»Komm her«, sagte er zu dem Jungen. »Ich werde dir zeigen, wie du dich sichern kannst, sollte sich der Affe während der Fahrt aufsässig zeigen.«
Der Junge lachte. »Das wird kaum nötig sein«, erwiderte er. »Ich bin gewiss, dass Ajax mir aufs Wort gehorcht.«
Der alte Mann stampfte ärgerlich mit dem Fuß auf. »Komm her«, wiederholte er. »Wenn du nicht tust, was ich sage, darfst du den Affen nicht nach Dover begleiten. Ich kann das Risiko, dass er entflieht, nicht eingehen.«
Immer noch lächelnd, durchquerte der Junge den Raum und blieb vor dem Russen stehen.
»Dreh dich um, so dass du mir den Rücken zuwendest«, befahl Paulvitsch. »Ich werde dir zeigen, wie du Ajax schnell fesseln kannst.«
Der Junge folgte dem Befehl und legte die Hände auf den Rücken. Sekunden später war er gefesselt. Da plötzlich stieß der Russe eine Verwünschung aus, riss seinen Gefangenen herum, brachte ihn zu Fall und sprang mit beiden Beinen auf seine Brust. Der Affe knurrte drohend und versuchte sich von seiner Fessel zu befreien. Der Junge schrie nicht auf. Er hatte das Wissen, dass im Dschungel jeder auf sich selbst gestellt ist, von seinem Vater geerbt.
Paulvitschs Finger tasteten nach der Kehle des Jungen, ein schreckliches Grinsen verzerrte seine Züge.
»Dein Vater hat mich zugrunde gerichtet«, murmelte er. »Jetzt bekommt er die Strafe dafür. Er wird denken, dass der Affe es getan hat. Ich werde ihm erklären, dass es der Affe war. Dass ich ihn ein paar Minuten allein lassen musste und dass er dich umbrachte, als du dich ins Zimmer schlichst. Ich werde dich auf das Bett werfen, nachdem ich dich erwürgt habe, und wenn ich deinen Vater hole, wird er den Affen über deiner Leiche kauernd finden.« Er stieß ein heiseres Gelächter aus, und seine Finger schlossen sich um den Hals des Jungen.
Hinter den beiden ließ das Toben des wütenden Tieres die Wände beben. Der Junge war bleich geworden, aber in seiner Miene spiegelte sich kein Zeichen von Furcht. Er war der Sohn Tarzans. Der Druck der Finger verstärkte sich, Jack vermochte nur noch mühsam zu atmen. Der Affe warf sich gegen den festen Strick, der ihn an sein Bett fesselte. Dann wandte er sich um, packte den Strick, legte ihn über seine Schulter und stemmte sich mit aller Kraft dagegen. Unter der haarigen Haut spannten sich die mächtigen Muskeln, und Holz begann zu splittern. Der Strick hatte gehalten, aber die Halterung des Strickes war mit einem breiten Stück Holz ausgerissen.
Bei dem krachenden Laut blickte Paulvitsch auf. Sein widerwärtiges Gesicht wurde grüngelb - der Affe war frei.
Mit einem einzigen Satz warf sich das Tier auf ihn. Der Russe schrie auf. Eisenharte Finger bohrten sich in das Fleisch des Mannes, gelbe Fänge schnappten nach der Kehle des Russen, der vergeblich zu entkommen versuchte. Die Zähne drangen tiefer und setzten dem Leben des hinterhältigen Menschen ein Ende.
Der Junge kam taumelnd auf die Füße, gestützt von Akut. Unter Jacks Anleitung löste das Tier die Fesseln des Jungen. Jack schnitt das Strickende ab, das von den Hüften Akuts herabhing. Dann öffnete er einen seiner Koffer und entnahm ihm verschiedene Kleidungsstücke. Er hatte seinen Plan bis ins Kleinste vorbereitet. Das Tier tat alles, was er ihm befahl. Zusammen schlichen sie sich aus dem Haus. Ein flüchtiger Beobachter hätte nicht gemerkt, dass der eine der beiden ein Affe war.
Viertes Kapitel
Der seltsame Tod des Russen Michael Sabrow, der keinen Freund hinterlassen zu haben schien, gab der Presse tagelang Stoff für sensationelle Meldungen. Auch Lord Greystoke las die Berichte und ließ sich von der Polizei auf dem Laufenden halten, nachdem er sichergestellt hatte, dass sein Name nicht mit dem Fall in Verbindung gebracht wurde.
Sein Interesse konzentrierte sich zunächst auf das geheimnisvolle Verschwinden des Affen, der seinen Herrn getötet hatte, aber auch einige Tage später, als man ihm meldete, dass sein Sohn die Schule nicht wieder auf gesucht habe, brachte er die Tatsache nicht mit der Flucht des Affen in Zusammenhang. Erst einen Monat später, als sich herausstellte, dass Jack den Zug vor der Abfahrt verlassen hatte und von einem Taxi zur Adresse des Russen gebracht worden war, kam Tarzan zu Bewusstsein, dass ein Zusammenhang zwischen dem doppelten geheimnisvollen Verschwinden bestehen müsse.
Am Tage, der dem Tod Alexis Paulvitschs folgte, begleitete ein Junge seine kranke, gehunfähige Großmutter in Dover an Bord eines Schiffes. Die alte Dame war tief verschleiert und so schwach, dass sie in einem fahrbaren Krankenstuhl an Bord gebracht werden musste. Der Junge gestattete niemandem anderen, den Stuhl zu schieben, und die beiden verschwanden in der Kabine, um erst am Schluss der Reise wieder an Deck zu kommen.
Unter den Passagieren des Schiffes befand sich ein Amerikaner mit Namen Condon. Condon war ein notorischer Betrüger, der von einem halben Dutzend amerikanischer Staaten gesucht wurde. Er hatte sich wenig für den Jungen interessiert, der mit seiner Großmutter an Bord gekommen war, aber dies änderte sich, als er den Jungen bei einer Gelegenheit ein beträchtliches Banknotenbündel aus der Tasche ziehen sah. Von diesem Zeitpunkt an bemühte sich Condon um die Freundschaft des jungen Engländers. Er erfuhr schnell, dass der Junge allein mit seiner kranken Großmutter reiste und dass ihr Bestimmungsort ein kleiner Hafen an der Westküste Afrikas, wenig unter dem Äquator, war. Der Junge und die alte Dame hießen Billings, und sie hatten keine Freunde in der kleinen Siedlung, die sie als ihr Ziel angaben. Über den Zweck der Reise konnte Condon nichts erfahren, denn sobald er diesen Punkt berührte, wurde der Junge sehr still. Der Amerikaner drängte nicht weiter; er hatte erfahren, was er wissen wollte.
Mehrmals versuchte Condon, den Jungen zu einem Kartenspiel zu bewegen, aber sein Opfer hatte kein Interesse daran, und die finsteren Blicke der andern Passagiere ließen es Condon geraten scheinen, nach einem anderen Weg zu suchen, um die Banknotenrolle des Jungen in seine eigene Tasche zu zaubern.
Schließlich kam der Tag, an dem das Schiff an einer bewaldeten Landzunge nahe der Äquator-Siedlung vor Anker ging. Sie bestand aus einer Handvoll Blechhütten. An den Rändern der Siedlung standen die mit tropischen Blättern gedeckten Hütten der Eingeborenen. Der Junge hatte die Hände auf die Reling gestützt. Sein Blick ging über die von Menschen gebaute kleine Stadt in den von Gott erschaffenen Dschungel. Erst jetzt schien ihm zu Bewusstsein zu kommen, auf welches Abenteuer er sich eingelassen hatte, denn vor seinem Auge tauchten plötzlich das zarte Gesicht der Mutter und die strengen Züge des Vaters auf, aus denen alle Liebe der Welt sprach. Jack wurde schwankend in seinem Entschluss, Heimweh packte ihn. Er wandte sich an einen vorbeigehenden Offizier und fragte:
»Wann legt das nächste Schiff nach England hier an?«
»Die Emanuel müsste jeden Tag ankommen«, erwiderte der Offizier. »Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass wir sie bei unserer Ankunft antreffen.« Mit diesen Worten wandte sich der Offizier ab, um weiter das Landemanöver zu überwachen.
Es erwies sich als ziemlich schwierig, die Großmutter des Jungen vom Deck in eines der schwankenden Kanus hinabzulassen. Der Junge bestand darauf, stets an ihrer Seite zu sein, und im Eifer des Gefechts entging ihm, dass das Geldbündel aus seiner Tasche gefallen und im Wasser versunken war.
Kaum hatte das Boot, in dem sich Großmutter und Enkel befanden, Kurs auf das Ufer genommen, als Condon auf der anderen Seite des Schiffes ebenfalls ein Kanu bestieg, um sich mitsamt seinem Gepäck an Land rudern zu lassen. Hier blieb er vorerst außer Sichtweite des schäbigen zweistöckigen Gebäudes, das sich stolz Hotel nannte. Erst als es dunkel wurde, näherte er sich dem Bau und bezog ein Zimmer.
In einem Hinterzimmer des zweiten Stockes erklärte der Junge, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten seiner Großmutter, dass er sich entschlossen habe, mit dem nächsten Dampfer nach England zurückzukehren. Er machte der alten Dame klar, dass sie in Afrika bleiben könne, wenn sie es wünsche, ihn jedoch zwänge sein Gewissen, zu den Eltern zurückzukehren, die sich seinetwegen sicher schwerste Sorgen machten.
Nachdem diese Entscheidung gefallen war, fühlte sich der Junge frei von den Selbstvorwürfen, die ihn in der letzten Zeit gequält hatten, und als er sich schlafen legte, gaukelte ihm ein leichter Traum bald das glückliche