Terra Aluvis Vol. 1. Nox Laurentius Murawski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nox Laurentius Murawski
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737501989
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ssseht, Hoheit …! 'S bricht mir schier 's Hersss …!", beteuerte eine andere Lunidin in übertriebenem Mitleid zu seiner Linken und fuhr sich über die Brust, um auf das vermeintlich gebrochene Herz hinzuweisen. Eine war ja aufgeputzter und freizügiger als die andere …!

      Die auffällige Alkoholfahne, welche von den drei Adligen ausging, ließ den Atem des jungen Mannes stocken, dass er den Kopf abwandte und angeekelt die Nase rümpfte. Abwertend blickte Sacris von einem lüsternen Weib zum nächsten … und hielt es für das Beste, einfach nicht auf sie einzugehen. Er wollte nichts mit ihnen zu tun haben – und mit den Gedanken war er gerade ohnehin ganz woanders.

      Schon wollte sich der Prinz schlichtweg wortlos an ihnen vorbei drängeln; da lachte eine der Lunidinnen gackernd auf, umfasste keck seinen Arm und lallte dann mehr zu ihren Freundinnen als zu ihm gewandt: "Ach, nu guck doch nich' so böööse …! Ich wüsst' da ja 'ne ausssgessseichnete Möglichkeit, deine Laune sssu heben, mein Sssüßer …! Nich' wahr, Mädelsss?" Mit einem begeisterten Kichern stiegen ihre Begleiterinnen auf den Vorschlag ein und fingen ebenfalls an, sich dem jungen Mann unziemlich zu nähern.

      Sacris begriff nur langsam, was vor sich ging – riss sich jedoch sofort los, als ihm die Absicht der adligen Frauen dämmerte. Der Prinz ging entschieden auf Abstand, verengte die Augen zu Schlitzen und zischte: "Ihr widert mich an. Verschwindet."

      Daraufhin rief die hochgewachsenen Kayranerin jagdlustig: "Ohohooo, habt ihr das gehört, Mädels …? Er will uns tat­sächlich abweisen …!" – "Uuuuu~h …!", erklang es von den Lunidinnen im Chor; und schon setzten sie gemeinsam zu einer Verfolgung auf den schlagartig mehr als verstörten Prinzen an – als plötzlich zwei sich unterhaltende, ältere Männer um die Ecke bogen. Augenblicklich verstummten die Weiber, ließen von ihrer königlichen Beute ab und liefen klappernden Schrittes den Gang davon.

      "Oh, Sacris, mein Sohn …!", bemerkte König Faryen überrascht und blieb jäh stehen, "Wir waren just in diesem Moment auf dem Weg zu dir!" Auch der Mercurio betrachtete ihn – allerdings mit einem gänzlichen anderen Gesichtsausdruck.

      Sacris sah stumm zum dunklen Ende des Ganges hin, in welchem die adligen Frauen verschwunden waren, und wandte sich stirnrunzelnd dem König zu. "Was möchtest du mir mitteilen, Vater?", fragte er gefasst. "Nun …", begann der alte Mann langsam und legte einen Arm um die Schultern seines Sohnes, während sie den Seitengang zurück zum Thronsaal einschlugen, "Unsere Wachen und Händler berichten, … dass sie Lewyn auf der Straße nach Tyurin begegnet sind."

      Sacris schwieg. Der König wartete, bis sie beim Baum der Väter im hinteren Teil des Thronsaales angekommen waren, bevor er stehenblieb, ihm beide Hände auf die Schultern legte und ihn mit warmen Augen ansah. "Wenn er nach Eksaph aufgebrochen ist …", kam es leise von Rex, "… wieso bist du dann nicht einfach mit ihm gegangen?"

      Der Prinz schaute seinen Vater still an und schwieg fort. "Bitte, sprich mit mir, mein Sohn …!", bat König Faryen und sah ihn sanft an, "Was ist los mit dir? Warum ist Lewyn losgezogen?" Doch Sacris erwiderte daraufhin noch immer nichts … und warf dem kahlköpfigen Berater neben ihnen lediglich einen finsteren Blick zu …

      Anschließend wandte sich der junge Mann ab und setzte sich mit angezogenem Knie seitlich auf die marmorne Mauer, die den Baum der Väter mit all seinen exotischen Pflanzen und Gewächsen umgab. Die gekräuselte Rinde leuchtete in weichem Schein, während die weißen Flecken auf den gewundenen Blättern der Äste ihrerseits wundersam glitzerten und den Baum so in einen hellen Mantel des Lichts hüllten …

      Sacris betrachtete diese sonderbare Erscheinung mit trübem Blick und erklärte auf einmal unhörbar: "Lewyn … ist zum Feld der Himmelsspeere aufgebrochen."

      Der König sog hörbar die Luft ein. Nach langem Zögern setzte er sich seinem Sohn auf der Mauer gegenüber hin und fragte ruhig: "Sage mir, mein Sohn: Wieso ist er dorthin auf­gebrochen …? Dies ist kein Ort für einen kurzen Ausflug – ja, dies ist ohnehin überhaupt kein Ort, zu welchem ein junger Mann wie er jemals aufbrechen sollte …!" Sacris' Augen wanderten traurig zu seinem Vater hin. Seine Stimme war gedämpft und brüchig, als er ihm antwortete: "Das weiß ich … Das weiß ich doch …! Aber- …!", und plötzlich verbarg er sein Gesicht im Ellbogen, "Celine …! Er glaubt, dort Celine zu finden!"

      Der ältere Mann hob beide Augenbrauen an. "Celine? Aber warum?", hakte er verdutzt nach, "Wie kommt Lewyn denn dazu, sie ausgerechnet dort zu vermuten?" Der Prinz lachte trocken in seinen Arm hinein, schüttelte bitter den Kopf und meinte: "Weil ein Junge es ihm gesagt hat."

      "Weil ein … Junge … es ihm gesagt hat …?", vergewisserte sich der König ungläubig. Sacris blickte sichtlich unglücklich auf und bestätigte: "Ja, ein Junge …!", und mit einem Mal brach alles aus ihm heraus, "Er kam daher und erzählte etwas von einer 'Vision' und von 'Schicksal' und dass er in einem Traum gesehen hätte, wie Lewyn sie beim nächsten Vollmond auf dem Berg des Ahiveth finden würde, weil sie dort angeblich von irgendwem geopfert wird …!", der Prinz wurde immer aufgebrachter und gestikulierte mit den Händen um sich, "Und, u-und dass das wohl diejenigen sein würden, die auch alle anderen verschwundenen Menschen auf dem Gewissen haben, und dass es zwar vergebens sei und überhaupt, aber dennoch war er so – argh!", Sacris verkrallte die Hände am Kopf, während sein Redefluss zunehmend stockte, "Ich … i-ich weiß nicht warum, aber danach … danach war Lewyn wie ausgewechselt! Wir, w-wir redeten nur noch aneinander vorbei; zur Vernunft bringen konnte ich ihn nicht und, und meine Hilfe wollte er auch nicht und-" Der junge Mann raufte sich verzweifelt die Haare, bevor er sein Gesicht in den Händen vergrub und sich wieder mit aller Kraft zu beruhigen versuchte.

      Sein Vater fuhr sich sprachlos über den langen, gepflegten Vollbart und wusste nicht, was er sagen sollte …

      Rex hatte mit allem, mit wirklich allem gerechnet – aber nicht mit einer derartigen Erklärung. Daher wusste er nun umso weniger, wie er darauf reagieren sollte, ohne die Gefühle seines einzigen Sohnes, den er doch so sehr liebte!, zu verletzen. Es schmerzte den König sehr, ihn derartig leiden zu sehen, also setzte er schließlich zögernd zu einem Vorschlag an: "Wir könnten … einen Falken an die nördliche Grafenstadt Henx schicken und dem Hauptmann der Wache den Befehl geben, Lewyn aufzuhalten, sobald er dort vorbeikommt; und er wird dort vorbeikommen müssen, sofern er nicht einen großen Umweg über die westlichen Territorien der Anderwesen machen und sich damit schon einer fast noch größeren Gefahr aussetzen will."

      Sacris schüttelte den Kopf und ließ seine Arme sinken. "Du verstehst das nicht, Vater", meinte er und fing wieder an, seine Hände zur Verdeutlichung einzusetzen, "Lewyn war dermaßen erfüllt von diesem, diesem … 'Gedanken', dass es vollkommen sinnlos war, ihn aufzuhalten! Mit Vernunft und Verstand bist du bei ihm überhaupt nicht mehr weiter­gekommen …! Ich … i-ich hatte vielmehr das Gefühl, dass seine Beweggründe einer, einer völlig 'anderen' Natur waren."

      Als der Prinz dem unterdrückt skeptischen Blick seines älteren Gegenübers begegnete, hob er eine Hand und wandte sich resigniert kopfschüttelnd ab. "Bitte, zwinge mich nicht, dir das näher zu erklären, Vater, denn das kann ich nicht. Der kleine Junge war einfach nur seltsam … Seine Ausstrahlung, sein Benehmen – ja, schlichtweg alles an ihm war seltsam! Und nach der Begegnung mit ihm wurde Lewyn genauso seltsam …!"

      Plötzlich lachte Sacris hilflos auf und zog seine Schultern an. "Ich meine, wenn wir Lewyn gefangen haben, was soll ich dann bitte mit ihm anstellen? Ihn in eine Zelle sperren …?!", und sein Lachen verschwand schlagartig, "Er wird mich hassen, das wird er!" Kurz darauf senkte der junge Mann seinen Blick erneut, atmete einmal besonders tief durch und schloss schmerzlich die Augen …

      "Es gibt nichts, was ich für ihn tun könnte."

      König Faryen schaute seinen Sohn bitter an. Der ganze Fall überstieg seine Vorstellungskraft. Wie konnte er ihm nur helfen? Ratsuchend blickte Rex zum Mercurio hinauf, welcher die ganze Zeit über still und bewegungslos an einer näheren Säule verharrt hatte.

      Der Wissende regte sich daraufhin und trat still in den Schein des Baumes. "Nun …", er legte die dürren Fingerspitzen aneinander und guckte auf den Prinzen hinab, welcher in­folgedessen stirnrunzelnd zu ihm aufsah, "Wie mir scheint, wird dieses Vorkommnis nicht ohne Opfer gelöst werden können."