In der Box schälte ich mich mühsam aus der verschwitzten Lederkombi, verschwand kurz für kleine Jungs, bekam dann eine Dose der bekannten Brause und eine lauwarme Pizza im Pappkarton in die Hand gedrückt. Noch bevor ich zu Essen begann sah ich mein Moped auf einem Montageständer, wie eben das Hinterrad wieder eingesetzt wurde. Wow.
Reifen wechseln und wuchten schneller als ich Pissen kann. Essen, dann dösten alle irgendwo in einer ruhigen Ecke 'ne Stunde vor sich hin. Der allgemeine Weckruf war dann Stilecht das infernalische Brüllen eines Superbikes aus der Nachbarbox.
An diesem Nachmittag bekam ich dann ein privates Training. Theoriestunden an einer Tafel mit bunten Filzstiften.
Die Praxisstunden fuhr Misaki mit ihrer RS400, ich auf meiner eigenen 7½-er. Immer zwischendurch, wenn der Lärm der Boliden mal etwas abklang und die Strecke kurz frei war. Misaki klemmte einen Kopfhörer in meinen Helm und steckte einen kleinen Empfänger in die Tasche meiner Lederjacke, sie selber bekam ein Mikrofon mit Sender.
Ich war echt dankbar die Thematik mal so von der ganz anderen Seite dargestellt zu bekommen.
Von einer kompetenten Lehrerin, zwischendurch mal von Testfahrern und richtigen Rennpiloten. Die kannte ich leider vom Namen alle nicht. Vielleicht gut so, sonst wäre ich wahrscheinlich vor Ehrfurcht erstarrt. So waren alle nur ganz Freundlich und Kumpelhaft zu mir.
Geduldet in ihren Reihen, der Stiefsohn von Misaki, ein harmloser Mopedfreak wie sie selbst eben auch.
Misaki musste bei mir fast von 0 anfangen: „Weißt du, die Moped's fährt man je nach Hubraum recht unterschiedlich. Moto3 und 400-er fährt man mit einer langen weichen Linie. Möglichst wenig bremsen, lange am Gas, viel Schwung mitnehmen. Das ändert sich dann schrittweise je nach Fahrergewicht und Fahrstil bei den Supersport und Moto2.
Dein Moped und die Superbike fährt man dann schon Digital, d.h. mit Dampf, man nutzt die brachiale Beschleunigung. Also möglichst Spät bremsen bis weit in die Schräglage hinein, tiefe kurze Schräglage, früh aufrichten und hart ins Gas. Man lenkt viel mit dem Hinterrad, mit Wheelspin und Drift.
Dazu kommt eine ziemlich fiese Nebenerscheinung: Highsider! Das ist wenn die Fahrer so spektakulär von ihren rodeoartig bockenden Mopeds in hohem Bogen abgeworfen werden.“
Klar, das kannte ich schon aus dem Fernseher. Sieht schmerzhaft aus. Nickte zustimmend.
„Du darfst bei einem so starken Motorrad nie – und damit meine ich niemals in der Kurve bei einem Drift oder Slide das Gas aprupt zumachen. Der breite warme Reifen bekommt ruckartig Seitenhalt und Schwuuuups – bist du auf der Trage.
Das sind die schmerzhaftesten Unfälle. Verlierst du eines der Räder in der Kurve dann fällst du aus einem halben Meter oder weniger schräg auf den Asphalt, die Energie wird beim Rutschen aufgezehrt, du rutscht raus aus der gefährlichen Zone und hast eben paar Brandflecken und Prellungen auf der Haut. Bei einem Highsider hingegen knallst du aus 3 Metern Höhe senkrecht auf die harte Bahn und bleibst mitten im Verkehr liegen. Glaube mir, das willst du nicht wirklich.
Deshalb: Wenn es hinten rutscht um Himmels willen vorsichtig am Gas bleiben, nur mit Gewichtsverlagerungen die Kurve beenden.“
Ein seltsames Gefühl solche Worte aus dem Munde einer Frau zu hören. Einer Frau! Meiner Stiefmutter! Und ich dachte Anfangs echt sie wäre ein gewöhnlicher Thailand-Import eines alternden Mannes. Begann mich ob meiner anfänglichen Überheblichkeit etwas zu Schämen. Jetzt waren wir in ihrer Welt und sie ließ sich das kein bisschen heraushängen.
Sie meinte es Ernst was sie mir da Vermittelte, sie wollte mein Bestes.
Der Nachmittag begann dann erstmal nur wieder Frustrierend. Wir machten praktische Fahrübungen. Misaki zeigte mir alles auf der Strecke, während sie mir über Funk Anweisungen erteilte. Mal war sie vor mir um zu demonstrieren, mal hinter mir um zu Beobachten.
Ich hatte auf dem Papier nahezu doppelte Motorleistung und Misaki fuhr mühelos Kreise um mich herum.
Überholte außen, innen, auf der Bremse. Nicht mal auf der Geraden kam ich wirklich davon, sie hielt sich einfach im Windschatten um mich dann beim Bremsen wieder als Trottel dastehen zu lassen. Was muss diese RS400 wohl wirklich Dampf haben? Die Mechaniker klopften mir in den Pausen nur Aufmunternd und Mitleidig auf die Schultern.
Und ich dachte immer ich kann fahren?
Der Tag neigte sich dem Ende zu, die Sonne wanderte langsam hinter die Berge. Wir saßen auf einer Mauer mit reichlich Gummi- und Farbantrag und sahen den japanischen Ameisen beim aufräumen zu, wie die teuren technischen Geräte in diversen Sattelschleppern verstaut wurden.
„Was machen wir jetzt, Miky?“
„Keine Ahnung. Heimfahren?“
„Oder magst du noch bleiben bis morgen?“
„Suchen wir uns ein Hotel?“
„Nein. Wir essen mit den Anderen im Hospitality-Zelt und schlafen im Mobilhome.
Nahezu jeder Sattelzug hat eine große Schlafkabine für die Crew, müssen die Mechaniker halt mal ausnahmsweise vorne im Führerhaus auf den Pritschen schlafen. Die sind solche Fälle gewöhnt.“
Ich dachte mir weiter nichts dabei, ein verlockender Gedanke mal alles an eigener Haut zu erleben was Herosport niemals übertrug. Zudem ein weiterer Tag auf der Strecke und in dieser spannenden Atmosphäre. Jedoch der Abend war kurz, alle gingen nach dem Essen erstaunlich früh und unspektakulär zu Bett.
An einem Rennwochenende hätten sie jetzt noch ziemlich viel zu Tun gehabt, vor allem wenn Defekte einen Start in Frage stellen. Mich wunderte nur kurz dass Misaki nicht bei ihrem Vater im großen bequemen Mobilhome übernachten wollte, wo doch Familie so wichtig schien?
Zwei Mechaniker waren so freundlich uns ihre Kojen anzubieten. Sie schliefen vorne in der Zugmaschine. Wobei für die kleinen Ameisen die Kojen im Truck eh schon King-Size bedeuten.
In der Spitze der Sattelauflieger sind wie kleine Appartements, mit 2 bis 4 Kojen, einer kleinen Küche, Klo und Dusche.
Misaki kam mit zwei verpackten Einweg-Zahnbüsten daher, darauf das Logo einer anderen Reifenmarke. Anscheinend sind überraschende Übernachtungen in dieser Branche üblich? Die Einrichtung des Wohnabteiles war vergleichsweise Luxuriös für die beengten Verhältnisse. Klar.
Die Leute wohnen hier drin viele Wochen im Jahr. Für Misaki schien das alles Normal.
Ich stand Anfangs etwas unschlüssig herum, wartete geduldig auf Anweisungen, sah aufmerksam zu. Es gibt kein richtiges Bad, die Zähne werden an der Küchenspüle geputzt, einmütig standen wir nebeneinander und fuchtelten in der Gosche. Ein Chemiekloo steht in der Duschkabine, die Dusche selbst funktionierte jedoch nicht.
„Haben sie wieder vergessen den Schlauch anzuschliessen oder irgendein Spaßvogel hat den Schlauch für sich selber abgezweigt.
Das passiert auch ständig.“
„Und jetzt?“
Misaki begann in den Stauschränken zu wühlen. „Ah, hier! Notdusche!“ Drückte mir eine Packung mit feuchten Tüchern in die Hand, auch mit Sponsorenaufdruck. Schälte sich vor mir aus der engen Lederkombi, darunter trug sie nur einen leichten weissen Seidenoverall, sichtlich durchgeschwitzt klebte dieser an den entsprechenden Stellen. Auch diesen zog Misaki völlig vorbehaltlos vor mir aus.
Stand tatsächlich Nackt vor mir, nahm nacheinander mehrere Tücher aus der Packung und rieb sich vor mir ab.
„Was ist Miky (Keine Ahnung warum sie mich jetzt immer Miky nennt), so stinkend kommst du mir nicht ins Bett!“
Hmm,