verstehen das.
An Almelo vorbei geht’s nach Raalte. Und dann wird’s spannend. Über 100 km rauf bis Groningen schnurgeradeaus.
Keine Falte, kein Hubbel, kein Hügelchen.
Überhaubt nichts.
Berge erwartet hier ja keiner.
Wie mit dem Lineal gezogen.
Mann, ist das aufregend.
Asphalt geradeaus, links Wiesen, rechts Wiesen.
Ein paar Bäume, hier ein Haus, dort sogar zwei.
Dann riesige Straßenkreuzungen, auf denen wenige Autos unterwegs sind.
Wir im „Getümmel“ und es quietscht und piepst.
Es ist Mittag und ich verpasse der Gummimuffe einen feuchten Umschlag.
Vielleicht, wenn sie nass ist, kein Quietschen??
>Ja, stimmt, nein, doch nicht. <
Es fängt erst leise, dann aber doch wieder an.
Hätte ja sein können.
Weit und breit nichts als plattes Land.
Dazwischen immer wieder hässliche Industriegebiete.
Wahnsinn.
Nördlich Groningen wird es besser.
Keine Autobahn mehr.
Kanäle mit Hausbooten und kleine, niedliche Häuschen.
Ein paar Tropfen von oben, aber es geht.
In Winsum finden wir einen Campingplatz direkt am Kanal mit alten – bis uralten Booten.
Holland verbietet freies Campen, wurde uns gesagt und da wir morgen schon in Belgien oder gar in Frankreich sind, leisten wir uns diesen Platz. Und duschen kann man auch.
> Zwei Personen mit Hund, kein Zelt. VW-Camper. <
> Oh, en Hund, das wird teuer < zwinkert mir der Platzwart zu.
> 1,50 € die Nacht. <
Watt mutt, dat mutt.
Noch ein Spaziergang am Kanal und durchs Städtchen mit den kleinen Backsteinhäuschen.
Die Boote schaukeln, das Wetter wird schlechter.
In der Nacht kommt Regen auf.
3.8.
Morgens Nebel, Sprühregen und kühl. Doch bald kommt die Sonne raus. Kein Quietschen, kein Piepsen. Also hat es doch was mit der Feuchtigkeit zu tun.
Leider dauert es nicht lange. Es wird wärmer und das Vogelpiepsen wird wieder lauter.
Wir fahren über den Damm, der das Lauwersmeer einschließt. Er ist viel höher, als ich es von Wilhelmshaven – Ostfriesland, da bin ich aufgewachsen – her kenne.
Viel zu sehen gibt es nicht, da der Damm höher als die Straße ist.
Wir „besteigen“ den Damm.
Ringsherum Watt. Es ist Ebbe.
Quietschend an Leenwarden und Harlingen vorbei und wir erreichen den Afsluitdijk.
Das ist gigantisch.
Ein 32 km langer und 90m breiter Damm schließt das Isselmeer und das Markermeer von der Nordsee ab. Riesige Schleusen sorgen dafür, dass die Fahrrinnen der hier mündenden Flüsse befahrbar bleiben.
Es hat im Laufe der Zeiten immer wieder Überschwemmungen gegeben, so dass man sich 1932 entschloss, dieses gigantische Vorhaben zu realisieren.
Ein Orkan ließ 1953 2000 Menschen und 200.000 Tiere ertrinken. Über 200.000 ha Land und 50.000 Gebäude waren vom Salzwasser der Nordsee bedeckt.
Man musste die Deiche und den Damm noch mal erhöhen und baute bis
1997 ein gewaltiges Sturmflutsperrwerk mit riesigen Hebetürmen.
Jetzt hat man vorerst Ruhe, kann weitere Sumpfgebiete im Landesinneren trockenlegen und holländische Wassertomaten und anderes Wasser- gemüse anbauen.
Holländische Ingenieure sind allen anderen voraus, wenn es um
Techniken der Landgewinnung, Deich- und Wehrbau geht.
Mit unserem „Vogelschwarm“ an Bord erreichen wir Hoorn.
Die Stadt hat eine große Seefahrervergangenheit. 1616 brach von hier Willem Schouten auf, um als erster die Südspitze Südamerikas zu umfahren, daher das Kap Hoorn.
An Jan P. Coen, dem Begründer der Kolonie Niederländisch-Ostindien, des heutigen Indonesien, erinnert ein Standbild, das auf einem wunderschönen Platz steht. Über die Jahre heftig schief gewordene, herrliche Patrizierhäuser aus dem 15.-16. Jahrhundert umrahmen den Kopfsteinpflasterplatz.
Im Hafen staken hunderte Masten in die Höhe. Nachgebaute Segelbarken kann man mieten und Rundfahrten machen.
Es gibt zwar frischen Fisch, aber leider keine Krabben zum Mitnehmen und unterwegs pulen. Braten oder grillen können wir unterwegs noch nicht. In Holland wird das wohl schwierig werden, Feuerchen zu machen. Grillkohle haben wir auch noch nicht, außerdem briest der Wind auf.
Regen sprüht.
Schnell zum schützenden Busdach zurück.
Da keine Sicht ist, rauschen wir über Haarlem, Leiden, Den Haag, vorbei an Rotterdam durch bis Hellevoetsluis. Es schüttet inzwischen und höre: Kein Quietschen mehr.
Also doch: Feuchtigkeit hilft.
Küstenfahren mit Regen kann zwar vorkommen, muss aber bitte nicht die Regel werden.
Bei Hellevoetsluis beginnt das Rhein-Delta. Und auch hier sind hohe Dämme gezogen, zwar nicht über alle Mündungsgebiete, aber über die meisten.
Den Rhein vom Meer aussperren, würden die Anrainerstaaten ganz sicher übel nehmen. So sorgen riesige Schleusentore für Zirkulation.
In 20 Meter hohen Türmen links und rechts der Tore, steckt die Technik, die diese Tore heben und senken. Es ist unglaublich, mit welchen Anstrengungen die Holländer dem Meer Land abtrotzen.
Aber für den Straßenbau aasen sie mit dem mühsam gewonnenen Land.
4-6-8 und sogar 10 spurige Autobahnen mit riesigen Straßenkreuzen und Abfahrten planieren ganze Landschaften.
Es ist Sonntag und alles zu.
Sonntags ist der Holländer wohl zu Hause bei seiner Familie.
Strenge Sitten.
Wenige Raststätten.
In den Dörfchen nicht mal eine Kneipe.
Und überall Wasser. Kanäle, Flüsschen. Tümpel, Seen.
Und dann die Buchten, groß wie Meere.
Windparks soweit das Auge reicht.
Mit Windenergie will Holland in den nächsten Jahren bis zu 15% des benötigten Stroms