Das Geheimnis des Walen. Klaus Hoffmann - Reicker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Klaus Hoffmann - Reicker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847671275
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kommt weder ein lautes Wort, noch Unflat. Ich verbiete, dieses primitive Gesudel zu verbreiten. Es beschädigt die Kirche. Außerdem, bedenke: wir leben hier in der Macht des Protestantismus. Der sächsische Kurfürst ist auch ein Eiferer. Er kann uns vertilgen wie lästige Wanzen.“

      Alles konnte der Mönch ertragen, nur keinen Widerspruch. Ein Sturm brach aus ihm hervor. „Alle Welt soll sehen, wie Joseph Paßler, Soldat des Herrn, diese sächsischen und böhmischen Schweine zur Hölle senden läßt... Schweine, die den lieblichen Garten des Herrn verwüsten.“

      „Joseph, du bist hysterisch wie ein unbefriedigtes Weib. Du besudelst alle klugen Köpfe der römischen Kirche.“ mahnte der Bischof sanft, aber eine Spur zu väterlich. „ Du schadest, wo du eigentlich nützen solltest. Ich schäme mich für dich. So hat Jesus nicht gepredigt. Das klingt mehr nach Luther oder Calvin.“

      Das war für den Mönch zu viel. „Verfluchter Irrgläubiger! Fahr zur Hölle. Du bist es doch, der mit diesen Sendboten Belials paktiert. Erst heute kam ein Brief an dich von diesem Ketzer Crackow aus Dresden. Bischof, ich rieche in deiner Nähe den Gestank des höllischen Bockes. Verräter! Ich setze dir persönlich die Teufelsmütze auf.“

      Der Bischof erhob sich ächzend und blickte belustigt auf den Jesuiten. Nun hatte er ihn im Griff. "Joseph, das Maß ist voll. Nicht umsonst laufen dir schon nach kurzer Zeit die mühsam zusammengebrachten Schüler davon. Zu oft suchst du nach unflätigen Worten und verleitest die Brüder zu Empörung und Aufruhr gegen ihren vom Heiligen Vater eingesetzten Bischof. Viel zu lange habe ich deine Tücke und Hinterlist nachsichtig geduldet. Nun ist das Maß am Überlaufen. Ich bin entschlossen, dir zu geben, was der heilige Domenicus gebietet, wenn ein Dekan oder Präpositus vom bösen Geist angeblasen werden.“

      Hier machte Vladislaw eine Pause, seine Worte etwas nachwirken zu lassen. Dann griff er langsam hinter sich, um eine blutbesudelte Geisel hervorzusuchen und von ihren Futteral zu befreien. Sie lag stets bereit, um solchen Gesprächen einen passenden Abschluß zu geben.

      Joseph begann nun zu brüllen. „Wir Soldaten Christi gehorchen nur dem Papst und unseren Oberen. Du wirst dafür in der tiefsten Hölle schmoren und ich werde von oben lachend herabblicken und zusehen, wie dich Herr Urian schindet.“

      Ohne Übergang unterbrach ihn der Bischof mit gewaltiger Stimme:“ In die Knie pflichtvergessener Knecht! In den Staub, du Wurm, demütige dich vor deinem Bischof und koste die Geißel! Die Brüder werden dich ans Kreuz binden und peitschen, bis du um Gnade bittest. Und dich unterwirfst.“ Dabei zog er die Peitsche pfeifend durch die Luft. Das wiederum trieb den angemaßten Hochmut des anderen auf die Spitze. „Wenn mir meine Oberen befehlen, einen Stein am Meer vorwärts zustoßen, tue ich es, ohne zu fragen. Ich bin ein Stock in der Hand des Heiligen Vaters. Er kann mit mir hinzeigen, wo er will. Einem am rechten Glauben zweifelnden Bischof beuge ich mich nicht.“ Dabei machte er auf dem Absatz kehrt und verließ erhobenen Hauptes das Gemach.

      Bischof Vladislaw war über Paßlers Benehmen keineswegs verärgert. Es war gekommen, wie geplant. Er machte einen zufriedenen Eindruck. Einen wichtigen Trumpf besaß er nun gegen Querini. Josephs Freilassung würde diesen schon etwas kosten. „ He Wache!“ rief er in das Schalloch neben der Tür. „Den aufsässigen Mönch in den Kerker, bis er um die Geißel fleht.“

      Bewaffnete rasselten Treppe herauf, Pater Joseph in den Keller zu führen. Er folgte widerstandslos, wohl wissend, daß er dem Bischof viel zu viel von der Strategie der Gegenreformation verraten hatte. Querini würde es ihm kaum lohnen.

      Bischof Vladislaw schloß einen Wandschrein auf, dort standen einige Flaschen Falerner, von dem er sich einen Becher voll eingoß. Der Wein erinnerte ihn an vergangene Zeiten: Steil war sein Weg gewesen. Sein Vater, Herr auf Burg Krumau, einem der bedeutendsten Bauwerke des Heiligen Römischen Reiches, hatte ihn schon zur Taufe in eine Stück Altardecke gewickelt, zum Zeichen, daß er Mönch würde. Der ältere Bruder war nach Vaters Ansicht dumm, und das mochte nur zum Politiker und Hofbeamten reichen.

      Acht Jahre zählte Vladislaw als man ihm eine Tonsur in seine Locken schnitt. Mit vierzehn erteilte man ihm die niederen Weihen. Ab der Zeit lautete sein amtlicher Titel: „Hochwürden“. Jedermann hatte ihn so anzusprechen. Ihn, das Kind. Mit fünfzehn wurde er nach Prag gesandt zu einem Wortgefecht, bei dem viele namhafte Kleriker zuhörten, wo der Jüngling die sorgfältig zusammengestellten Zitate der Kirchenväter vortrug. Seit jener Zeit sagt man ihm nach, daß er Latein wie Cicero, Griechisch wie Demostenes beherrsche.

      Vladislaw atmete tief durch. Es stimmte, er las die alten Sprachen gut und verstand auch, was gesprochen wurde. Aber klug sein, war gefährlich, das sollte er damals in Rom schnell begreifen. Wenige Jahre später gehörte er Kardinal Morones Kongregation an, die den „Index librorum prohibitorum“ zusammenstellte, das Verzeichnis der verbotenen Bücher.

      Der Bischof stand am Fenster und blickte auf die Elbe hinab. Der Strom verband ihn mit Wittenberg. Endlich trat er an das Schreibpult und griff wahllos nach einem der dort aufgestellten Bücher. „Phillipus Melanchthon: Grundwahrheiten der Theologie“, las er laut. Er hatte dieses Buch aus Rom nach Böhmen geschmuggelt. Er erinnerte sich wieder an die überragende Gestalt des wahrhaft christlichen Reformators. „Phillipus, Meister Phillipus, ich kann nicht von dir lassen. Caraffa hatte recht! Manchmal verfluche ich sogar den Tag, der mich in deinen Bann riß. Seitdem bin ich wie vom Ufer fortgezogen, zaudere, zweifle, wäge ab, zermartere mich wie du. Phillip Schwarzerd, oft glaube ich, dein Weg ist der richtige und einzige – schon deshalb, weil uns Luther enttäuschte. Dann wieder zögere ich, noch eine Reformation, eine zweite? Gut, dein großes Wissen war es, du Neffe Reuchlins, das Lutherus half, seine Lehre zu untermauern. Ohne dich wäre Martinus nichts gewesen als ein verquerer Mönch. Du hast ihn am Ende überwunden. Aber was nützt uns das? Phillipisten verfolgen sie überall, in Rom, in Genf, in Wittenberg. Eine ökumenische Kirche, wie du sie plantest, will keiner wirklich. Vielleicht gibt es das in ferner Zukunft. Ohne deine Kenntnis der alten Sprachen und vor allem der Quellen hätte Martinus nie eine deutsche Bibel zustande gebracht, auch wenn er dem Beispiel der Hofschreiber Kaiser Karls IV. folgen konnte. Praeceptor Germaniae, wird es sie geben, die ökumenische Religion? Eine Religion der Humanisten für das Leben, über den verfeindeten Schwesterkirchen?

      Vladislaw glaubte Melanchthon deutlich zu hören: Der Geist solle endlich die Macht haben – eine Kirche, die offen ist für die hellenistische Vergangenheit und die Zukunft.

      Das ist es ja Phillipus: Seither hetzen nicht nur die Caraffas euch Phillipisten. Auch die Altlutheraner verfolgen sie mindestens ebenso grausam. Verfolgen sie, weil diese es wagen, sich durch eine Partei hindurch zu denken.

      So war es auch damals in Rom geschehen. Nur einen Moment hatte Vladislaw von Lobkowitz gezaudert und schon warf man ihn in die Engelsburg. Zu lasch gegen Andersdenkende, hatte ihm Caraffa, der spätere Papst Paul IV., vorgeworfen. Glücklicherweise hatte man ihm nichts nachweisen können, und Vater Lobkowitz hatte den vakanten Bischofsstuhl Nordböhmen gekauft. Seither war Vladislaw böhmischer Magnat und Mitglied des kaiserlichen Hoftages zu Regensburg. Er war der Herr im Garten Böhmens, wie man das blühende Elbtal hier nannte. Und nun kam dieser Querini, Musterzögling Caraffas. Diesem sollte er beweisen, daß er doch ein treuer Sohn Roms war. Man befürchtete nicht zu Unrecht eine Union aller oppositionellen Reichsfürsten unter dem Sachsen August I, dessen Kanzler und Minister Melanchthon – Anhänger waren. Um dieser tödlichen Gefahr zu begegnen, blies man zum Sammeln. „Man“ war Querini und geblasen wurde er, Vladislaw von Lobkowitz, wichtige Stimme im Reichshoftag.

      Zwei Fremde erreichten die bischöfliche Residenz. Italienische Adlige mochten es sein, Welsche. Während der Jüngere sicher nicht ohne Absicht in größerem Abstand folgte, wollte der Ältere gleich hoch zu Roß passieren. Die Wachen vertraten ihm mit aufgestellten Hellebarden den Weg. Er mußte absteigen, eine Prozedur, die ihm offensichtlich nicht zu schmecken schien. „Avanti! Zu Bruder Joseph, Präpositus des Jesuitenkollegs!“

      Das klang mehr befehlend als bittend. Man sah dem Älteren den Zorn deutlich an, als ihn der Leutnant der Wache abschätzig musterte. Wer in den Zügen des Ankömmlings Hochmut und Verachtung lesen konnte, würde ihm dennoch Stattlichkeit und Bildung nicht absprechen .

      „Zu Bruder Joseph?“ fragte