"Bei dem ewig Mißtrauischen wird das schwierig. Nur über seine Süchte oder über seine Höflinge kommst du an ihn ran. Nutze seine Schwächen! Vielleicht bei einem aus dem Hofrat, dem du Vorteile für Sachsens Handel oder Wirtschaft in Aussicht stellst. Aber bedenke, so ein Kopf ist dann täglich henkersreif, wenn er etwas spürt."
"Nicht schlecht", lobte Querini, "aus dir könnte doch noch ein Jesuit werden."
"Einige Adelshäuser sind an fündigen Erzgruben interessiert. Sie wollen Augusts Luxus kopieren. Dabei stechen ihnen die Erzfunde der Herren von Schluckenau ins Auge."
"Nicht schlecht für den Anfang", schloß´ Querini. "ich werde einen Mann an den Dresdner Hof senden, der August von der Stärke und Unbesiegbarkeit des Kaisers überzeugt und vor allem auf die Türkengefahr hinweist. Der Kaiser garantiert dem Wettiner dann für seine Lehenstreue die geraubten Kirchengüter. Damit wird die protestantische Union gesprengt, wenn August auf die Seite der Habsburger wechselt."
Der Bischof wiegte zweifelnd das Haupt. „Du wirst einen protestantischen böhmischen Beichtiger für ihn finden müssen, der dazu noch kaisertreu ist.“
"Pater Joseph wird das übernehmen, immerhin ist er ein Schüler von Canisius."
"Auf diesen Meisterschüler wirst du leider verzichten müssen. Er sitzt im Verlies wegen Aufsässigkeit gegen seinen Bischof."
"Verdammt!" zischte Querini durch die Zähne.
"...das ist er schon", fuhr der Bischof ungerührt fort. "Er wollte ein Kind der Böhmischen Brüder rauben, umbringen und es dann in dann in seines Vaters Garten verscharren."
"Wozu das?"
" In diesem Fall könnten die Väter der Kompanie Jesu den Inquisitoren erzählen, der Junge habe sich freiwillig taufen lassen und sei dafür von seinem Vater tot geprügelt worden. So bekäme die Kirche Argumente in die Hand, die Brüderunität zu verbieten."
"Nicht übel ausgeknobelt!" entfuhr es Querini gegen seinen Willen. "Und warum darf er das nicht?"
"Weil in Böhmen Kaiser Maximilians II. Erlaß gilt, nach dem in Böhmen und Österreich alle Religionen gleich sind."
Der Legat schwieg ärgerlich, daß er daran nicht gedacht hatte. Wer waren diese Böhmischen Brüder eigentlich? Er hatte von ihnen gehört, daß sie eine Art Gegenkirche aufgebaut hatten mit Jan Komensky als Bischof. Er wußte, daß die Grafen von Thurn und andere Magnaten in den böhmischen Ständen mit Ehrfurcht von ihnen sprachen. Mit einem Wort, es waren Ketzer, die irgendwann brennen mußten. Wie konnte er auch vergessen, daß sich alle Böhmen, gleich ob sie katholisch oder protestantisch, einig waren, die eigene Böhmische Konfession zu schützen und weiterhin vom Kaiser zu verlangen. Wenn das in Sachsen Schule machte, wäre die Mutterkirche nur Primus inter pares - erster unter Gleichen. Gleichgestellt mit Ketzern! Laut sagte er als Vertreter der Kurie: „Cuius regio - eius religio, so steht es in der Augsburger Konfession. In wessen Land du wohnst, dessen Religion mußt du annehmen. Das gilt aber nur für Freie." Und nach einer längeren Pause: "Bischof, ich schlage dir ein Unentschieden vor, sozusagen ein Vergleich auf halbem Wege. Und das auch nur, weil es um deinen klugen böhmischen Dickschädel schade ist."
"Vergleich?" sein Gegenüber zweifelte.
" Ja, ich schweige über deine Beziehungen zum sächsischen Kanzler und du läßt Pater Joseph frei."
" Beziehungen unter Nachbarn sind wohl etwas Normales, da ist Ketzerei zweitranging, weil sie keine wirtschaftliche Größe ist. Im übrigen ist gute Vorbereitung die halbe Arbeit", bemerkte der Bischof noch beiläufig. "Und die Bedingung?"
Querini lachte. "Du alter Fuchs kennst unsere Spielregeln ganz genau. Also, du wirst Pater Joseph bei Kanzler Crackow ankündigen!"
"Warum nicht gleich so", meinte der Bischof. "Du begreifst also langsam, daß hier ohne einen Krieg gegen Böhmen nicht viel zu machen ist. Dein Mann heißt Hans Georg Wehse und ist Herr auf Burkersdorf. Er ist der Amthauptmann des Stolpener Kreises. Sein Besitz grenzt an die Herrschaft Schluckenau und Tollenstein. Während diese durch Erzfunde so reich geworden sind, daß sie eigene Münzen prägen konnten, fand sich hinter der Grenze kein Krümchen. Für eine Silberader verkauft sich dieser Kammerjunker mit Haut und Haar."
"Das war’s schon!" rief Querini freudestrahlend und goß zur Versöhnung noch einen guten Schluck ein." Jetzt fehlt mir nur noch Dr. Hieronymo Dersto."
Der Bischof zuckte mit den Schultern. "Bei mir nicht."
"Ein Italiener, Graf de Murano", setzte Querini hinzu. "Mit ihm wird Bruder Joseph ins Sächsische reiten. Der Venezianer ist Geologe, Alchimist, Zauberer, Scharlatan, von hohem Adel und dazu ein treuer Sohn der Kirche - Agent der Inquisition."
" Ein Graf?" wiederholte der Bischof nachdenklich. "Ich glaube da wartet einer mit einem Schreiben des Erzbischofs aus Wien. Soll ich ihn rufen lassen?"
Querini nickte. Der Bischof klatschte in die Hände. Sofort standen mehrere Bewaffnete in den verschiedenen Türen. Der Legat begriff erst jetzt, in welcher Gefahr er gewesen war.
"Den Venezianer her!" befahl der Bischof kurz und streng. "Ihr könnt euch zurückziehen. Laßt euch einen großen Krug Wein gaben.. Vorher aber erhält Pater Joseph 20 Peitschenhiebe und ist aus unserer Residenz zu weisen. Kaplan Balthasar wird die Prozedur beaufsichtigen, damit er nicht vergißt, wasDienstwilligkeit heißt.
Querini und der Graf de Murano gingen hinaus in den schattigen Garten. Der quadratische Hofraum war mit Terrazzo ausgelegt und wurde von Buchsbaumhecken gesäumt.
Das Ganze war ein Schmuckstück mit Inseln von dichtgedrängtem Rosmarin und Lavendelbüschen, hier und da ein Rosenstock dazwischen. Die weißgekleideten Mönche des Heiligen Dominikus pflegten die wohlriechenden Pflanzen zu Heilzwecken.
In der Mitte ein etwas verfallener Brunnen, von wilder Akelei und Petersilie umstanden. Daran vorbei ging Querini mit sicherem Schritt, als wäre er hier zu Hause. Er lenkte in den abgelegenen Teil der Gartens, um auf einer Bank Platz zu nehmen. „Dersto, wir sind mit Euch unzufrieden.“
„Ich kenne dafür keinen Grund“, entgegnete der Venezianer, wie ein gescholtener Schüler vor seinem Lehrer stehenbleibend.
„Vor wenigen Wochen seid Ihr in Wien aufgebrochen, ohne Euch bei uns zu melden. Versucht nicht, mich zu täuschen!“
„Ich bin Gesandter der Republik Venedig und habe meine Pflichten“, begehrte der Adlige auf.
Querini zog ein Papier aus der Tasche und hielt es absichtlich so, daß sein Gegenüber die Unterschrift seines Bruder, des letzten Grafen von Murano, erkennen konnte. „Hmm“, hüstelte er künstlich mit zusammengekniffenen Lippen. „Solltet Ihr den peinlichen Zwischenfall wirklich schon vergessen haben? Ihr bekamt von meinem Bruder, dem Staatsinquisitor Angelo Querini, Grafentitel und Palazzo am Canale di San Marco. Beides war der Lohn für einen Dienst, den Ihr der Signoria und der Kirche erwiesen habt. Es war Rettung in höchster Not gewesen, Eure ganze Familie Murano stand bereits auf der Liste meines Bruders, und was das heißt, wißt Ihr als Bediensteter der Republik Venedig besser als andere. Leicht kann man im Canale Orfano ertrinken, oder man ißt etwas Falsches, wie Euer armer Herr Vater...“
„Schurke!“ stieß Dersto hervor. „Laßt ihr mich denn nie mehr in Ruhe?“
„Der Dienst für die heilige Mutterkirche währet ewiglich, mein Sohn“ kam es salbungsvoll zurück.
„Schurke! Ich bring dich um, Kreatur der Hölle!“
„Darin magst du mehr Übung haben als ich. Aber vergiß nicht, Unsere Taten, wie die Welt sie jetzt auch sehen mag, dienen einer heiligen Sache. Sie gereichen uns dereinst beim Jüngsten Gericht zum Lobe. Solltest du aber verstockt sein, wird dich Pater Joseph nachdrücklich belehren Er ist darin wirklich Meister. Selbst ein hübsches Feuerchen kannst du bei ihm bekommen. Vielleicht eines wie damals im Friaul.“
Alles Leben schien aus dem gebräunten Antlitz des Südländers zu weichen, sein Gesicht wurde gelb wie