Terra Aluvis Vol. 1. Nox Laurentius Murawski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nox Laurentius Murawski
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737501989
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auf und wich seinem Blick aus. "Ich kann es leider nicht tun, tut mir leid …", meinte er unglücklich, "Ich … ich bin in Eile." Brey runzelte daraufhin nachdenklich die Stirn, nickte allerdings und sprach: "Also gut, ich werde mich darum kümm-" – "Un' … un' wer versichert uns bitte", tönte es plötzlich aufgebracht vom Hauseingang her, "dass wa dort auch heil ankomm'n, un' nich' stattdess'n was weiß ich wohin verschleppt werd'n?!" Sheena stand breitbeinig im Türrahmen und wirkte sauer, aber gleichzeitig auch verletzt, dass Lewyn sie einfach so verlassen wollte.

      Die beiden Männer schraken aus ihrem Gespräch auf und wandten sich verdutzt zu dem Mädchen um. Kurz darauf brachen beide in vergnügtes Lachen aus. "Was is'n bitte so lustig d'ran?" Sheena stampfte empört auf und stemmte ihre Hände in die Hüften, während sich die Männer amüsiert von ihren Stühlen erhoben. "Sag mal, wo hast du denn diesen Wildfang her? Das ist ja nich' zu fassen …!", meinte der Pferdezüchter lachend und schritt auf das Mädchen zu, welches ihm höchst misstrauisch aus dem Weg ging und stattdessen in wenigen Sätzen an die Seite des Blonden gehüpft kam.

      Verwundert blickte Lewyn zu Sheena hinab, welche ihn trotzig und fest entschlossen ansah. "Ich! Will! Mit dir! Geh'n!", rief sie mit allem Nachdruck, den sie aufbringen konnte. Der junge Mann hob die Augenbrauen und wechselte einen überraschten Blick mit seinem Bekannten, der sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. "Tja, Lewyn, altes Haus, da kann ich wohl nich' mithalten …" Brey schlug dem Kleineren auf die Schulter und nahm eine übertrieben resignierte Haltung ein.

      Der hellhaarige Mann kam nicht umhin zu lächeln, doch dieses Lächeln erstarb nach wenigen Augenblicken – und er wurde schlagartig ernst. Der plötzliche Wandel in seinem Gesichtsausdruck stimmte Sheena sofort unruhig. Er legte dem Mädchen eine Hand auf die Schulter und sprach mit umso ruhigerer Stimme: "Dort, wo ich hingehen werde, kannst du mir nicht folgen." – "A-aber wieso'n nich'?", warf sie verzweifelt ein, "Warum sol-" – "Sheena, du darfst mir dorthin nicht folgen", unterbrach sie Lewyn bestimmt, festigte den Druck auf ihrer Schulter und fixierte sie mit einem eindringlichen und bedeutungsvollen Blick, um ihrer Argumentationsreihe von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das Mädchen legte die Stirn in Falten und sah ihn verständnislos und völlig verwirrt an. "Aber warum denn nicht?"

      Es kehrte eine anspannte Stille ein, während aller Augen auf den Blonden gerichtet waren. Auch Brey horchte auf, denn er war eigentlich davon ausgegangen, dass Lewyn lediglich auf einem weiteren Botengang zurück zur Grafenstadt Henx war.

      So hell die Sonne die Außenwelt erstrahlen ließ, so finster und dunkel wirkte es plötzlich im Inneren des Hauses. Der ganze Vogelgesang und das heitere Wiehern schienen an der geöffneten Türschwelle abzuprallen und nur als dumpfer Geräuschschwall zu ihnen durchzudringen.

      Der junge Mann rang sichtlich nach Worten. Er wusste selbst nicht wirklich, wie er es ausdrücken sollte … und ließ es schließlich ganz bleiben. Der Blonde schüttelte nur den Kopf und schloss die Augen. "Lebt wohl", sprach er leise und sanft, nahm die Hand von Sheenas Schulter herunter und wandte sich schließlich zum Gehen. Höchste Beunruhigung zeichnete sich auf dem Gesicht des Mädchens ab, der das Ganze viel zu schnell ging.

      Auch seinem Freund behagten die jähen Abschiedsworte nicht, denn so kannte er Lewyn überhaupt nicht. Und dass jener nun ohne ein einziges Wort der Erklärung verschwinden wollte, gefiel ihm erst recht nicht. Als der langhaarige Mann an ihm vorbeiging, ergriff Brey entsprechend seinen Arm und redete auf ihn ein: "He, mach bloß keine Dummheiten, Kumpel. Was hast du vor?"

      Daraufhin wandte Lewyn langsam seinen Kopf zur Seite – sodass nur sein Freund allein seinem Blick begegnen konnte – und sah ihn für einige Augenblicke einfach nur still­schweigend an …

      Der intensive Ausdruck der Einsamkeit und des Leidens, die Brey in jenen tiefblauen Augen zu Gesicht bekam, schnürte ihm dermaßen die Kehle zu, dass er mehrmals schlucken musste, um den Knoten wieder zu lösen. Es verging ein weiterer Moment bedrückten Schweigens, bis er sich leise räusperte, Lewyns Arm mit einigem Zögern freigab und dabei bedeutsam nickend sprach: "Dann geh … und die Ahnen mit dir."

      So kehrte ihnen Lewyn den Rücken zu und verließ sie. Als er aus der Türschwelle herausgetreten war, verharrte er dann noch für einen kurzen Augenblick im Gehen … Der junge Mann wandte seinen Kopf zur Seite, als wollte er noch etwas Letztes sagen – ließ aber auch jenes bleiben und setzte seinen Weg nicht mehr zurückblickend fort.

      Lewyn sah Lydia trotz des ganzen Gepäcks auf ihrem Rücken mit ihren Artgenossen herumspielen und dachte einen Moment ernsthaft darüber nach, sie hierzulassen und sich ein anderes Pferd für die Reise zu nehmen. Doch ehe er den Gedanken hatte weiter ausreifen lassen können, war seine Stute schon von den anderen Pferden weggelaufen und schnaubte auf der Stelle

      tretend neben ihm, als hätte sie nur darauf gewartet, dass ihre Reise weiterging. Der Blonde lächelte traurig und schlug seiner treuen Gefährtin sanft gegen die Seite, bevor er schwungvoll auf ihren Rücken aufstieg und mit ihr davonritt.

      Ein weiterer Ort, der mit schönen Erinnerungen verbunden war, lag nun endgültig hinter ihm. Seine Füße schienen aus Blei zu sein, so schwer fiel es Lewyn, Abschied zu nehmen; denn je weiter er kam, desto stärker wurde das Gefühl in ihm, einen Weg ohne Wiederkehr gewählt zu haben. All die Menschen, denen er begegnet war, und all die Freunde, mit denen er so viel Zeit seines Lebens verbracht hatte – all dies verblasste einfach im Nichts.

      Im Nichts des Wirbels. Im Wirbel der Erinnerung.

      Im Wirbel des Vergessens.

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