Die Elf Augen. B. L. Hach. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: B. L. Hach
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783741841088
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Schultern. Der Mund war merkwürdig verzogen. Aber die Augen blickten genauso eindringlich wie heute.

      Mitglied der Elf Augen stand darauf und darunter Diplomierter Spurensucher in mehreren Sprachen, darunter Englisch, Französisch, Chinesisch, Arabisch. Mit dem Daumen ertastete Arnold auch Blindenschrift. Als er den Ausweis umdrehte, sah er das Hologramm: Ein Auge, das sich öffnete und schloss. In der Mitte war keine Pupille, sondern eine Weltkugel.

      »Sie sind also definitiv ein Mitglied der Elf Augen«, stellte Agatha fest.

      Orville nickte. »Oui. Ich bin einer der sechs Agenten des Königreiches und durchaus stolz, meinem Land auf diese Weise dienen zu können.« Orville fuhr sich durch das Haar. »Wenn ich nun vielleicht eintreten dürfte? Ich sollte allmählich mit meiner Spurensuche beginnen. Je frischer die Spuren, umso besser, das müsst ihr wissen. Erste und wichtigste Spurensucherregel.«

      Die Zwillinge tauschten einen Blick aus, fast unmerklich nickten sie sich zu. Agatha löste die Sicherheitskette und öffnete die Tür weiter.

      Nachdem er sich die Schuhe sorgfältig abgetreten hatte, kam Orville herein. Dafür musste er seinen Kopf einziehen, so groß war er. Erst jetzt bemerkten die Zwillinge den schwarzen Aktenkoffer, mit dem Orville aussah wie ein verbeamteter Totengräber.

      »Die Zeit drängt«, erinnerte Orville die Kinder. »Wenn ich vielleicht direkt an den Ort des Verbrechens könnte?« Als Arnold ihm den Weg in das Schlafzimmer ihrer Eltern zeigen wollte, hob Orville abwehrend die Hand. »Merci, aber ich kenne den Weg. Ich habe damals beim Einzug euren Eltern beim Tapezieren geholfen, müsst ihr wissen.« Mit großen Schritten ging er den Flur entlang, geradewegs hoch in das Schlafzimmer.

      Kaum war er nicht mehr zu sehen, schlichen die Zwillinge hinterher. Vertrauen war gut, Kontrolle in diesem Fall aber eindeutig besser. Leider hatte Orville die Tür geschlossen. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als durch das Schlüsselloch zu spähen. Agatha durfte als erste.

      »Sag schon, was siehst du?«, drängte Arnold.

      »Er hat sich den Mantel ausgezogen und über den Bettpfosten gehängt«, flüsterte Agatha. »Jetzt öffnet er den Aktenkoffer.«

      »Und was ist drin?«

      »Kann ich nicht erkennen.«

      »Mann, dann lass mich mal!« Arnold schob seine Schwester zur Seite.

      Orville hatte begonnen, den Inhalt des Koffers auf den Boden zu räumen. Lauter kleine Tuben, Dosen und Gläschen. Jetzt nahm er eine Kamera aus dem Koffer und begann, das Zimmer zu fotografieren. Sehr gründlich ging er vor. Er fotografierte wirklich jeden Quadratzentimeter. Das Fensterbrett, den Nachttisch, die Deckenlampe – sogar die Teppichfransen. Als Nächstes begutachtete der Spurensucher die eingetrockneten Blutflecken. Mit einem großen Lineal maß er ihren Durchmesser. Er nahm eine Schere aus dem Koffer und schnitt jeden einzelnen Fleck säuberlich aus. Aus dem Rest schnitt er blitzschnell – vielleicht zur Übung, vielleicht auch nur zum Spaß – eine Sternengirlande.

      »Könnte auch ein Scharlatan sein«, murmelte Arnold.

      In genau dem Moment hielt Orville für den Bruchteil einer Sekunde inne und lauschte. Arnold erschrak so sehr, dass er freiwillig zur Seite rückte. Agatha blickte wieder durch das Schlüsselloch.

      Orville hatte ein gewaltiges Mikroskop aus dem Koffer gehoben. Nacheinander legte er die Bettlakenstücke unter das Objektiv. Es dauerte eine Ewigkeit, denn Orville machte sich in einem kleinen Heft ausführliche Notizen.

      »Gibt's was Neues?«, flüsterte Arnold.

      »Er zieht mit einer Pinzette kleine Fasern aus dem Lakenstoff. Die stopft er in ein Reagenzglas … und jetzt tropft er eine giftgrüne Flüssigkeit darauf. Irgendwie merkwürdig.«

      »Ein Scharlatan, sag ich doch«, flüsterte Arnold.

      »Hauptsache, er verschüttet nichts«, flüsterte Agatha zurück.

      Orville platzierte das Reagenzglas in einem Ständer auf dem Fußboden, daneben stellte er einen altmodischen Wecker. Dann setzte er sich kerzengerade auf das Bett, verschränkte die Arme vor der Brust und pfiff leise vor sich hin.

      Nach wenigen Sekunden drehte er den Kopf zur geschlossenen Tür. Agatha war, als würde er ihr durch das Schlüsselloch direkt ins Auge sehen. »Mes enfants, könnt ihr mir vielleicht etwas zu trinken bringen? Spurensuchen strengt an. Leo macht doch diese hervorragende Limonade, nicht wahr?«

      Wie vom Blitz getroffen wichen die Zwillinge von der Tür zurück.

      Ein paar Minuten später brachten sie Orville das gewünschte Glas Limonade, mit einem extra Eiswürfel.

      »Merci beaucoup«, sagte Orville, nahm einen großen Schluck und unterdrückte einen Rülpser. »Köstlich. Jetzt gibt es nichts anderes zu tun, als zu warten, bis der Wecker klingelt. Setzt euch doch.« Er klopfte einladend auf die Matratze neben sich.

      Zögernd nahmen die Zwillinge Platz. Agatha sah zum Reagenzglas. Die Flüssigkeit darin war so grell, dass ihr die Augen schmerzten. Schnell wandte sie den Blick wieder ab. Ganz anders Orville, der das Reagenzglas anstarrte, jede Farbveränderung registrierte und nur ab und zu von der Limonade trank. Arnold wippte mit den Füßen. Das Ticken des Weckers kam ihm unerträglich laut vor.

      Endlich klingelte es.

      »Na, dann wollen wir mal«, sagte Orville. »Jetzt heißt es Daumendrücken, mes enfants.« Er krempelte sich die Ärmel hoch. »Ich werde nun einen Streifen Humanopapier in das Reagenzglas halten. Färbt sich der Streifen, haben wir ernsthaft Grund zur Sorge.«

      Orville war so angespannt, dass sich sein Akzent verstärkte. Vorsichtig nahm er einen Papierstreifen aus dem Aktenkoffer und tunkte ihn in die grüne Flüssigkeit. Nach einigen Sekunden zog er den Streifen wieder heraus . Die Flüssigkeit perlte ab, der Streifen war so weiß wie zuvor. Orville hielt ihn ein zweites Mal in die Flüssigkeit: Wieder blieb der Streifen weiß. Erleichtert atmete der Spurensucher aus. Arnold spürte, wie ein Teil der Anspannung von ihm wich. Zwar wusste er nicht warum, doch mit einem Mal hatte er Vertrauen in diesen seltsamen Typen.

      Agatha wollte es genauer wissen: »Was bedeutet das?«

      Orville schraubte das Reagenzglas zu.

      »Alors, die zu untersuchende Substanz …«, begann Orville, wurde jedoch von Arnold unterbrochen: »Du meinst das Blut.«

      Orville zog die Augenbrauen hoch. »Ob es Blut ist, musste erst überprüft werden. Nimm nichts als das, was es scheint. Erste Spurensucherregel.« Er kratzte sich am Kopf. »Nein, das ist die zweite Regel. Die hab ich schon während meiner Ausbildung immer verwechselt. Aber ja, in diesem Fall ist es tatsächlich Blut. Das hat meine Analyse mit dem Mikroskop eindeutig gezeigt.«

      Agatha stöhnte sichtlich genervt: »Und was war das mit dem grünen Zeug eben?«

      Oberlehrerhaft erklärte Orville: »Das grüne Zeug ist ein Molekül-Lösungsmittel. Es hat das Blut von dem Stoff gelöst. Dadurch konnte ich den Test mit dem hochwertigen Humanopapier durchführen. Da sich dieser Streifen nicht verfärbt hat, können wir davon ausgehen, dass es sich nicht um menschliches Blut handelt. D'accord?«

      Jetzt verstand Agatha, warum Orville so erleichtert war. »Das heißt, Mama und Papa sind gar nicht verletzt?«

      »Zumindest nicht schwer«, sagte Orville. »Und das hätte mich auch gewundert. So gut, wie eure chère maman trainiert ist.«

      »Aber woher stammt das Blut dann?«

      »Gute Frage. Schwere Frage«, Orville wog den Kopf. »Um sie endgültig beantworten zu können, muss ich die Proben mit in mein Labor nehmen. Dort habe ich mehr Gerätschaften. Vorher sollte ich noch eine Luftprobe nehmen.«

      Orville hob ein braunes Päckchen aus seinem Koffer. Unter normalen Umständen hätte Agatha sich gewundert, wie all die Dinge darin überhaupt Platz hatten. Aber das hier waren alles andere als normale Umstände.

      »Diese Luftsauger sind unglaublich teuer«, erklärte Orville. »Kaum kauft man einen,