Das Geheimnis des Walen. Klaus Hoffmann - Reicker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Klaus Hoffmann - Reicker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847671275
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vor euch habt?“

      Die Wachen lachten nur. „Hunde, die so laut bellen, beißen nur selten.“

      „Beim kahlen Schädel Methusalems, ihr böhmischen Flegel, wollt ihr endlich Platz machen! Ich werde erwartet!“

      „Wirklich zu Pater Joseph?“ wollten die Böhmen nochmals wissen.

      „ Die böhmischen Schweine schlafen oder verstehen mich nicht!“ schrie der Italiener und fuchtelte mit dem Degen. „Soll ich euch Beine machen oder wollt ihr lieber mit Pater Josephs Eiserner Jungfrau Bekanntschaft schließen?“

      „Leutnant, der will sicher tatsächlich zu Pater Joseph. Er hat nicht nur seine Manieren sondern kennt auch dessen Heilmethoden“, meinte der eine Wächter, der andere ergänzte: “Also führen wir ihn zu seinem Herrn und Meister. Im Keller ist noch viel Platz.“

      Der Leutnant wurde auf einmal ernst, das konnte den Bischof vielleicht interessieren.

      „Verzeiht Herr! Pater Joseph liegt im Verlies.“

      Der Fremde schien das als Ausrede aufzufassen, denn er kollerte jetzt wie ein Birkhahn. „ Ich will doch sehen, wer es wagt mich aufzuhalten. Endlich aus dem Weg, ihr Dorfköter! Oder ich mache eine Satteldecke aus eurem Fell, für den komischen Bischof da oben.“

      Wortlos fällten die Wachen die Hellebarden und sorgten so für etwas Abstand.

      „Zum Bischof!", befahl der Fremde jetzt ruhiger, aber deutlich genug, um zu zeigen, daß er das Befehlen von Kindesbeinen an gewöhnt war.

      „Der Bischof ist heute nicht zusprechen. Er erwartet hohen Besuch“, lautete die Auskunft. „ Und jetzt fort hier, sonst müssen wir nachhelfen. Die Einfahrt muß frei bleiben für die päpstliche Kutsche.“

      Der Italiener war plötzlich hellhörig geworden und steckte den Degen ein. „Meldet uns!“

      „Wen? Sonst gibt es ein Loch im adligen Fell.“ Die Pike auf der Brust schien zu wirken oder war es die Erwähnung der päpstlichen Kutsche.

      „ Ich bin Doktor Hieronymo Dersto, Graf von Murano, Gesandter Venedigs in Wien!“ bei jedem Wort schien er ein Stück zu wachsen.

      „Und hier residiert Bischof Vladislaw von Lobkowitz, Reichsfürst. Heute nicht zu sprechen.“

      „Ich komme vom Kaiser in Wien!“

      Auf die Böhmen machte das offensichtlich keinerlei Eindruck. „Ruhe, du adliger Landstreicher. Hier gilt nur, was die Landstände in Prag beschließen.“ Dabei drohten sie wieder mit der Pike. „ Weder der Doge noch der Kaiser in Wien haben in Böhmen etwas zu sagen. Hier gilt das...“ Sie zeigten auf das prächtige Wappen auf ihren weißen Überwürfen. „Böhmen ist nicht Italien, wo jeder befehlen kann, wann immer er es nur will.“

      „ Ich komme mit einem persönlichen Handschreiben des Erzbischofs von Wien“, Dersto begann einzulenken. Widerwillig reichte er das mehrfach versiegelte Schreiben dem Leutnant.

      „ Warum nicht gleich so!“ meinte einer der Wächter. Und als Dersto erneut gegen die Behandlung protestieren wollte, fügte der Leutnant hinzu:“ „ Ruhe, du halber Hahn! Wer zu Pater Joseph will, muß froh sein, nicht im Loch zu landen.“

      Jetzt war auch der zweite Italiener herangekommen und abgestiegen. „Und der hier? Wollte der neugierige Wächter wissen, wobei er auf den zarten Jüngling wies. „Noch ein Schüler, der in Pater Josephs Schule aufgenommen werden soll? Oder ist es der Page?“ Dieser trug eine enganliegende braune Hose, gelbe Halbstiefel und dazu einen weiten spanischen Mantel. Langes dunkles Haar umrahmte das Gesicht.

      Wozu nur schleppte diese großmäulige Graf solch einen nutzlosen Knaben auf den unsicheren Landstraßen mit? „ Wer ist denn das Frauenzimmer hier?“ rief der Leutnant.

      Das Wort Frauenzimmer brachte Dersto erneut in Rage. Wieder zog er den Degen.

      Der Leutnant winkte ab. „Schon gut, ich meine euren Pagen.“

      „ Er ist mein Mündel, Bastian Dersto, und soll auf der Universität Krakau seine Studien vollenden.“

      Nachdem der Leutnant die beiden Ankömmlinge gemeldet hatte, deutete er den Derstos, ihm zu folgen. „Ich weise euch jetzt die Zimmer. Bischof Vladislaw wird euch rufen, wenn er Zeit hat.“

      Inzwischen schickte der neugierige Wächter einen Knaben, der unbeachtet im Hintergrund gespielt hatte, zum Rathaus. Dort wohnte der sächsische Bote und wartete neben der Antwort des Bischofs auf weitere Nachrichten.

      Des Bischof Blick glitt ein letztes Mal prüfend über die Purpurteppiche, die hohen geschnitzten Stühle und den ausladenden Kastentisch mit den beiden Gedecken. Ihm stand das goldene, mit dem Wappen derer von Lobkowitz geschmückte Gedeck zu. Für Querini würde auf ziseliertem Silber serviert werden. Sogar eine jener kürzlich aufgekommenen Gabeln lag neben Messer und Löffel.

      Schwere Brokatvorhänge zierten die Fenster. Kerzen in großen Kadelabern mischten ihr Licht mit dem des Tages. Fackeln waren erst vorgesehen, wenn Querini über die Schwelle trat, denn sie rußten stark. Der Legat sollte spüren, welche Macht Böhmen darstellte.

      Rings im weiten Elbkessel nichts als Obst und Weingärten, nur hier und da von Hopfenstangen unterbrochen. Wohlgefällig blickte der Bischof nach draußen auf sein Fürstentum. Niemand sollte es ihm nehmen, auch dieser Querini nicht. Lieber trat er wie der Kölner Erzbischof zum Protestantismus über. Dann könnte er sogar die Klosterländereien seinem Grundbesitz zuschlagen, säkularisieren. Nur aus diesem Grunde ließen sich viele Fürsten lutherisch taufen: Glaubenswechsel als Vorwand, die fürstliche Macht auf Kosten des kirchlichen Besitzes zu vergrößern.

      Bischof Vladislaw schmunzelte. Wie das klang: Wir, Vladislaw von Lobkowitz, befehlen. Wir, das hieß Gott und er. Querini mochte ihn nur reizen. In diesem Punkte waren alle Lobkowitze Choleriker.

      Der Schiffsverkehr auf der Elbe lenkte ihn ab. Heringe, Korn, Holz, Obst, Silber, Hopfen, Kies, Kupfer, Sandstein und andere Kostbarkeiten zogen direkt unter ihm vorüber. Überlieferte Vorrechte als der Zeit Kaiser Karls IV. sicherten sowohl der Stadt als auch den Fürsten regelmäßige Einkünfte. Jedes Schiff mußte hier anlegen und Zoll zahlen oder seine Waren auf dem Markt billig feilbieten.

      Und wieder zog die schwarze Spinne ihre Fäden durch sein Gedankennetz. Was war von dem friedlichem Böhmen Karls IV. geblieben, wo man einen Klumpen Gold auf dem Kopf durchs Land tragen konnte, ohne überfallen zu werden. Eigentlich war nur eins geblieben: Noch immer war der Landtag, aus Pans, Rittern und Bürgern bestehend, höchstes Organ des Landes. Sogar Kaiser Maximilian mußte die alten Privilegien des Luxemburgers erneuern. Wollte ein Habsburger Krieg führen, gehorchten die Böhmen nur dem Landtag. Wollte Querini die Religion ändern, wollte er andere Urteile oder Steuern verkünden, brauchte er die Zustimmung dieses Parlamentes. Und da glaubte so ein Jesuit, er könnte das untergraben. Aber sie würden den entschlossenen Widerstand aller Böhmen, gleich ob Tschechen oder Deutsche, stoßen.

      Nun gut, irgendwie würde er dem päpstlichen Legaten schon Zügel anlegen. Sollte dieser aber wider Erwarten besonders störrisch sein könnte ihm Pater Josephs Gefangenschaft vielleicht ein wenig nachhelfen. Sie mochte nur kommen, die päpstliche Kutsche. Nicht umsonst hatte Vladislaw im Vatikan studiert - klerikale Diplomatie.

      Wie schnell das Fleisch dem Wohlleben verfällt – dort hatte er es am eigenen Leibe erlebt. Der Herr im Himmel allein wußte es: Die Gelüste des Menschen sind sein teuflischer Pferdefuß. Damals senkte der kleine Gott dieser Welt den Stachel der Lust auch in Vladislaws Herz. Die Kurie lebte es vor, die jungen Padres machten es nach, und bei Boccacciuo konnte man es lesen. Nicht nur Bruder Rustico entlastete zarte Seelen zu ihm kamen, ihre Sünden abzuladen. Jungen Frauen gab auch Vladislaw den Vorzug. Stets war der Vorhang des Beichtfensters etwas gelüftet, damit das begehrliche Auge die runden Herrlichkeiten abtasten konnte. Nicht selten half Vladislaw bei den anschließenden Bußübungen. Ovid, Catull, Tibull, Mäzenas waren in der Zeit seine Lieblingslektüre.

      „O Göttin von Cypern“, murmelte der Bischof mit einem wehmütigen Blick. „ Gottes Haus wurde für mich zum Tempel